"Das einzige Mittel, um jetzt ein deutsches Thea¬ ter oben zu halten, sind Gastrollen. Hätte ich jetzt noch die Leitung, so sollte der ganze Winter mit treff¬ lichen Gastspielern besetzt seyn. Dadurch würden nicht allein alle gute Stücke immer wieder zum Vorschein kommen, sondern das Interesse würde auch mehr von den Stücken ab auf das Spiel gelenkt; man könnte vergleich und urtheilen, das Publicum gewönne an Einsichten, und unsere eigenen Schauspieler würden durch das bedeutende Spiel eines ausgezeichneten Ga¬ stes immer in Anregung und Nacheiferung erhalten. Wie gesagt: Gastrollen und immer Gastrollen, und ihr solltet über den Nutzen erstaunen, der daraus für Thea¬ ter und Publicum hervorgehen würde."
"Ich sehe die Zeit kommen, wo ein gescheidter, der Sache gewachsener Kopf vier Theater zugleich über¬ nehmen und sie hin und her mit Gastrollen versehen wird, und ich bin gewiß, daß er sich besser bey diesen vieren stehen wird, als wenn er nur ein einziges hätte."
Mittwoch den 27. December 1826.
Dem Phänomen des blauen und gelben Schattens hatte ich nun zu Hause fleißig nachgedacht, und wie¬ wohl es mir lange ein Räthsel blieb, so ging mir doch bey fortgesetztem Beobachten ein Licht auf und ich ward
„Das einzige Mittel, um jetzt ein deutſches Thea¬ ter oben zu halten, ſind Gaſtrollen. Haͤtte ich jetzt noch die Leitung, ſo ſollte der ganze Winter mit treff¬ lichen Gaſtſpielern beſetzt ſeyn. Dadurch wuͤrden nicht allein alle gute Stuͤcke immer wieder zum Vorſchein kommen, ſondern das Intereſſe wuͤrde auch mehr von den Stuͤcken ab auf das Spiel gelenkt; man koͤnnte vergleich und urtheilen, das Publicum gewoͤnne an Einſichten, und unſere eigenen Schauſpieler wuͤrden durch das bedeutende Spiel eines ausgezeichneten Ga¬ ſtes immer in Anregung und Nacheiferung erhalten. Wie geſagt: Gaſtrollen und immer Gaſtrollen, und ihr ſolltet uͤber den Nutzen erſtaunen, der daraus fuͤr Thea¬ ter und Publicum hervorgehen wuͤrde.“
„Ich ſehe die Zeit kommen, wo ein geſcheidter, der Sache gewachſener Kopf vier Theater zugleich uͤber¬ nehmen und ſie hin und her mit Gaſtrollen verſehen wird, und ich bin gewiß, daß er ſich beſſer bey dieſen vieren ſtehen wird, als wenn er nur ein einziges haͤtte.“
Mittwoch den 27. December 1826.
Dem Phaͤnomen des blauen und gelben Schattens hatte ich nun zu Hauſe fleißig nachgedacht, und wie¬ wohl es mir lange ein Raͤthſel blieb, ſo ging mir doch bey fortgeſetztem Beobachten ein Licht auf und ich ward
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„Das einzige Mittel, um jetzt ein deutſches Thea¬
ter oben zu halten, ſind Gaſtrollen. Haͤtte ich jetzt
noch die Leitung, ſo ſollte der ganze Winter mit treff¬
lichen Gaſtſpielern beſetzt ſeyn. Dadurch wuͤrden nicht
allein alle gute Stuͤcke immer wieder zum Vorſchein
kommen, ſondern das Intereſſe wuͤrde auch mehr von
den Stuͤcken ab auf das Spiel gelenkt; man koͤnnte
vergleich und urtheilen, das Publicum gewoͤnne an
Einſichten, und unſere eigenen Schauſpieler wuͤrden
durch das bedeutende Spiel eines ausgezeichneten Ga¬
ſtes immer in Anregung und Nacheiferung erhalten.
Wie geſagt: Gaſtrollen und immer Gaſtrollen, und ihr
ſolltet uͤber den Nutzen erſtaunen, der daraus fuͤr Thea¬
ter und Publicum hervorgehen wuͤrde.“
„Ich ſehe die Zeit kommen, wo ein geſcheidter, der
Sache gewachſener Kopf vier Theater zugleich uͤber¬
nehmen und ſie hin und her mit Gaſtrollen verſehen
wird, und ich bin gewiß, daß er ſich beſſer bey dieſen
vieren ſtehen wird, als wenn er nur ein einziges haͤtte.“
Mittwoch den 27. December 1826.
Dem Phaͤnomen des blauen und gelben Schattens
hatte ich nun zu Hauſe fleißig nachgedacht, und wie¬
wohl es mir lange ein Raͤthſel blieb, ſo ging mir doch
bey fortgeſetztem Beobachten ein Licht auf und ich ward
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/289>, abgerufen am 24.11.2024.
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