Theil wird leiden, während der andere sich wohl befin¬ det, Egoismus und Neid werden als böse Dämonen immer ihr Spiel treiben und der Kampf der Parteyen wird kein Ende haben."
"Das Vernünftigste ist immer, daß jeder sein Me¬ tier treibe, wozu er geboren ist und was er gelernt hat, und daß er den Andern nicht hindere, das Seinige zu thun. Der Schuster bleibe bey seinem Leisten, der Bauer hinter dem Pflug und der Fürst wisse zu regie¬ ren. Denn dieß ist auch ein Metier, das gelernt seyn will, und das sich niemand anmaßen soll, der es nicht versteht."
Goethe kam darauf wieder auf die französischen Zeitungen. "Die Liberalen, sagte er, mögen reden; denn wenn sie vernünftig sind, hört man ihnen gerne zu; allein den Royalisten, in deren Händen die aus¬ übende Gewalt ist, steht das Reden schlecht, sie müssen handeln. Mögen sie Truppen marschiren lassen und köpfen und hängen, das ist recht; allein in öffentlichen Blättern Meinungen bekämpfen und ihre Maßregeln rechtfertigen, das will ihnen nicht kleiden. Gäbe es ein Publicum von Königen, da möchten sie reden."
"In dem, was ich selber zu thun und zu treiben hatte, fuhr Goethe fort, habe ich mich immer als Roya¬ list behauptet. Die Anderen habe ich schwatzen lassen und ich habe gethan, was ich für gut fand. Ich über¬ sah meine Sache und wußte wohin ich wollte. Hatte
Theil wird leiden, waͤhrend der andere ſich wohl befin¬ det, Egoismus und Neid werden als boͤſe Daͤmonen immer ihr Spiel treiben und der Kampf der Parteyen wird kein Ende haben.“
„Das Vernuͤnftigſte iſt immer, daß jeder ſein Me¬ tier treibe, wozu er geboren iſt und was er gelernt hat, und daß er den Andern nicht hindere, das Seinige zu thun. Der Schuſter bleibe bey ſeinem Leiſten, der Bauer hinter dem Pflug und der Fuͤrſt wiſſe zu regie¬ ren. Denn dieß iſt auch ein Metier, das gelernt ſeyn will, und das ſich niemand anmaßen ſoll, der es nicht verſteht.“
Goethe kam darauf wieder auf die franzoͤſiſchen Zeitungen. „Die Liberalen, ſagte er, moͤgen reden; denn wenn ſie vernuͤnftig ſind, hoͤrt man ihnen gerne zu; allein den Royaliſten, in deren Haͤnden die aus¬ uͤbende Gewalt iſt, ſteht das Reden ſchlecht, ſie muͤſſen handeln. Moͤgen ſie Truppen marſchiren laſſen und koͤpfen und haͤngen, das iſt recht; allein in oͤffentlichen Blaͤttern Meinungen bekaͤmpfen und ihre Maßregeln rechtfertigen, das will ihnen nicht kleiden. Gaͤbe es ein Publicum von Koͤnigen, da moͤchten ſie reden.“
„In dem, was ich ſelber zu thun und zu treiben hatte, fuhr Goethe fort, habe ich mich immer als Roya¬ liſt behauptet. Die Anderen habe ich ſchwatzen laſſen und ich habe gethan, was ich fuͤr gut fand. Ich uͤber¬ ſah meine Sache und wußte wohin ich wollte. Hatte
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Theil wird leiden, waͤhrend der andere ſich wohl befin¬
det, Egoismus und Neid werden als boͤſe Daͤmonen
immer ihr Spiel treiben und der Kampf der Parteyen
wird kein Ende haben.“
„Das Vernuͤnftigſte iſt immer, daß jeder ſein Me¬
tier treibe, wozu er geboren iſt und was er gelernt
hat, und daß er den Andern nicht hindere, das Seinige
zu thun. Der Schuſter bleibe bey ſeinem Leiſten, der
Bauer hinter dem Pflug und der Fuͤrſt wiſſe zu regie¬
ren. Denn dieß iſt auch ein Metier, das gelernt ſeyn
will, und das ſich niemand anmaßen ſoll, der es nicht
verſteht.“
Goethe kam darauf wieder auf die franzoͤſiſchen
Zeitungen. „Die Liberalen, ſagte er, moͤgen reden;
denn wenn ſie vernuͤnftig ſind, hoͤrt man ihnen gerne
zu; allein den Royaliſten, in deren Haͤnden die aus¬
uͤbende Gewalt iſt, ſteht das Reden ſchlecht, ſie muͤſſen
handeln. Moͤgen ſie Truppen marſchiren laſſen und
koͤpfen und haͤngen, das iſt recht; allein in oͤffentlichen
Blaͤttern Meinungen bekaͤmpfen und ihre Maßregeln
rechtfertigen, das will ihnen nicht kleiden. Gaͤbe es ein
Publicum von Koͤnigen, da moͤchten ſie reden.“
„In dem, was ich ſelber zu thun und zu treiben
hatte, fuhr Goethe fort, habe ich mich immer als Roya¬
liſt behauptet. Die Anderen habe ich ſchwatzen laſſen
und ich habe gethan, was ich fuͤr gut fand. Ich uͤber¬
ſah meine Sache und wußte wohin ich wollte. Hatte
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/139>, abgerufen am 28.11.2024.
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