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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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Ihre sehr geehrten Zeilen vom 19. Mai in der Reihenfolge zu
beantworten, wie Sie dieselben entworfen.

Sie irren, wenn Sie glauben, dass Ihrem Ausscheiden aus
dem Victoria-Lyceum irgend welche Intrigue zu Grunde liegt;
mit Intriguen operirt ein Institut wie das Lyceum nicht.

Ebensowenig zutreffend ist Ihre erwähnte Zweitheilung von
im Vorstande befindlichen Professoren und dem jüdischen Ele-
ment. Das Curatorium bildet eine Einheit, die sich die Ver-
tiefung der Frauenbildung und Erziehung zu allem Edeln,
Schönen und Guten zur Aufgabe gestellt. Die Herren Professoren,
die zur Ehre des Victoria-Lyceums Curatorialmitglieder sind, sind
Leuchten der Wissenschaft und viel zu grosssinnig, als dass sie
irgend welchen persönlichen Abneigungen in ihrem Herzen Raum
gönnen könnten. Das jüdische Element anlangend, so befremdet
es mich ungemein, dass Sie bei Ihrer vorurtheilsfreien, ja er-
leuchteten Denkweise gegen dasselbe eine gewisse Animosität
hegen. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie hier Ihre grössesten
Anhänger zählen. Die Ihnen eigne kritische Schärfe spricht ganz
besonders den semitischen Geist an; und dort haben Sie Ihre
begeistertsten Zuhörerinnen.

Dass Sie aus loyaler Rücksicht auf das Lyceum eine Mit-
wirkung an einer vom Letteverein im grösseren Stil zu errich-
tenden Frauenbildungsanstalt abgelehnt, verdient meine volle An-
erkennung; indess Victoria-Lyceum und Letteverein bilden durch-
aus keine Gegensätze, ergänzen sich vielmehr.

Ferner, Sie stellen zwei bestimmte Fragen und verlangen von
mir deren präcise Beantwortung. Eine gar schwere Aufgabe! Sie
halten mich doch nicht etwa für ein Kind, das aus der Schule
plaudert? Darf über die in einer Conferenz geführten Beschlüsse
gesprochen werden? Eines sei Ihnen gesagt, es müsste eine ge-
waltige Anarchie in der Verwaltung des Lyceums herrschen,
wenn hinter dem Rücken des Curatoriums*) über Person und
Lehre Beschlüsse, die dasselbe zu vertreten hat, gefasst werden
dürften.

*) Nach dem Prospect von damals waren Mitglieder des Curatoriums
der Geheime Rath Bonitz, die Professoren Gneist, Virchow, du Bois-Reymond,
Lazarus, Frau Professor Heimholtz, Frau Fanny Reichenheim u. s. w. - Im
Prospect von 1884-85 figuriren z. B. die Herren Virchow und Dubois nicht;
die professorale Missleitung ist aber auch ohne sie genugsam vertreten und
überdies die Zahl der Personen jüdischer Race noch vermehrt.

Ihre sehr geehrten Zeilen vom 19. Mai in der Reihenfolge zu
beantworten, wie Sie dieselben entworfen.

Sie irren, wenn Sie glauben, dass Ihrem Ausscheiden aus
dem Victoria-Lyceum irgend welche Intrigue zu Grunde liegt;
mit Intriguen operirt ein Institut wie das Lyceum nicht.

Ebensowenig zutreffend ist Ihre erwähnte Zweitheilung von
im Vorstande befindlichen Professoren und dem jüdischen Ele-
ment. Das Curatorium bildet eine Einheit, die sich die Ver-
tiefung der Frauenbildung und Erziehung zu allem Edeln,
Schönen und Guten zur Aufgabe gestellt. Die Herren Professoren,
die zur Ehre des Victoria-Lyceums Curatorialmitglieder sind, sind
Leuchten der Wissenschaft und viel zu grosssinnig, als dass sie
irgend welchen persönlichen Abneigungen in ihrem Herzen Raum
gönnen könnten. Das jüdische Element anlangend, so befremdet
es mich ungemein, dass Sie bei Ihrer vorurtheilsfreien, ja er-
leuchteten Denkweise gegen dasselbe eine gewisse Animosität
hegen. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie hier Ihre grössesten
Anhänger zählen. Die Ihnen eigne kritische Schärfe spricht ganz
besonders den semitischen Geist an; und dort haben Sie Ihre
begeistertsten Zuhörerinnen.

Dass Sie aus loyaler Rücksicht auf das Lyceum eine Mit-
wirkung an einer vom Letteverein im grösseren Stil zu errich-
tenden Frauenbildungsanstalt abgelehnt, verdient meine volle An-
erkennung; indess Victoria-Lyceum und Letteverein bilden durch-
aus keine Gegensätze, ergänzen sich vielmehr.

Ferner, Sie stellen zwei bestimmte Fragen und verlangen von
mir deren präcise Beantwortung. Eine gar schwere Aufgabe! Sie
halten mich doch nicht etwa für ein Kind, das aus der Schule
plaudert? Darf über die in einer Conferenz geführten Beschlüsse
gesprochen werden? Eines sei Ihnen gesagt, es müsste eine ge-
waltige Anarchie in der Verwaltung des Lyceums herrschen,
wenn hinter dem Rücken des Curatoriums*) über Person und
Lehre Beschlüsse, die dasselbe zu vertreten hat, gefasst werden
dürften.

*) Nach dem Prospect von damals waren Mitglieder des Curatoriums
der Geheime Rath Bonitz, die Professoren Gneist, Virchow, du Bois-Reymond,
Lazarus, Frau Professor Heimholtz, Frau Fanny Reichenheim u. s. w. – Im
Prospect von 1884-85 figuriren z. B. die Herren Virchow und Dubois nicht;
die professorale Missleitung ist aber auch ohne sie genugsam vertreten und
überdies die Zahl der Personen jüdischer Race noch vermehrt.
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[75/0084] Ihre sehr geehrten Zeilen vom 19. Mai in der Reihenfolge zu beantworten, wie Sie dieselben entworfen. Sie irren, wenn Sie glauben, dass Ihrem Ausscheiden aus dem Victoria-Lyceum irgend welche Intrigue zu Grunde liegt; mit Intriguen operirt ein Institut wie das Lyceum nicht. Ebensowenig zutreffend ist Ihre erwähnte Zweitheilung von im Vorstande befindlichen Professoren und dem jüdischen Ele- ment. Das Curatorium bildet eine Einheit, die sich die Ver- tiefung der Frauenbildung und Erziehung zu allem Edeln, Schönen und Guten zur Aufgabe gestellt. Die Herren Professoren, die zur Ehre des Victoria-Lyceums Curatorialmitglieder sind, sind Leuchten der Wissenschaft und viel zu grosssinnig, als dass sie irgend welchen persönlichen Abneigungen in ihrem Herzen Raum gönnen könnten. Das jüdische Element anlangend, so befremdet es mich ungemein, dass Sie bei Ihrer vorurtheilsfreien, ja er- leuchteten Denkweise gegen dasselbe eine gewisse Animosität hegen. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie hier Ihre grössesten Anhänger zählen. Die Ihnen eigne kritische Schärfe spricht ganz besonders den semitischen Geist an; und dort haben Sie Ihre begeistertsten Zuhörerinnen. Dass Sie aus loyaler Rücksicht auf das Lyceum eine Mit- wirkung an einer vom Letteverein im grösseren Stil zu errich- tenden Frauenbildungsanstalt abgelehnt, verdient meine volle An- erkennung; indess Victoria-Lyceum und Letteverein bilden durch- aus keine Gegensätze, ergänzen sich vielmehr. Ferner, Sie stellen zwei bestimmte Fragen und verlangen von mir deren präcise Beantwortung. Eine gar schwere Aufgabe! Sie halten mich doch nicht etwa für ein Kind, das aus der Schule plaudert? Darf über die in einer Conferenz geführten Beschlüsse gesprochen werden? Eines sei Ihnen gesagt, es müsste eine ge- waltige Anarchie in der Verwaltung des Lyceums herrschen, wenn hinter dem Rücken des Curatoriums *) über Person und Lehre Beschlüsse, die dasselbe zu vertreten hat, gefasst werden dürften. *) Nach dem Prospect von damals waren Mitglieder des Curatoriums der Geheime Rath Bonitz, die Professoren Gneist, Virchow, du Bois-Reymond, Lazarus, Frau Professor Heimholtz, Frau Fanny Reichenheim u. s. w. – Im Prospect von 1884-85 figuriren z. B. die Herren Virchow und Dubois nicht; die professorale Missleitung ist aber auch ohne sie genugsam vertreten und überdies die Zahl der Personen jüdischer Race noch vermehrt.

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/84>, abgerufen am 28.04.2024.