Druskowitz, Helene von: Moderne Versuche eines Religionsersatzes. Heidelberg, 1886.Gedanke dessen, was sein sollte. Sie ist nicht eine Schil- *) p. 6. **) p. 8.
Gedanke deſſen, was ſein ſollte. Sie iſt nicht eine Schil- *) p. 6. **) p. 8.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0091" n="82"/> Gedanke deſſen, was ſein ſollte. Sie iſt nicht eine Schil-<lb/> derung des Menſchen, wie er iſt, auch iſt ſie nicht eine Ab-<lb/> ſchrift oder ein ſummariſcher Auszug aus den Thatſachen<lb/> der Geſellfchaft. Sie verkündigt das Geſetz, nach welchem<lb/> der Menſch handeln und die Geſellſchaft geordnet wer-<lb/> den ſollte.“ Und ſpäter: „Die Moral iſt ihrem Weſen<lb/> nach ideal. Sie iſt nicht das, was die Menſchen thun, ſon-<lb/> dern was ſie thun ſollten; noch iſt ſie das, was dieſe<lb/> wünſchen, ſondern was ſie wünſchen ſollten.“ Es liegt in<lb/> diefen Sätzen, ſo wie ſie ſind, jedoch eine allzu peſſimiſtiſche<lb/> Characteriſirung des jetzigen Zuſtandes der Geſellſchaft, und<lb/> bedürfen dieſelben beſchränkender Zuſätze. Salter hätte doch<lb/> nur das Recht gehabt zu ſagen, daß die <hi rendition="#g">Mehrzahl</hi> der<lb/> Menſchen die Moral weder übte noch wünſchte, während<lb/> ſich doch nicht leugnen läßt, daß ſie von Vielen ſowohl ge-<lb/> wünſcht wie geübt wird. Wenn Salter das bisherige Maß<lb/> der Moral unterſchätzt, ſo hält er den Menſchen doch der<lb/> höchſten moraliſchen Vervollkommnung für fähig. So leſen<lb/> wir: „Willſt du je das <hi rendition="#g">Vollkommene</hi> ſehen, ſo mußt du<lb/> es <hi rendition="#g">ſchaffen;</hi> bis dahin ſchweifſt du über die Erde und durch<lb/> die Himmel vergeblich; nur die Jdee der Vollkommenheit iſt<lb/> in uns, das Vollkommene <hi rendition="#g">wird ſein.</hi>“<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 6.</note> „Nichts iſt dem<lb/> Geiſte verſchloſſen. Die göttlichſten vollkommenſten Dinge<lb/> ſind nur Gedanken von dem, was ſein kann.“ „Wir <hi rendition="#g">ſollen<lb/> göttlich</hi> werden, wir <hi rendition="#g">ſollen</hi> dieſe Welt zu einem <hi rendition="#g">Schau-<lb/> platze der Gerechtigkeit</hi> machen“<note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 8.</note>, wobei vorausge-<lb/> ſetzt wird, daß wir Solches auch <hi rendition="#g">können.</hi> Vielleicht<lb/> ſind dieſe Sätze allzu vertrauensvoll. Es iſt uns abſolut ver-<lb/> ſagt dem Menſchen ein feſtes Ziel zu ſetzen und uns ein be-<lb/> ſtimmtes Bild von ſeiner Vervollkommnungsfähigkeit zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0091]
Gedanke deſſen, was ſein ſollte. Sie iſt nicht eine Schil-
derung des Menſchen, wie er iſt, auch iſt ſie nicht eine Ab-
ſchrift oder ein ſummariſcher Auszug aus den Thatſachen
der Geſellfchaft. Sie verkündigt das Geſetz, nach welchem
der Menſch handeln und die Geſellſchaft geordnet wer-
den ſollte.“ Und ſpäter: „Die Moral iſt ihrem Weſen
nach ideal. Sie iſt nicht das, was die Menſchen thun, ſon-
dern was ſie thun ſollten; noch iſt ſie das, was dieſe
wünſchen, ſondern was ſie wünſchen ſollten.“ Es liegt in
diefen Sätzen, ſo wie ſie ſind, jedoch eine allzu peſſimiſtiſche
Characteriſirung des jetzigen Zuſtandes der Geſellſchaft, und
bedürfen dieſelben beſchränkender Zuſätze. Salter hätte doch
nur das Recht gehabt zu ſagen, daß die Mehrzahl der
Menſchen die Moral weder übte noch wünſchte, während
ſich doch nicht leugnen läßt, daß ſie von Vielen ſowohl ge-
wünſcht wie geübt wird. Wenn Salter das bisherige Maß
der Moral unterſchätzt, ſo hält er den Menſchen doch der
höchſten moraliſchen Vervollkommnung für fähig. So leſen
wir: „Willſt du je das Vollkommene ſehen, ſo mußt du
es ſchaffen; bis dahin ſchweifſt du über die Erde und durch
die Himmel vergeblich; nur die Jdee der Vollkommenheit iſt
in uns, das Vollkommene wird ſein.“ *) „Nichts iſt dem
Geiſte verſchloſſen. Die göttlichſten vollkommenſten Dinge
ſind nur Gedanken von dem, was ſein kann.“ „Wir ſollen
göttlich werden, wir ſollen dieſe Welt zu einem Schau-
platze der Gerechtigkeit machen“ **), wobei vorausge-
ſetzt wird, daß wir Solches auch können. Vielleicht
ſind dieſe Sätze allzu vertrauensvoll. Es iſt uns abſolut ver-
ſagt dem Menſchen ein feſtes Ziel zu ſetzen und uns ein be-
ſtimmtes Bild von ſeiner Vervollkommnungsfähigkeit zu
*) p. 6.
**) p. 8.
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