Ich ging diesen Abend um sieben Uhr zu Goethe, den ich in seinem Zimmer alleine fand. Ich setzte mich zu ihm an den Tisch, indem ich ihm die Nachricht brachte, daß ich gestern, bey seiner Durchreise nach Petersburg, den Herzog von Wellington im Gast¬ hofe gesehen.
"Nun, sagte Goethe belebt, wie war er? Erzählen Sie mir von ihm. Sieht er aus wie sein Portrait?"
Ja, sagte ich, aber besser! besonderer! Wenn man einen Blick in sein Gesicht gethan hat, so sind alle seine Portraits vernichtet. Und man braucht ihn nur ein einziges Mal anzusehen, um ihn nie wieder zu ver¬ gessen, ein solcher Eindruck geht von ihm aus. Sein Auge ist braun und vom heitersten Glanze, man fühlt die Wirkung seines Blickes. Sein Mund ist sprechend, auch wenn er geschlossen ist. Er sieht aus wie einer, der Vieles gedacht und das Größte gelebt hat, und der nun die Welt mit großer Heiterkeit und Ruhe behandelt und den nichts mehr anficht. Hart und zäh erschien er mir wie eine damascener Klinge.
Er ist, seinem Aussehen nach, hoch in den Funf¬ zigen, von grader Haltung, schlank, nicht sehr groß und eher etwas mager als stark. Ich sah ihn, wie er in den Wagen steigen und wieder abfahren wollte.
Donnerſtag den 16. Februar 1826.
Ich ging dieſen Abend um ſieben Uhr zu Goethe, den ich in ſeinem Zimmer alleine fand. Ich ſetzte mich zu ihm an den Tiſch, indem ich ihm die Nachricht brachte, daß ich geſtern, bey ſeiner Durchreiſe nach Petersburg, den Herzog von Wellington im Gaſt¬ hofe geſehen.
„Nun, ſagte Goethe belebt, wie war er? Erzaͤhlen Sie mir von ihm. Sieht er aus wie ſein Portrait?“
Ja, ſagte ich, aber beſſer! beſonderer! Wenn man einen Blick in ſein Geſicht gethan hat, ſo ſind alle ſeine Portraits vernichtet. Und man braucht ihn nur ein einziges Mal anzuſehen, um ihn nie wieder zu ver¬ geſſen, ein ſolcher Eindruck geht von ihm aus. Sein Auge iſt braun und vom heiterſten Glanze, man fuͤhlt die Wirkung ſeines Blickes. Sein Mund iſt ſprechend, auch wenn er geſchloſſen iſt. Er ſieht aus wie einer, der Vieles gedacht und das Groͤßte gelebt hat, und der nun die Welt mit großer Heiterkeit und Ruhe behandelt und den nichts mehr anficht. Hart und zaͤh erſchien er mir wie eine damascener Klinge.
Er iſt, ſeinem Ausſehen nach, hoch in den Funf¬ zigen, von grader Haltung, ſchlank, nicht ſehr groß und eher etwas mager als ſtark. Ich ſah ihn, wie er in den Wagen ſteigen und wieder abfahren wollte.
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Donnerſtag den 16. Februar 1826.
Ich ging dieſen Abend um ſieben Uhr zu Goethe,
den ich in ſeinem Zimmer alleine fand. Ich ſetzte mich
zu ihm an den Tiſch, indem ich ihm die Nachricht
brachte, daß ich geſtern, bey ſeiner Durchreiſe nach
Petersburg, den Herzog von Wellington im Gaſt¬
hofe geſehen.
„Nun, ſagte Goethe belebt, wie war er? Erzaͤhlen
Sie mir von ihm. Sieht er aus wie ſein Portrait?“
Ja, ſagte ich, aber beſſer! beſonderer! Wenn man
einen Blick in ſein Geſicht gethan hat, ſo ſind alle
ſeine Portraits vernichtet. Und man braucht ihn nur
ein einziges Mal anzuſehen, um ihn nie wieder zu ver¬
geſſen, ein ſolcher Eindruck geht von ihm aus. Sein
Auge iſt braun und vom heiterſten Glanze, man fuͤhlt
die Wirkung ſeines Blickes. Sein Mund iſt ſprechend,
auch wenn er geſchloſſen iſt. Er ſieht aus wie einer,
der Vieles gedacht und das Groͤßte gelebt hat, und der
nun die Welt mit großer Heiterkeit und Ruhe behandelt
und den nichts mehr anficht. Hart und zaͤh erſchien
er mir wie eine damascener Klinge.
Er iſt, ſeinem Ausſehen nach, hoch in den Funf¬
zigen, von grader Haltung, ſchlank, nicht ſehr groß
und eher etwas mager als ſtark. Ich ſah ihn, wie er
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/264>, abgerufen am 24.11.2024.
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