Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 4. Hildesheim, 1747.Physicalische und Moralische Betrachtung. O! Mensche! denk dem nach; was dir daraus ent-springt, Daß GOtt die Zung gemacht, und das dein Mund erklingt, Jn Wort und Thönen sagt, bei offner Lippen Schranken, Den innren Seelen Trieb, die Regung der Ge- danken. Welch eine Wollthat ists, daß du die Zunge hast? Dadurch erleichterst du des Herzens schwere Last, Wenn dein Mund einen Freund das bange Elend klaget, Das dich in dieser Welt, auf manche Weise pla- get. So wie durch Thränen wird der Schmerz heraus gepreßt, Wenn das umwölkte Herz die Wehmuth fliessen läst: So wird durch Zung und Mund in Worten aus- geschüttet, Was in dem Herzen liegt, und in dem Jnnren wü- tet. Die Sprache würzet stets den Umgang den man pflegt, Durch Unterredung wird uns manches vorgelegt, Was unsern Geist vergnügt. Was müsten wir ent- behren, Wenn wir in dieser Welt zusammen Sprachlos wä- ren? Gesellschafft, alles das, was man Vergnügen heist, Was als ein Honigseim von holden Zungen fleust, Das wär ein solches Gut, das wir entbehren mü- sten, Wenn R 5
Phyſicaliſche und Moraliſche Betrachtung. O! Menſche! denk dem nach; was dir daraus ent-ſpringt, Daß GOtt die Zung gemacht, und das dein Mund erklingt, Jn Wort und Thoͤnen ſagt, bei offner Lippen Schranken, Den innren Seelen Trieb, die Regung der Ge- danken. Welch eine Wollthat iſts, daß du die Zunge haſt? Dadurch erleichterſt du des Herzens ſchwere Laſt, Wenn dein Mund einen Freund das bange Elend klaget, Das dich in dieſer Welt, auf manche Weiſe pla- get. So wie durch Thraͤnen wird der Schmerz heraus gepreßt, Wenn das umwoͤlkte Herz die Wehmuth flieſſen laͤſt: So wird durch Zung und Mund in Worten aus- geſchuͤttet, Was in dem Herzen liegt, und in dem Jnnren wuͤ- tet. Die Sprache wuͤrzet ſtets den Umgang den man pflegt, Durch Unterredung wird uns manches vorgelegt, Was unſern Geiſt vergnuͤgt. Was muͤſten wir ent- behren, Wenn wir in dieſer Welt zuſammen Sprachlos waͤ- ren? Geſellſchafft, alles das, was man Vergnuͤgen heiſt, Was als ein Honigſeim von holden Zungen fleuſt, Das waͤr ein ſolches Gut, das wir entbehren muͤ- ſten, Wenn R 5
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Phyſicaliſche und Moraliſche Betrachtung.
O! Menſche! denk dem nach; was dir daraus ent-
ſpringt,
Daß GOtt die Zung gemacht, und das dein Mund
erklingt,
Jn Wort und Thoͤnen ſagt, bei offner Lippen
Schranken,
Den innren Seelen Trieb, die Regung der Ge-
danken.
Welch eine Wollthat iſts, daß du die Zunge haſt?
Dadurch erleichterſt du des Herzens ſchwere Laſt,
Wenn dein Mund einen Freund das bange Elend
klaget,
Das dich in dieſer Welt, auf manche Weiſe pla-
get.
So wie durch Thraͤnen wird der Schmerz heraus
gepreßt,
Wenn das umwoͤlkte Herz die Wehmuth flieſſen
laͤſt:
So wird durch Zung und Mund in Worten aus-
geſchuͤttet,
Was in dem Herzen liegt, und in dem Jnnren wuͤ-
tet.
Die Sprache wuͤrzet ſtets den Umgang den man
pflegt,
Durch Unterredung wird uns manches vorgelegt,
Was unſern Geiſt vergnuͤgt. Was muͤſten wir ent-
behren,
Wenn wir in dieſer Welt zuſammen Sprachlos waͤ-
ren?
Geſellſchafft, alles das, was man Vergnuͤgen heiſt,
Was als ein Honigſeim von holden Zungen fleuſt,
Das waͤr ein ſolches Gut, das wir entbehren muͤ-
ſten,
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