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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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Ernste ihre Professuren quittiren, - nein, das wäre ein übles
Geschäft gewesen, wo doch die ganze unterthänigste Empörung
nur einem Stückchen vom zünftlerischen und persönlichen Pa-
tronagemonopol gegolten hatte. Ein späteres gelegentliches Nach-
spiel von blossem Wortdemonstratiönchen im preussischen Abge-
ordnetenhause auf einen weiteren und noch entschiedeneren Schritt
der Regierung hin, nämlich auf eine ansehnliche Gehaltscreirung
für den Ernannten im Etat, - das war billiger zu haben als der
eigne Abgang. Zeigt eine Regierung nur eine ernste Miene, so
wissen die Zunftprofessoren gar wohl, was sie zu thun oder vielmehr
zu lassen haben. Andernfalls aber, und wo ihnen die Regierung über-
haupt nicht querkommt, bethätigen sie ihr Privilegium ganz nach den
gelehrt vetterschaftlichen Interessen von Einzelpersonen und Ringen.

Der Professorenstand ist nämlich eine Art Kaste, die sich
vornehmlich durch Inzucht fortpflanzt. Schwiegervater und
Schwiegersohn sitzen innerhalb derselben Facultät und fungiren
innerhalb derselben Commission als Examinatoren. In die Pro-
fessuren heirathet man sich ein, wie früher in die Handwerks-
gilden. Auch ausserhalb der Universitäten weiss man ja in vielen
Kreisen bereits hinlänglich, dass die Vetterei dadrinnen eine
ganz bedeutende Rolle spielt, und dass wissenschaftliche Ver-
dienste nicht etwa blos die gleichgültigste Nebensache, sondern,
wo sie nicht mit der persönlichen Patronage zusammentreffen, ein
Hinderniss des Fortkommens und ein Grund der Fernhaltung
oder gar Aechtung sind. Aber die Art, wie dieses nepotische
System, welches da, wo es einmal über die Bluts- und Gilden-
verwandtschaft hinausreicht, auf persönlicher Affiliation beruht,
mehr und mehr corrumpirend auf den Nachwuchs einwirkt, muss
hier doch in Erinnerung gebracht werden. Ein Candidat des
Docententhums sieht sich zunächst danach um, wo er durch
Unterthänigkeit und in Aussichtstellung guter Dienste die specielle
Patronage eines Fachprofessors erwerben und sich so dessen
Stimme für die Zulassung und für künftige Beförderung ge-
winnen möge. Die Gewitztesten beginnen diese persönlichen
Manipulationen schon während der Studienjahre, zumal wenn sie
unmittelbar aus der Kaste selbst stammen oder wenigstens ihren
Künsten nähergetreten und von erfahrenen Routiniers schon
einigermaassen eingeweiht sind. Die elendeste Schmeichelei ist
das Pflaster, mit dem der Weg festgemacht wird, und die grüne
Unreife mit ihrer Urtheilslosigkeit hilft ein wenig nach, wo sich
onst vielleicht gelegentlich doch das Gewissen regen und dens

Ernste ihre Professuren quittiren, – nein, das wäre ein übles
Geschäft gewesen, wo doch die ganze unterthänigste Empörung
nur einem Stückchen vom zünftlerischen und persönlichen Pa-
tronagemonopol gegolten hatte. Ein späteres gelegentliches Nach-
spiel von blossem Wortdemonstratiönchen im preussischen Abge-
ordnetenhause auf einen weiteren und noch entschiedeneren Schritt
der Regierung hin, nämlich auf eine ansehnliche Gehaltscreirung
für den Ernannten im Etat, – das war billiger zu haben als der
eigne Abgang. Zeigt eine Regierung nur eine ernste Miene, so
wissen die Zunftprofessoren gar wohl, was sie zu thun oder vielmehr
zu lassen haben. Andernfalls aber, und wo ihnen die Regierung über-
haupt nicht querkommt, bethätigen sie ihr Privilegium ganz nach den
gelehrt vetterschaftlichen Interessen von Einzelpersonen und Ringen.

Der Professorenstand ist nämlich eine Art Kaste, die sich
vornehmlich durch Inzucht fortpflanzt. Schwiegervater und
Schwiegersohn sitzen innerhalb derselben Facultät und fungiren
innerhalb derselben Commission als Examinatoren. In die Pro-
fessuren heirathet man sich ein, wie früher in die Handwerks-
gilden. Auch ausserhalb der Universitäten weiss man ja in vielen
Kreisen bereits hinlänglich, dass die Vetterei dadrinnen eine
ganz bedeutende Rolle spielt, und dass wissenschaftliche Ver-
dienste nicht etwa blos die gleichgültigste Nebensache, sondern,
wo sie nicht mit der persönlichen Patronage zusammentreffen, ein
Hinderniss des Fortkommens und ein Grund der Fernhaltung
oder gar Aechtung sind. Aber die Art, wie dieses nepotische
System, welches da, wo es einmal über die Bluts- und Gilden-
verwandtschaft hinausreicht, auf persönlicher Affiliation beruht,
mehr und mehr corrumpirend auf den Nachwuchs einwirkt, muss
hier doch in Erinnerung gebracht werden. Ein Candidat des
Docententhums sieht sich zunächst danach um, wo er durch
Unterthänigkeit und in Aussichtstellung guter Dienste die specielle
Patronage eines Fachprofessors erwerben und sich so dessen
Stimme für die Zulassung und für künftige Beförderung ge-
winnen möge. Die Gewitztesten beginnen diese persönlichen
Manipulationen schon während der Studienjahre, zumal wenn sie
unmittelbar aus der Kaste selbst stammen oder wenigstens ihren
Künsten nähergetreten und von erfahrenen Routiniers schon
einigermaassen eingeweiht sind. Die elendeste Schmeichelei ist
das Pflaster, mit dem der Weg festgemacht wird, und die grüne
Unreife mit ihrer Urtheilslosigkeit hilft ein wenig nach, wo sich
onst vielleicht gelegentlich doch das Gewissen regen und dens

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[42/0051] Ernste ihre Professuren quittiren, – nein, das wäre ein übles Geschäft gewesen, wo doch die ganze unterthänigste Empörung nur einem Stückchen vom zünftlerischen und persönlichen Pa- tronagemonopol gegolten hatte. Ein späteres gelegentliches Nach- spiel von blossem Wortdemonstratiönchen im preussischen Abge- ordnetenhause auf einen weiteren und noch entschiedeneren Schritt der Regierung hin, nämlich auf eine ansehnliche Gehaltscreirung für den Ernannten im Etat, – das war billiger zu haben als der eigne Abgang. Zeigt eine Regierung nur eine ernste Miene, so wissen die Zunftprofessoren gar wohl, was sie zu thun oder vielmehr zu lassen haben. Andernfalls aber, und wo ihnen die Regierung über- haupt nicht querkommt, bethätigen sie ihr Privilegium ganz nach den gelehrt vetterschaftlichen Interessen von Einzelpersonen und Ringen. Der Professorenstand ist nämlich eine Art Kaste, die sich vornehmlich durch Inzucht fortpflanzt. Schwiegervater und Schwiegersohn sitzen innerhalb derselben Facultät und fungiren innerhalb derselben Commission als Examinatoren. In die Pro- fessuren heirathet man sich ein, wie früher in die Handwerks- gilden. Auch ausserhalb der Universitäten weiss man ja in vielen Kreisen bereits hinlänglich, dass die Vetterei dadrinnen eine ganz bedeutende Rolle spielt, und dass wissenschaftliche Ver- dienste nicht etwa blos die gleichgültigste Nebensache, sondern, wo sie nicht mit der persönlichen Patronage zusammentreffen, ein Hinderniss des Fortkommens und ein Grund der Fernhaltung oder gar Aechtung sind. Aber die Art, wie dieses nepotische System, welches da, wo es einmal über die Bluts- und Gilden- verwandtschaft hinausreicht, auf persönlicher Affiliation beruht, mehr und mehr corrumpirend auf den Nachwuchs einwirkt, muss hier doch in Erinnerung gebracht werden. Ein Candidat des Docententhums sieht sich zunächst danach um, wo er durch Unterthänigkeit und in Aussichtstellung guter Dienste die specielle Patronage eines Fachprofessors erwerben und sich so dessen Stimme für die Zulassung und für künftige Beförderung ge- winnen möge. Die Gewitztesten beginnen diese persönlichen Manipulationen schon während der Studienjahre, zumal wenn sie unmittelbar aus der Kaste selbst stammen oder wenigstens ihren Künsten nähergetreten und von erfahrenen Routiniers schon einigermaassen eingeweiht sind. Die elendeste Schmeichelei ist das Pflaster, mit dem der Weg festgemacht wird, und die grüne Unreife mit ihrer Urtheilslosigkeit hilft ein wenig nach, wo sich onst vielleicht gelegentlich doch das Gewissen regen und dens

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/51>, abgerufen am 28.04.2024.