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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Klima. Gliederung des Florenreichs.
Mongolei, Tibet, Turkestan und Kaspische Step-
pen
. Dasselbe entspricht einigermaßen dem Grisebach-
schen "Steppengebiet" (V. d. E., Bd. I, Kap. 4), ist aber
sowohl der orientalen Florengebiete als auch der pon-
tischen Grassteppen mit ihrem nord-mediterranen Cha-
rakter entkleidet; denn die wesentlichen Charakterzüge
erreichen zwischen Ural und Kaspischer See ihre West-
grenzen. Auch so ist noch eine bemerkenswerte Ver-
schiedenheit in den Erzeugnissen der verschiedenen Teile,
welche mit einzelnen Arten die ungeheuren Wüsten-
gebiete sich untermischend bevölkern; die Hauptverschie-
denheiten knüpfen sich an drei Florengebiete: Turkestans
Gebirge im Westen, die mongolischen Randgebirge im
Osten, der Innenhang des Himalaya im Süden; und die
orographische Gestaltung, welche zwischen Wüstensteppen
und dürftig bewaldeten Bergländern wählen lässt, macht
aus diesen drei Florengebieten sechs Vegetationsregionen.
Aber im Osten sind die Grenzen des innerasiatischen
Florenbestandes gegenüber dem ostasiatischen Element
schwierig zu ziehen, wie aus den statistischen Vergleichen
von Maximowicz hervorgeht: unter 1296 (im Jahre 1884
bekannten) Blütenpflanzen der Mongolei sind 8--9 %
endemisch, 351/2 % sind "sibirisch", d. h. westwärts bis
zum Ural durch die Steppenlandschaften verbreitet, 46 %
haben ein weit ausgedehntes nördliches Areal, jedoch ohne
spezielle Anklänge an Nordamerika, 7 % sind chinesisch-
mandschurisch. Nach Norden hin sind durch das sibi-
rische einförmige Waldgebiet diesen Florenkindern scharfe
Grenzen gesetzt, nach Süden sperrt der tropische Hang
des Himalaya; im Osten bildet die immergrüne Strauch-
vegetation Chinas bald eine Grenze, aber wiederum nach
Westen und besonders nach Südwesten sind die Wande-
rungs- und Austauschswege seit der Tertiärperiode günstig
geöffnet gewesen.

Der Stellung des Himalaya ist hier besonders zu
gedenken: seine geographische Lage macht seine Kamm-
linie zu einer natürlichen Florenscheide, aber zugleich
ist seine Ausdehnung von West nach Ost so gross, dass
auch hierin eine Florengliederung sich ausgebildet hat;

Klima. Gliederung des Florenreichs.
Mongolei, Tibet, Turkestan und Kaspische Step-
pen
. Dasselbe entspricht einigermaßen dem Grisebach-
schen „Steppengebiet“ (V. d. E., Bd. I, Kap. 4), ist aber
sowohl der orientalen Florengebiete als auch der pon-
tischen Grassteppen mit ihrem nord-mediterranen Cha-
rakter entkleidet; denn die wesentlichen Charakterzüge
erreichen zwischen Ural und Kaspischer See ihre West-
grenzen. Auch so ist noch eine bemerkenswerte Ver-
schiedenheit in den Erzeugnissen der verschiedenen Teile,
welche mit einzelnen Arten die ungeheuren Wüsten-
gebiete sich untermischend bevölkern; die Hauptverschie-
denheiten knüpfen sich an drei Florengebiete: Turkestans
Gebirge im Westen, die mongolischen Randgebirge im
Osten, der Innenhang des Himalaya im Süden; und die
orographische Gestaltung, welche zwischen Wüstensteppen
und dürftig bewaldeten Bergländern wählen lässt, macht
aus diesen drei Florengebieten sechs Vegetationsregionen.
Aber im Osten sind die Grenzen des innerasiatischen
Florenbestandes gegenüber dem ostasiatischen Element
schwierig zu ziehen, wie aus den statistischen Vergleichen
von Maximowicz hervorgeht: unter 1296 (im Jahre 1884
bekannten) Blütenpflanzen der Mongolei sind 8—9 %
endemisch, 35½ % sind „sibirisch“, d. h. westwärts bis
zum Ural durch die Steppenlandschaften verbreitet, 46 %
haben ein weit ausgedehntes nördliches Areal, jedoch ohne
spezielle Anklänge an Nordamerika, 7 % sind chinesisch-
mandschurisch. Nach Norden hin sind durch das sibi-
rische einförmige Waldgebiet diesen Florenkindern scharfe
Grenzen gesetzt, nach Süden sperrt der tropische Hang
des Himalaya; im Osten bildet die immergrüne Strauch-
vegetation Chinas bald eine Grenze, aber wiederum nach
Westen und besonders nach Südwesten sind die Wande-
rungs- und Austauschswege seit der Tertiärperiode günstig
geöffnet gewesen.

Der Stellung des Himalaya ist hier besonders zu
gedenken: seine geographische Lage macht seine Kamm-
linie zu einer natürlichen Florenscheide, aber zugleich
ist seine Ausdehnung von West nach Ost so gross, dass
auch hierin eine Florengliederung sich ausgebildet hat;

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[407/0439] Klima. Gliederung des Florenreichs. Mongolei, Tibet, Turkestan und Kaspische Step- pen. Dasselbe entspricht einigermaßen dem Grisebach- schen „Steppengebiet“ (V. d. E., Bd. I, Kap. 4), ist aber sowohl der orientalen Florengebiete als auch der pon- tischen Grassteppen mit ihrem nord-mediterranen Cha- rakter entkleidet; denn die wesentlichen Charakterzüge erreichen zwischen Ural und Kaspischer See ihre West- grenzen. Auch so ist noch eine bemerkenswerte Ver- schiedenheit in den Erzeugnissen der verschiedenen Teile, welche mit einzelnen Arten die ungeheuren Wüsten- gebiete sich untermischend bevölkern; die Hauptverschie- denheiten knüpfen sich an drei Florengebiete: Turkestans Gebirge im Westen, die mongolischen Randgebirge im Osten, der Innenhang des Himalaya im Süden; und die orographische Gestaltung, welche zwischen Wüstensteppen und dürftig bewaldeten Bergländern wählen lässt, macht aus diesen drei Florengebieten sechs Vegetationsregionen. Aber im Osten sind die Grenzen des innerasiatischen Florenbestandes gegenüber dem ostasiatischen Element schwierig zu ziehen, wie aus den statistischen Vergleichen von Maximowicz hervorgeht: unter 1296 (im Jahre 1884 bekannten) Blütenpflanzen der Mongolei sind 8—9 % endemisch, 35½ % sind „sibirisch“, d. h. westwärts bis zum Ural durch die Steppenlandschaften verbreitet, 46 % haben ein weit ausgedehntes nördliches Areal, jedoch ohne spezielle Anklänge an Nordamerika, 7 % sind chinesisch- mandschurisch. Nach Norden hin sind durch das sibi- rische einförmige Waldgebiet diesen Florenkindern scharfe Grenzen gesetzt, nach Süden sperrt der tropische Hang des Himalaya; im Osten bildet die immergrüne Strauch- vegetation Chinas bald eine Grenze, aber wiederum nach Westen und besonders nach Südwesten sind die Wande- rungs- und Austauschswege seit der Tertiärperiode günstig geöffnet gewesen. Der Stellung des Himalaya ist hier besonders zu gedenken: seine geographische Lage macht seine Kamm- linie zu einer natürlichen Florenscheide, aber zugleich ist seine Ausdehnung von West nach Ost so gross, dass auch hierin eine Florengliederung sich ausgebildet hat;

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/439>, abgerufen am 22.11.2024.