Du Bois-Reymond, Emil Heinrich: Über die Grenzen des Naturerkennens. Leipzig, 1872.flechtengrauen Polarklippen mit der üppigsten Fülle Allein es tritt nunmehr, an irgend einem Punkte flechtengrauen Polarklippen mit der üppigsten Fülle Allein es tritt nunmehr, an irgend einem Punkte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="16"/> flechtengrauen Polarklippen mit der üppigsten Fülle<lb/> von Pflanzenleben überwuchert denken, gleichviel<lb/> welchen Antheil an der Gestaltung des Pflanzen¬<lb/> reiches man organischen Bildungsgesetzen, welchen<lb/> der natürlichen Zuchtwahl einräume. Nur die zur<lb/> Befruchtung vieler Pflanzen jetzt als unentbehrlich er¬<lb/> kannte Beihülfe der Insectenwelt müssen wir aus Grün¬<lb/> den, die bald einleuchten werden, in dieser Betrach¬<lb/> tung bei Seite lassen. Im Uebrigen bietet das<lb/> reichste, von <hi rendition="#k">Bernardin de St. Pierre</hi>, <hi rendition="#k">von Hum¬<lb/> boldt</hi> oder <hi rendition="#k">Pöppig</hi> entworfene Naturgemälde eines tro¬<lb/> pischen Urwaldes dem Blicke der theoretischen Natur¬<lb/> forschung schlechterdings nichts dar, als bewegte Ma¬<lb/> terie. Es ist dies, wie mir scheint, eine neue und sehr<lb/> einfache Form, die man dem Beweis ertheilen kann,<lb/> dass es keine Lebenskraft im Sinne der Vitalisten<lb/> giebt.</p><lb/> <p>Allein es tritt nunmehr, an irgend einem Punkte<lb/> der Entwickelung des Lebens auf Erden, den wir nicht<lb/> kennen und auf den es hier nicht ankommt, etwas<lb/> Neues, bis dahin Unerhörtes auf, etwas wiederum, gleich<lb/> dem Wesen von Materie und Kraft, Unbegreifliches.<lb/> Der in negativ unendlicher Zeit angesponnene Faden<lb/> des Verständnisses zerreisst, und unser Naturerkennen<lb/> gelangt an eine Kluft, über die kein Steg, kein Fittig<lb/> trägt: wir stehen an der anderen Grenze unseres Witzes.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [16/0024]
flechtengrauen Polarklippen mit der üppigsten Fülle
von Pflanzenleben überwuchert denken, gleichviel
welchen Antheil an der Gestaltung des Pflanzen¬
reiches man organischen Bildungsgesetzen, welchen
der natürlichen Zuchtwahl einräume. Nur die zur
Befruchtung vieler Pflanzen jetzt als unentbehrlich er¬
kannte Beihülfe der Insectenwelt müssen wir aus Grün¬
den, die bald einleuchten werden, in dieser Betrach¬
tung bei Seite lassen. Im Uebrigen bietet das
reichste, von Bernardin de St. Pierre, von Hum¬
boldt oder Pöppig entworfene Naturgemälde eines tro¬
pischen Urwaldes dem Blicke der theoretischen Natur¬
forschung schlechterdings nichts dar, als bewegte Ma¬
terie. Es ist dies, wie mir scheint, eine neue und sehr
einfache Form, die man dem Beweis ertheilen kann,
dass es keine Lebenskraft im Sinne der Vitalisten
giebt.
Allein es tritt nunmehr, an irgend einem Punkte
der Entwickelung des Lebens auf Erden, den wir nicht
kennen und auf den es hier nicht ankommt, etwas
Neues, bis dahin Unerhörtes auf, etwas wiederum, gleich
dem Wesen von Materie und Kraft, Unbegreifliches.
Der in negativ unendlicher Zeit angesponnene Faden
des Verständnisses zerreisst, und unser Naturerkennen
gelangt an eine Kluft, über die kein Steg, kein Fittig
trägt: wir stehen an der anderen Grenze unseres Witzes.
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