Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.Physicalische und Moralische Betrachtung. Die Zunge ändert so, das unbestimmte Lallen,Daß Sylben, Wörter, draus, die uns verständlich schallen. Der Mund eröfnet sich, O! Wunder der Na- tur! Die Zunge zeiget sich in mancherlei Figur, Sie schlängelt sich daraus, wird denn die Sprach formiret, Die uns des andern Sinn gleich zu Gemüthe füh- ret. Wer dieses überlegt, der siehet klärlich ein, Es müß das kleine Glied, die Zung ein Wunder seyn; Ein göttliches Geschenk dadurch wir viele Ga- ben, Zugleich von GOttes Hand auch mit empfangen haben. Gesezt, es fehlte uns die Zung so wären wir, So stumm als wie ein Fisch, so elend als ein Thier. Was wäre unser Lalln? ein unvernehmlich Klin- gen, Was wär der Kehlen Thon? ein unverständlich Singen. Welch eine Gabe ists, wenn man verständlich spricht? Denn dadurch äusert sich das innre Seelen Licht, O! unentbehrlich Glied! du must uns auf der Er- den, Nach unsers Schöpfers Rath ein heilsam Mittel werden, Daraus in dieser Welt, so mancher Vortheil fließt, Den im Geselschafftsband ein jeder Mensch ge- genießt. Die R 4
Phyſicaliſche und Moraliſche Betrachtung. Die Zunge aͤndert ſo, das unbeſtimmte Lallen,Daß Sylben, Woͤrter, draus, die uns verſtaͤndlich ſchallen. Der Mund eroͤfnet ſich, O! Wunder der Na- tur! Die Zunge zeiget ſich in mancherlei Figur, Sie ſchlaͤngelt ſich daraus, wird denn die Sprach formiret, Die uns des andern Sinn gleich zu Gemuͤthe fuͤh- ret. Wer dieſes uͤberlegt, der ſiehet klaͤrlich ein, Es muͤß das kleine Glied, die Zung ein Wunder ſeyn; Ein goͤttliches Geſchenk dadurch wir viele Ga- ben, Zugleich von GOttes Hand auch mit empfangen haben. Geſezt, es fehlte uns die Zung ſo waͤren wir, So ſtumm als wie ein Fiſch, ſo elend als ein Thier. Was waͤre unſer Lalln? ein unvernehmlich Klin- gen, Was waͤr der Kehlen Thon? ein unverſtaͤndlich Singen. Welch eine Gabe iſts, wenn man verſtaͤndlich ſpricht? Denn dadurch aͤuſert ſich das innre Seelen Licht, O! unentbehrlich Glied! du muſt uns auf der Er- den, Nach unſers Schoͤpfers Rath ein heilſam Mittel werden, Daraus in dieſer Welt, ſo mancher Vortheil fließt, Den im Geſelſchafftsband ein jeder Menſch ge- genießt. Die R 4
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Phyſicaliſche und Moraliſche Betrachtung.
Die Zunge aͤndert ſo, das unbeſtimmte Lallen,
Daß Sylben, Woͤrter, draus, die uns verſtaͤndlich
ſchallen.
Der Mund eroͤfnet ſich, O! Wunder der Na-
tur!
Die Zunge zeiget ſich in mancherlei Figur,
Sie ſchlaͤngelt ſich daraus, wird denn die Sprach
formiret,
Die uns des andern Sinn gleich zu Gemuͤthe fuͤh-
ret.
Wer dieſes uͤberlegt, der ſiehet klaͤrlich ein,
Es muͤß das kleine Glied, die Zung ein Wunder
ſeyn;
Ein goͤttliches Geſchenk dadurch wir viele Ga-
ben,
Zugleich von GOttes Hand auch mit empfangen
haben.
Geſezt, es fehlte uns die Zung ſo waͤren wir,
So ſtumm als wie ein Fiſch, ſo elend als ein Thier.
Was waͤre unſer Lalln? ein unvernehmlich Klin-
gen,
Was waͤr der Kehlen Thon? ein unverſtaͤndlich
Singen.
Welch eine Gabe iſts, wenn man verſtaͤndlich
ſpricht?
Denn dadurch aͤuſert ſich das innre Seelen Licht,
O! unentbehrlich Glied! du muſt uns auf der Er-
den,
Nach unſers Schoͤpfers Rath ein heilſam Mittel
werden,
Daraus in dieſer Welt, ſo mancher Vortheil
fließt,
Den im Geſelſchafftsband ein jeder Menſch ge-
genießt.
Die
R 4
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