Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.junger Künstler, sagte ich, sich nicht nach ihm bilden "Wer ein ähnliches Gemüth hätte, antwortete Goethe, Sonnabend, den 11. April 1829. Ich fand heute den Tisch im langen Saale gedeckt Goethe war in besonders heiterer Stimmung; er Graf Reinhard ging an Hof, wir Andern setzten junger Kuͤnſtler, ſagte ich, ſich nicht nach ihm bilden „Wer ein aͤhnliches Gemuͤth haͤtte, antwortete Goethe, Sonnabend, den 11. April 1829. Ich fand heute den Tiſch im langen Saale gedeckt Goethe war in beſonders heiterer Stimmung; er Graf Reinhard ging an Hof, wir Andern ſetzten <TEI> <text> <body> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0145" n="135"/> junger Kuͤnſtler, ſagte ich, ſich nicht nach ihm bilden<lb/> koͤnnen?</p><lb/> <p>„Wer ein aͤhnliches Gemuͤth haͤtte, antwortete Goethe,<lb/> wuͤrde ohne Frage ſich an Claude Lorrain auf das treff¬<lb/> lichſte entwickeln. Allein wen die Natur mit aͤhnlichen<lb/> Gaben der Seele im Stiche gelaſſen, wuͤrde dieſem<lb/> Meiſter hoͤchſtens nur Einzelnheiten abſehen und ſich<lb/> deren nur als Phraſe bedienen.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="4"> <dateline rendition="#right">Sonnabend, den 11. April 1829.<lb/></dateline> <p>Ich fand heute den Tiſch im langen Saale gedeckt<lb/> und zwar fuͤr mehrere Perſonen. Goethe und Frau<lb/> v. <hi rendition="#g">Goethe</hi> empfingen mich ſehr freundlich. Es traten<lb/> nach und nach herein: Madame <hi rendition="#g">Schopenhauer</hi>, der<lb/> junge Graf <hi rendition="#g">Reinhard</hi> von der franzoͤſiſchen Geſandt¬<lb/> ſchaft, deſſen Schwager Herr v. D., aus einer Durch¬<lb/> reiſe begriffen, um gegen die Tuͤrken in ruſſiſche Dienſte<lb/> zu gehen; Fraͤulein <hi rendition="#g">Ulrike</hi>, und zuletzt Hofrath <hi rendition="#g">Vogel</hi>.</p><lb/> <p>Goethe war in beſonders heiterer Stimmung; er<lb/> unterhielt die Anweſenden, ehe man ſich zu Tiſch ſetzte,<lb/> mit einigen guten Frankfurter Spaͤßen, beſonders zwi¬<lb/> ſchen <hi rendition="#g">Rothſchild</hi> und <hi rendition="#g">Bethmann</hi>, wie der Eine<lb/> dem Andern die Speculationen verdorben.</p><lb/> <p>Graf Reinhard ging an Hof, wir Andern ſetzten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0145]
junger Kuͤnſtler, ſagte ich, ſich nicht nach ihm bilden
koͤnnen?
„Wer ein aͤhnliches Gemuͤth haͤtte, antwortete Goethe,
wuͤrde ohne Frage ſich an Claude Lorrain auf das treff¬
lichſte entwickeln. Allein wen die Natur mit aͤhnlichen
Gaben der Seele im Stiche gelaſſen, wuͤrde dieſem
Meiſter hoͤchſtens nur Einzelnheiten abſehen und ſich
deren nur als Phraſe bedienen.“
Sonnabend, den 11. April 1829.
Ich fand heute den Tiſch im langen Saale gedeckt
und zwar fuͤr mehrere Perſonen. Goethe und Frau
v. Goethe empfingen mich ſehr freundlich. Es traten
nach und nach herein: Madame Schopenhauer, der
junge Graf Reinhard von der franzoͤſiſchen Geſandt¬
ſchaft, deſſen Schwager Herr v. D., aus einer Durch¬
reiſe begriffen, um gegen die Tuͤrken in ruſſiſche Dienſte
zu gehen; Fraͤulein Ulrike, und zuletzt Hofrath Vogel.
Goethe war in beſonders heiterer Stimmung; er
unterhielt die Anweſenden, ehe man ſich zu Tiſch ſetzte,
mit einigen guten Frankfurter Spaͤßen, beſonders zwi¬
ſchen Rothſchild und Bethmann, wie der Eine
dem Andern die Speculationen verdorben.
Graf Reinhard ging an Hof, wir Andern ſetzten
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