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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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fall zum Besten; Goethe, in der anmuthigsten Laune,
spielte immer den Gegner. "Ich kann mit Wolf nicht
anders auskommen, sagte Goethe mir später, als daß
ich immer als Mephistopheles gegen ihn agire. Auch
geht er sonst mit seinen inneren Schätzen nicht hervor."

Die geistreichen Scherze über Tisch waren zu flüchtig
und zu sehr die Frucht des Augenblicks, als daß man
sich ihrer hätte bemächtigen können. Wolf war in witzi¬
gen und schlagenden Antworten und Wendungen sehr
groß, doch kam es mir vor, als ob Goethe dennoch eine
gewisse Superiorität über ihn behauptet hätte.

Die Stunden bey Tisch entschwanden wie mit Flü¬
geln und es war sechs Uhr geworden, ehe man es sich
versah. Ich ging mit dem jungen Goethe ins Theater,
wo man die Zauberflöte gab. Später sah ich auch
Wolf in der Loge mit dem Großherzog Carl August.


Wolf blieb bis zum 25. in Weimar, wo er in das
südliche Frankreich abreiste. Der Zustand seiner Gesund¬
heit war der Art, daß Goethe die innigste Besorgniß
über ihn nicht verhehlte.


fall zum Beſten; Goethe, in der anmuthigſten Laune,
ſpielte immer den Gegner. „Ich kann mit Wolf nicht
anders auskommen, ſagte Goethe mir ſpaͤter, als daß
ich immer als Mephiſtopheles gegen ihn agire. Auch
geht er ſonſt mit ſeinen inneren Schaͤtzen nicht hervor.“

Die geiſtreichen Scherze uͤber Tiſch waren zu fluͤchtig
und zu ſehr die Frucht des Augenblicks, als daß man
ſich ihrer haͤtte bemaͤchtigen koͤnnen. Wolf war in witzi¬
gen und ſchlagenden Antworten und Wendungen ſehr
groß, doch kam es mir vor, als ob Goethe dennoch eine
gewiſſe Superioritaͤt uͤber ihn behauptet haͤtte.

Die Stunden bey Tiſch entſchwanden wie mit Fluͤ¬
geln und es war ſechs Uhr geworden, ehe man es ſich
verſah. Ich ging mit dem jungen Goethe ins Theater,
wo man die Zauberfloͤte gab. Spaͤter ſah ich auch
Wolf in der Loge mit dem Großherzog Carl Auguſt.


Wolf blieb bis zum 25. in Weimar, wo er in das
ſuͤdliche Frankreich abreiſte. Der Zuſtand ſeiner Geſund¬
heit war der Art, daß Goethe die innigſte Beſorgniß
uͤber ihn nicht verhehlte.


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[149/0169] fall zum Beſten; Goethe, in der anmuthigſten Laune, ſpielte immer den Gegner. „Ich kann mit Wolf nicht anders auskommen, ſagte Goethe mir ſpaͤter, als daß ich immer als Mephiſtopheles gegen ihn agire. Auch geht er ſonſt mit ſeinen inneren Schaͤtzen nicht hervor.“ Die geiſtreichen Scherze uͤber Tiſch waren zu fluͤchtig und zu ſehr die Frucht des Augenblicks, als daß man ſich ihrer haͤtte bemaͤchtigen koͤnnen. Wolf war in witzi¬ gen und ſchlagenden Antworten und Wendungen ſehr groß, doch kam es mir vor, als ob Goethe dennoch eine gewiſſe Superioritaͤt uͤber ihn behauptet haͤtte. Die Stunden bey Tiſch entſchwanden wie mit Fluͤ¬ geln und es war ſechs Uhr geworden, ehe man es ſich verſah. Ich ging mit dem jungen Goethe ins Theater, wo man die Zauberfloͤte gab. Spaͤter ſah ich auch Wolf in der Loge mit dem Großherzog Carl Auguſt. Wolf blieb bis zum 25. in Weimar, wo er in das ſuͤdliche Frankreich abreiſte. Der Zuſtand ſeiner Geſund¬ heit war der Art, daß Goethe die innigſte Beſorgniß uͤber ihn nicht verhehlte.

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/169>, abgerufen am 25.11.2024.