hin es wollte, er war überall zu Hause und sprach über Alles gründlich und umsichtig mit großer Leichtigkeit.
"Ja, sagte Goethe, er ist ein höchst bedeutender Mann und sein Wirkungskreis und seine Verbindungen in Deutschland sind groß. Als Botaniker ist er durch seine Flora subterranea in ganz Europa bekannt; so auch ist er als Mineraloge von großer Bedeutung. Kennen Sie seine Geschichte?" Nein, sagte ich, aber ich möchte gerne etwas über ihn erfahren. Ich sah ihn als Grafen und Weltmann, zugleich als vielseitigen tiefen Gelehrten, dieses ist mir ein Problem, das ich ger¬ ne möchte gelöset sehen. Goethe erzählte mir darauf, wie der Graf, als Jüngling zum geistlichen Stande bestimmt, in Rom seine Studien begonnen; darauf aber, nachdem Östreich gewisse Vergünstigungen zurückgenommen, nach Neapel gegangen sey. Und so erzählte Goethe weiter, gründlich, interessant und bedeutend, ein merkwürdiges Leben, der Art, daß es die Wanderjahre zieren würde, das ich aber hier zu wiederholen mich nicht geschickt fühle. Ich war höchst glücklich ihm zuzuhören und dankte ihm mit meiner ganzen Seele. Das Gespräch lenkte sich nun auf die böhmischen Schulen und ihre großen Vorzüge, besonders in Bezug auf eine gründ¬ liche ästhetische Bildung.
Herr und Frau v. Goethe und Fräulein Ulrike von P. waren indessen auch hereingekommen und wir setzten uns zu Tisch. Die Gespräche wechselten heiter und
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hin es wollte, er war uͤberall zu Hauſe und ſprach uͤber Alles gruͤndlich und umſichtig mit großer Leichtigkeit.
„Ja, ſagte Goethe, er iſt ein hoͤchſt bedeutender Mann und ſein Wirkungskreis und ſeine Verbindungen in Deutſchland ſind groß. Als Botaniker iſt er durch ſeine Flora subterranea in ganz Europa bekannt; ſo auch iſt er als Mineraloge von großer Bedeutung. Kennen Sie ſeine Geſchichte?“ Nein, ſagte ich, aber ich moͤchte gerne etwas uͤber ihn erfahren. Ich ſah ihn als Grafen und Weltmann, zugleich als vielſeitigen tiefen Gelehrten, dieſes iſt mir ein Problem, das ich ger¬ ne moͤchte geloͤſet ſehen. Goethe erzaͤhlte mir darauf, wie der Graf, als Juͤngling zum geiſtlichen Stande beſtimmt, in Rom ſeine Studien begonnen; darauf aber, nachdem Öſtreich gewiſſe Verguͤnſtigungen zuruͤckgenommen, nach Neapel gegangen ſey. Und ſo erzaͤhlte Goethe weiter, gruͤndlich, intereſſant und bedeutend, ein merkwuͤrdiges Leben, der Art, daß es die Wanderjahre zieren wuͤrde, das ich aber hier zu wiederholen mich nicht geſchickt fuͤhle. Ich war hoͤchſt gluͤcklich ihm zuzuhoͤren und dankte ihm mit meiner ganzen Seele. Das Geſpraͤch lenkte ſich nun auf die boͤhmiſchen Schulen und ihre großen Vorzuͤge, beſonders in Bezug auf eine gruͤnd¬ liche aͤſthetiſche Bildung.
Herr und Frau v. Goethe und Fraͤulein Ulrike von P. waren indeſſen auch hereingekommen und wir ſetzten uns zu Tiſch. Die Geſpraͤche wechſelten heiter und
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hin es wollte, er war uͤberall zu Hauſe und ſprach uͤber
Alles gruͤndlich und umſichtig mit großer Leichtigkeit.
„Ja, ſagte Goethe, er iſt ein hoͤchſt bedeutender
Mann und ſein Wirkungskreis und ſeine Verbindungen
in Deutſchland ſind groß. Als Botaniker iſt er durch
ſeine Flora subterranea in ganz Europa bekannt; ſo
auch iſt er als Mineraloge von großer Bedeutung.
Kennen Sie ſeine Geſchichte?“ Nein, ſagte ich, aber
ich moͤchte gerne etwas uͤber ihn erfahren. Ich ſah
ihn als Grafen und Weltmann, zugleich als vielſeitigen
tiefen Gelehrten, dieſes iſt mir ein Problem, das ich ger¬
ne moͤchte geloͤſet ſehen. Goethe erzaͤhlte mir darauf, wie
der Graf, als Juͤngling zum geiſtlichen Stande beſtimmt,
in Rom ſeine Studien begonnen; darauf aber, nachdem
Öſtreich gewiſſe Verguͤnſtigungen zuruͤckgenommen, nach
Neapel gegangen ſey. Und ſo erzaͤhlte Goethe weiter,
gruͤndlich, intereſſant und bedeutend, ein merkwuͤrdiges
Leben, der Art, daß es die Wanderjahre zieren wuͤrde,
das ich aber hier zu wiederholen mich nicht geſchickt
fuͤhle. Ich war hoͤchſt gluͤcklich ihm zuzuhoͤren und
dankte ihm mit meiner ganzen Seele. Das Geſpraͤch
lenkte ſich nun auf die boͤhmiſchen Schulen und ihre
großen Vorzuͤge, beſonders in Bezug auf eine gruͤnd¬
liche aͤſthetiſche Bildung.
Herr und Frau v. Goethe und Fraͤulein Ulrike von
P. waren indeſſen auch hereingekommen und wir ſetzten
uns zu Tiſch. Die Geſpraͤche wechſelten heiter und
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/375>, abgerufen am 22.11.2024.
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