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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

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sagte Goethe, daß ist eben das Große bey der Natur,
daß sie so einfach ist, und daß sie ihre größten Erschei¬
nungen immer im Kleinen wiederholt. Dasselbe Gesetz,
wodurch der Himmel blau ist, sieht man ebenfalls an
dem untern Theil einer brennenden Kerze, am bren¬
nenden Spiritus, so wie an dem erleuchteten Rauch, der
von einem Dorfe aufsteigt, hinter welchem ein dunkles
Gebirge liegt."

Aber wie erklären die Schüler von Newton dieses
höchst einfache Phänomen? fragte ich.

"Das müssen Sie gar nicht wissen, antwortete
Goethe. Es ist gar zu dumm, und man glaubt nicht,
welchen Schaden es einem guten Kopfe thut, wenn er
sich mit etwas Dummen befaßt. Bekümmern Sie sich
gar nicht um die Newtonianer, lassen Sie sich die reine
Lehre genügen, und Sie werden sich gut dabey stehen."

Die Beschäftigung mit dem Verkehrten, sagte ich,
ist vielleicht in diesem Fall eben so unangenehm und
schädlich, als wenn man ein schlechtes Trauerspiel in
sich aufnehmen sollte, um es nach allen seinen Theilen
zu beleuchten und in seiner Blöße darzustellen.

"Es ist ganz dasselbe, sagte Goethe, und man soll
sich ohne Noth nicht damit befassen. Ich ehre die Ma¬
thematik als die erhabenste und nützlichste Wissenschaft,
so lange man sie da anwendet, wo sie am Platze ist;
allein ich kann nicht loben, daß man sie bey Dingen
mißbrauchen will, die gar nicht in ihrem Bereich liegen,

ſagte Goethe, daß iſt eben das Große bey der Natur,
daß ſie ſo einfach iſt, und daß ſie ihre groͤßten Erſchei¬
nungen immer im Kleinen wiederholt. Daſſelbe Geſetz,
wodurch der Himmel blau iſt, ſieht man ebenfalls an
dem untern Theil einer brennenden Kerze, am bren¬
nenden Spiritus, ſo wie an dem erleuchteten Rauch, der
von einem Dorfe aufſteigt, hinter welchem ein dunkles
Gebirge liegt.“

Aber wie erklaͤren die Schuͤler von Newton dieſes
hoͤchſt einfache Phaͤnomen? fragte ich.

„Das muͤſſen Sie gar nicht wiſſen, antwortete
Goethe. Es iſt gar zu dumm, und man glaubt nicht,
welchen Schaden es einem guten Kopfe thut, wenn er
ſich mit etwas Dummen befaßt. Bekuͤmmern Sie ſich
gar nicht um die Newtonianer, laſſen Sie ſich die reine
Lehre genuͤgen, und Sie werden ſich gut dabey ſtehen.“

Die Beſchaͤftigung mit dem Verkehrten, ſagte ich,
iſt vielleicht in dieſem Fall eben ſo unangenehm und
ſchaͤdlich, als wenn man ein ſchlechtes Trauerſpiel in
ſich aufnehmen ſollte, um es nach allen ſeinen Theilen
zu beleuchten und in ſeiner Bloͤße darzuſtellen.

„Es iſt ganz daſſelbe, ſagte Goethe, und man ſoll
ſich ohne Noth nicht damit befaſſen. Ich ehre die Ma¬
thematik als die erhabenſte und nuͤtzlichſte Wiſſenſchaft,
ſo lange man ſie da anwendet, wo ſie am Platze iſt;
allein ich kann nicht loben, daß man ſie bey Dingen
mißbrauchen will, die gar nicht in ihrem Bereich liegen,

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[266/0286] ſagte Goethe, daß iſt eben das Große bey der Natur, daß ſie ſo einfach iſt, und daß ſie ihre groͤßten Erſchei¬ nungen immer im Kleinen wiederholt. Daſſelbe Geſetz, wodurch der Himmel blau iſt, ſieht man ebenfalls an dem untern Theil einer brennenden Kerze, am bren¬ nenden Spiritus, ſo wie an dem erleuchteten Rauch, der von einem Dorfe aufſteigt, hinter welchem ein dunkles Gebirge liegt.“ Aber wie erklaͤren die Schuͤler von Newton dieſes hoͤchſt einfache Phaͤnomen? fragte ich. „Das muͤſſen Sie gar nicht wiſſen, antwortete Goethe. Es iſt gar zu dumm, und man glaubt nicht, welchen Schaden es einem guten Kopfe thut, wenn er ſich mit etwas Dummen befaßt. Bekuͤmmern Sie ſich gar nicht um die Newtonianer, laſſen Sie ſich die reine Lehre genuͤgen, und Sie werden ſich gut dabey ſtehen.“ Die Beſchaͤftigung mit dem Verkehrten, ſagte ich, iſt vielleicht in dieſem Fall eben ſo unangenehm und ſchaͤdlich, als wenn man ein ſchlechtes Trauerſpiel in ſich aufnehmen ſollte, um es nach allen ſeinen Theilen zu beleuchten und in ſeiner Bloͤße darzuſtellen. „Es iſt ganz daſſelbe, ſagte Goethe, und man ſoll ſich ohne Noth nicht damit befaſſen. Ich ehre die Ma¬ thematik als die erhabenſte und nuͤtzlichſte Wiſſenſchaft, ſo lange man ſie da anwendet, wo ſie am Platze iſt; allein ich kann nicht loben, daß man ſie bey Dingen mißbrauchen will, die gar nicht in ihrem Bereich liegen,

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/286>, abgerufen am 24.11.2024.