Componisten schuld seyn, indem sie die Orchester-Beglei¬ tung der Oper zu stark instrumentiren?
"Allerdings, erwiederte der Fremde, sind neuere Componisten in diesen Fehler gefallen; allein niemals wirklich große Meister wie Mozart und Rossini. Ja es findet sich sogar bey diesen, daß sie, in der Beglei¬ tung, eigene, von der Melodie des Gesanges unabhän¬ gige, Motive ausgeführt haben; allein demungeachtet haben sie sich immer so mäßig gehalten, daß die Stimme des Gesanges immer das Herrschende und Vorwaltende geblieben ist. Neueste Meister dagegen übertönen, bey wirklicher Armuth an Motiven in der Begleitung, durch eine gewaltsame Instrumentirung sehr oft den Gesang."
Ich gab dem verständigen jungen Fremden meinen Beyfall. Mein Tischnachbar sagte mir, es sey ein jun¬ ger liefländischer Baron, der sich lange in Paris und London aufgehalten und nun seit fünf Jahren hier sey und viel studire.
Noch etwas muß ich erwähnen, das ich in der Oper bemerkt, und welches mir Freude machte zu bemerken. Es ist nämlich dieses, daß die Italiener auf dem Thea¬ ter die Nacht nicht als wirkliche Nacht, sondern nur symbolisch behandeln. Auf deutschen Theatern war es mir immer unangenehm, daß in nächtlichen Scenen eine vollkommene Nacht eintrat, wo denn der Ausdruck der handelnden Figuren, ja oft die Personen selber, ganz verschwanden, und man eben nichts mehr sah als die
Componiſten ſchuld ſeyn, indem ſie die Orcheſter-Beglei¬ tung der Oper zu ſtark inſtrumentiren?
„Allerdings, erwiederte der Fremde, ſind neuere Componiſten in dieſen Fehler gefallen; allein niemals wirklich große Meiſter wie Mozart und Roſſini. Ja es findet ſich ſogar bey dieſen, daß ſie, in der Beglei¬ tung, eigene, von der Melodie des Geſanges unabhaͤn¬ gige, Motive ausgefuͤhrt haben; allein demungeachtet haben ſie ſich immer ſo maͤßig gehalten, daß die Stimme des Geſanges immer das Herrſchende und Vorwaltende geblieben iſt. Neueſte Meiſter dagegen uͤbertoͤnen, bey wirklicher Armuth an Motiven in der Begleitung, durch eine gewaltſame Inſtrumentirung ſehr oft den Geſang.“
Ich gab dem verſtaͤndigen jungen Fremden meinen Beyfall. Mein Tiſchnachbar ſagte mir, es ſey ein jun¬ ger lieflaͤndiſcher Baron, der ſich lange in Paris und London aufgehalten und nun ſeit fuͤnf Jahren hier ſey und viel ſtudire.
Noch etwas muß ich erwaͤhnen, das ich in der Oper bemerkt, und welches mir Freude machte zu bemerken. Es iſt naͤmlich dieſes, daß die Italiener auf dem Thea¬ ter die Nacht nicht als wirkliche Nacht, ſondern nur ſymboliſch behandeln. Auf deutſchen Theatern war es mir immer unangenehm, daß in naͤchtlichen Scenen eine vollkommene Nacht eintrat, wo denn der Ausdruck der handelnden Figuren, ja oft die Perſonen ſelber, ganz verſchwanden, und man eben nichts mehr ſah als die
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Componiſten ſchuld ſeyn, indem ſie die Orcheſter-Beglei¬
tung der Oper zu ſtark inſtrumentiren?
„Allerdings, erwiederte der Fremde, ſind neuere
Componiſten in dieſen Fehler gefallen; allein niemals
wirklich große Meiſter wie Mozart und Roſſini. Ja
es findet ſich ſogar bey dieſen, daß ſie, in der Beglei¬
tung, eigene, von der Melodie des Geſanges unabhaͤn¬
gige, Motive ausgefuͤhrt haben; allein demungeachtet
haben ſie ſich immer ſo maͤßig gehalten, daß die Stimme
des Geſanges immer das Herrſchende und Vorwaltende
geblieben iſt. Neueſte Meiſter dagegen uͤbertoͤnen, bey
wirklicher Armuth an Motiven in der Begleitung, durch
eine gewaltſame Inſtrumentirung ſehr oft den Geſang.“
Ich gab dem verſtaͤndigen jungen Fremden meinen
Beyfall. Mein Tiſchnachbar ſagte mir, es ſey ein jun¬
ger lieflaͤndiſcher Baron, der ſich lange in Paris und
London aufgehalten und nun ſeit fuͤnf Jahren hier ſey
und viel ſtudire.
Noch etwas muß ich erwaͤhnen, das ich in der Oper
bemerkt, und welches mir Freude machte zu bemerken.
Es iſt naͤmlich dieſes, daß die Italiener auf dem Thea¬
ter die Nacht nicht als wirkliche Nacht, ſondern nur
ſymboliſch behandeln. Auf deutſchen Theatern war es
mir immer unangenehm, daß in naͤchtlichen Scenen
eine vollkommene Nacht eintrat, wo denn der Ausdruck
der handelnden Figuren, ja oft die Perſonen ſelber, ganz
verſchwanden, und man eben nichts mehr ſah als die
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/225>, abgerufen am 24.11.2024.
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