Diese Aeußerung gab zu ähnlichen Anlaß, und so kam die Unterhaltung auf die verschiedenen Menschen¬ racen, wie sie als Schwarze, Braune, Gelbe und Weiße die Länder der Erde bewohnen; so daß man mit der Frage schloß, ob denn wirklich anzunehmen, daß alle Menschen von dem einzigen Paare Adam und Eva abstammen?
Herr v. Martius war für die Sage der heiligen Schrift, die er als Naturforscher durch den Satz zu be¬ stätigen suchte, daß die Natur in ihren Productionen höchst öconomisch zu Werke gehe.
"Dieser Meinung, sagte Goethe, muß ich wider¬ sprechen. Ich behaupte vielmehr, daß die Natur sich immer reichlich, ja verschwenderisch erweise, und daß es weit mehr in ihrem Sinne sey, anzunehmen, sie habe, statt eines einzigen armseligen Paares, die Menschen gleich zu Dutzenden, ja zu Hunderten hervorgehen lassen."
"Als nämlich die Erde bis zu einem gewissen Punkt der Reife gediehen war, die Wasser sich verlaufen hat¬ ten und das Trockene genugsam grünete, trat die Epoche der Menschwerdung ein, und es entstanden die Menschen durch die Allmacht Gottes überall wo der Boden es zuließ, und vielleicht auf den Höhen zuerst. Anzuneh¬ men, daß dieses geschehen, halte ich für vernünftig; allein darüber nachzusinnen, wie es geschehen, halte ich für ein unnützes Geschäft, das wir denen überlassen
Dieſe Aeußerung gab zu aͤhnlichen Anlaß, und ſo kam die Unterhaltung auf die verſchiedenen Menſchen¬ raçen, wie ſie als Schwarze, Braune, Gelbe und Weiße die Laͤnder der Erde bewohnen; ſo daß man mit der Frage ſchloß, ob denn wirklich anzunehmen, daß alle Menſchen von dem einzigen Paare Adam und Eva abſtammen?
Herr v. Martius war fuͤr die Sage der heiligen Schrift, die er als Naturforſcher durch den Satz zu be¬ ſtaͤtigen ſuchte, daß die Natur in ihren Productionen hoͤchſt oͤconomiſch zu Werke gehe.
„Dieſer Meinung, ſagte Goethe, muß ich wider¬ ſprechen. Ich behaupte vielmehr, daß die Natur ſich immer reichlich, ja verſchwenderiſch erweiſe, und daß es weit mehr in ihrem Sinne ſey, anzunehmen, ſie habe, ſtatt eines einzigen armſeligen Paares, die Menſchen gleich zu Dutzenden, ja zu Hunderten hervorgehen laſſen.“
„Als naͤmlich die Erde bis zu einem gewiſſen Punkt der Reife gediehen war, die Waſſer ſich verlaufen hat¬ ten und das Trockene genugſam gruͤnete, trat die Epoche der Menſchwerdung ein, und es entſtanden die Menſchen durch die Allmacht Gottes uͤberall wo der Boden es zuließ, und vielleicht auf den Hoͤhen zuerſt. Anzuneh¬ men, daß dieſes geſchehen, halte ich fuͤr vernuͤnftig; allein daruͤber nachzuſinnen, wie es geſchehen, halte ich fuͤr ein unnuͤtzes Geſchaͤft, das wir denen uͤberlaſſen
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Dieſe Aeußerung gab zu aͤhnlichen Anlaß, und ſo
kam die Unterhaltung auf die verſchiedenen Menſchen¬
raçen, wie ſie als Schwarze, Braune, Gelbe und
Weiße die Laͤnder der Erde bewohnen; ſo daß man mit
der Frage ſchloß, ob denn wirklich anzunehmen, daß
alle Menſchen von dem einzigen Paare Adam und Eva
abſtammen?
Herr v. Martius war fuͤr die Sage der heiligen
Schrift, die er als Naturforſcher durch den Satz zu be¬
ſtaͤtigen ſuchte, daß die Natur in ihren Productionen
hoͤchſt oͤconomiſch zu Werke gehe.
„Dieſer Meinung, ſagte Goethe, muß ich wider¬
ſprechen. Ich behaupte vielmehr, daß die Natur ſich
immer reichlich, ja verſchwenderiſch erweiſe, und daß es
weit mehr in ihrem Sinne ſey, anzunehmen, ſie habe,
ſtatt eines einzigen armſeligen Paares, die Menſchen
gleich zu Dutzenden, ja zu Hunderten hervorgehen
laſſen.“
„Als naͤmlich die Erde bis zu einem gewiſſen Punkt
der Reife gediehen war, die Waſſer ſich verlaufen hat¬
ten und das Trockene genugſam gruͤnete, trat die Epoche
der Menſchwerdung ein, und es entſtanden die Menſchen
durch die Allmacht Gottes uͤberall wo der Boden es
zuließ, und vielleicht auf den Hoͤhen zuerſt. Anzuneh¬
men, daß dieſes geſchehen, halte ich fuͤr vernuͤnftig;
allein daruͤber nachzuſinnen, wie es geſchehen, halte ich
fuͤr ein unnuͤtzes Geſchaͤft, das wir denen uͤberlaſſen
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/31>, abgerufen am 21.11.2024.
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