Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.Zunächst ist zu bemerken, daß die Stellung, die dem Ferner: es kann immer nur als Möglichkeit hingestellt Zunächſt iſt zu bemerken, daß die Stellung, die dem Ferner: es kann immer nur als Möglichkeit hingeſtellt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0067" n="58"/> <p>Zunächſt iſt zu bemerken, daß die Stellung, die dem<lb/> Menſchen von Zarathuſtra eingeräumt wird, eben keine er-<lb/> freuliche iſt. Soll der Menſch auch in eine höhere Ordnung<lb/> übergehen, ſo iſt es ein häßlicher und unwürdiger Gedanke,<lb/> ihn zu dieſer in einem Verhältniß ſtehend zu denken, gleich dem-<lb/> jenigen des Affen zum Menſchen. Welche Zumuthung, daß<lb/> der Menſch darnach ſtreben ſoll, einen höheren Typus her-<lb/> vorzubringen, dem er nur ein „Gelächter und eine ſchmerzliche<lb/> Scham“ ſein wird! Und was ſoll man zu dem Ausſpruche<lb/> ſagen, daß der Menſch allein bis jetzt nichts über ſich hinaus-<lb/> geſchaffen hat, während alle anderen Lebeweſen es thaten?<lb/> Man muß bedauern, bei einem Schriftſteller wie Nietzſche<lb/> einen ſo ſchiefen Gedanken zu finden.</p><lb/> <p>Ferner: es kann immer nur als Möglichkeit hingeſtellt<lb/> werden, daß der Menſch einſt in eine höhere Ordnung über-<lb/> gehen werde, keineswegs aber als Gewißheit. Es iſt eine<lb/> außerordentliche Vollkommenheit des Menſchen denkbar, ohne<lb/> daß die Jdealweſen der Zukunft den menſchlichen Typus be-<lb/> reits überſchritten hätten. Jene Eigenſchaften, welche Nietzſche<lb/> als für den Uebermenſchen charakteriſtiſch hervorhebt, ſind<lb/> thatſächlich in menſchlichen Genies verkörpert geweſen, da der<lb/> Uebermenſch aber offenbar auch das Genie überragen muß,<lb/> ſo giebt uns Nietzſche im Grunde keine Anhaltspunkte dafür,<lb/> wie wir uns denſelben vorzuſtellen haben. Jſt der Ueber-<lb/> menſch aber keine Gewißheit, ſo läßt er ſich ſchon aus dieſem<lb/> Grunde nicht als Ziel des menſchlichen Strebens hinſtellen. Es<lb/> ließe ſich dies jedoch felbſt dann nicht, geſetzt jener Uebergang<lb/> wäre ſicher verbürgt, weil wir die Bedingungen des Ent-<lb/> ſtehens eines neuen Typus nicht kennen, und weil das Jdeal<lb/> des <choice><sic>menfchlichen</sic><corr>menſchlichen</corr></choice> Strebens überhaupt keine beſtimmte Ver-<lb/> körperung duldet. Es wächst mit des Menſchen Wachs-<lb/> thum, je höher der Menſch, um ſo höher ſein Jdeal. Auch<lb/> der Uebermenſch wäre nur die Realiſirung einer beſtimmten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0067]
Zunächſt iſt zu bemerken, daß die Stellung, die dem
Menſchen von Zarathuſtra eingeräumt wird, eben keine er-
freuliche iſt. Soll der Menſch auch in eine höhere Ordnung
übergehen, ſo iſt es ein häßlicher und unwürdiger Gedanke,
ihn zu dieſer in einem Verhältniß ſtehend zu denken, gleich dem-
jenigen des Affen zum Menſchen. Welche Zumuthung, daß
der Menſch darnach ſtreben ſoll, einen höheren Typus her-
vorzubringen, dem er nur ein „Gelächter und eine ſchmerzliche
Scham“ ſein wird! Und was ſoll man zu dem Ausſpruche
ſagen, daß der Menſch allein bis jetzt nichts über ſich hinaus-
geſchaffen hat, während alle anderen Lebeweſen es thaten?
Man muß bedauern, bei einem Schriftſteller wie Nietzſche
einen ſo ſchiefen Gedanken zu finden.
Ferner: es kann immer nur als Möglichkeit hingeſtellt
werden, daß der Menſch einſt in eine höhere Ordnung über-
gehen werde, keineswegs aber als Gewißheit. Es iſt eine
außerordentliche Vollkommenheit des Menſchen denkbar, ohne
daß die Jdealweſen der Zukunft den menſchlichen Typus be-
reits überſchritten hätten. Jene Eigenſchaften, welche Nietzſche
als für den Uebermenſchen charakteriſtiſch hervorhebt, ſind
thatſächlich in menſchlichen Genies verkörpert geweſen, da der
Uebermenſch aber offenbar auch das Genie überragen muß,
ſo giebt uns Nietzſche im Grunde keine Anhaltspunkte dafür,
wie wir uns denſelben vorzuſtellen haben. Jſt der Ueber-
menſch aber keine Gewißheit, ſo läßt er ſich ſchon aus dieſem
Grunde nicht als Ziel des menſchlichen Strebens hinſtellen. Es
ließe ſich dies jedoch felbſt dann nicht, geſetzt jener Uebergang
wäre ſicher verbürgt, weil wir die Bedingungen des Ent-
ſtehens eines neuen Typus nicht kennen, und weil das Jdeal
des menſchlichen Strebens überhaupt keine beſtimmte Ver-
körperung duldet. Es wächst mit des Menſchen Wachs-
thum, je höher der Menſch, um ſo höher ſein Jdeal. Auch
der Uebermenſch wäre nur die Realiſirung einer beſtimmten
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