in die glücklichen Zustände des Gedichts störend herein¬ tritt, wie Überfall, Raub und Krieg, ist immer auf das Schnelleste abgethan, und hinterläßt kaum eine Spur. Sodann das Laster erscheint im Gefolg der Städter, und zwar auch dort nicht in den Hauptperso¬ nen, sondern in einer Nebenfigur, in einem Untergebe¬ nen. Das ist alles von der ersten Schönheit."
Und dann, sagte ich, hat mir so wohl gefallen, wie das Verhältniß der Herren und Diener sich ausspricht. In ersteren die humanste Behandlung, und in letzteren, bey aller naiven Freyheit, doch der große Respect und das Bestreben, sich bey dem Herrn auf alle Weise in Gunst zu setzen. So sucht denn auch der junge Städter, der sich dem Daphnis durch das Ansinnen einer unna¬ türlichen Liebe verhaßt gemacht hat, sich bey diesem, da er als Sohn des Herrn erkannt ist, wieder in Gnade zu bringen, indem er den Ochsenhirten die geraubte Chloe auf eine kühne Weise wieder abjagt und zu Daphnis zurückführt.
"In allen diesen Dingen, sagte Goethe, ist ein großer Verstand; so auch daß Chloe gegen den beyder¬ seitigen Willen der Liebenden, die nichts Besseres ken¬ nen als nackt neben einander zu ruhen, durch den gan¬ zen Roman bis ans Ende ihre Jungfrauschaft behält, ist gleichfalls vortrefflich, und so schön motivirt, daß dabey die größten menschlichen Dinge zur Sprache kommen."
in die gluͤcklichen Zuſtaͤnde des Gedichts ſtoͤrend herein¬ tritt, wie Überfall, Raub und Krieg, iſt immer auf das Schnelleſte abgethan, und hinterlaͤßt kaum eine Spur. Sodann das Laſter erſcheint im Gefolg der Staͤdter, und zwar auch dort nicht in den Hauptperſo¬ nen, ſondern in einer Nebenfigur, in einem Untergebe¬ nen. Das iſt alles von der erſten Schoͤnheit.“
Und dann, ſagte ich, hat mir ſo wohl gefallen, wie das Verhaͤltniß der Herren und Diener ſich ausſpricht. In erſteren die humanſte Behandlung, und in letzteren, bey aller naiven Freyheit, doch der große Reſpect und das Beſtreben, ſich bey dem Herrn auf alle Weiſe in Gunſt zu ſetzen. So ſucht denn auch der junge Staͤdter, der ſich dem Daphnis durch das Anſinnen einer unna¬ tuͤrlichen Liebe verhaßt gemacht hat, ſich bey dieſem, da er als Sohn des Herrn erkannt iſt, wieder in Gnade zu bringen, indem er den Ochſenhirten die geraubte Chloe auf eine kuͤhne Weiſe wieder abjagt und zu Daphnis zuruͤckfuͤhrt.
„In allen dieſen Dingen, ſagte Goethe, iſt ein großer Verſtand; ſo auch daß Chloe gegen den beyder¬ ſeitigen Willen der Liebenden, die nichts Beſſeres ken¬ nen als nackt neben einander zu ruhen, durch den gan¬ zen Roman bis ans Ende ihre Jungfrauſchaft behaͤlt, iſt gleichfalls vortrefflich, und ſo ſchoͤn motivirt, daß dabey die groͤßten menſchlichen Dinge zur Sprache kommen.“
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in die gluͤcklichen Zuſtaͤnde des Gedichts ſtoͤrend herein¬
tritt, wie Überfall, Raub und Krieg, iſt immer auf
das Schnelleſte abgethan, und hinterlaͤßt kaum eine
Spur. Sodann das Laſter erſcheint im Gefolg der
Staͤdter, und zwar auch dort nicht in den Hauptperſo¬
nen, ſondern in einer Nebenfigur, in einem Untergebe¬
nen. Das iſt alles von der erſten Schoͤnheit.“
Und dann, ſagte ich, hat mir ſo wohl gefallen, wie
das Verhaͤltniß der Herren und Diener ſich ausſpricht.
In erſteren die humanſte Behandlung, und in letzteren,
bey aller naiven Freyheit, doch der große Reſpect und
das Beſtreben, ſich bey dem Herrn auf alle Weiſe in
Gunſt zu ſetzen. So ſucht denn auch der junge Staͤdter,
der ſich dem Daphnis durch das Anſinnen einer unna¬
tuͤrlichen Liebe verhaßt gemacht hat, ſich bey dieſem, da
er als Sohn des Herrn erkannt iſt, wieder in Gnade
zu bringen, indem er den Ochſenhirten die geraubte
Chloe auf eine kuͤhne Weiſe wieder abjagt und zu
Daphnis zuruͤckfuͤhrt.
„In allen dieſen Dingen, ſagte Goethe, iſt ein
großer Verſtand; ſo auch daß Chloe gegen den beyder¬
ſeitigen Willen der Liebenden, die nichts Beſſeres ken¬
nen als nackt neben einander zu ruhen, durch den gan¬
zen Roman bis ans Ende ihre Jungfrauſchaft behaͤlt,
iſt gleichfalls vortrefflich, und ſo ſchoͤn motivirt, daß
dabey die groͤßten menſchlichen Dinge zur Sprache
kommen.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/330>, abgerufen am 24.11.2024.
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