"Man müßte ein ganzes Buch schreiben, um alle großen Verdienste dieses Gedichts nach Würden zu schätzen. Man thut wohl, es alle Jahr einmal zu le¬ sen, um immer wieder daran zu lernen, und den Ein¬ druck seiner großen Schönheit aufs neue zu empfinden."
Montag den 21. März 1831.
Wir sprachen über politische Dinge, über die noch immer fortwährenden Unruhen in Paris, und den Wahn der jungen Leute, in die höchsten Angelegenheiten des Staates mit einwirken zu wollen.
Auch in England, sagte ich, haben die Studenten vor einigen Jahren bey Entscheidung der katholischen Frage durch Einreichung von Bittschriften einen Einfluß zu erlangen versucht; allein man hat sie ausgelacht und nicht weiter davon Notiz genommen.
"Das Beyspiel von Napoleon, sagte Goethe, hat besonders in den jungen Leuten von Frankreich, die unter jenem Helden heraufwuchsen, den Egoismus auf¬ geregt, und sie werden nicht eher ruhen, als bis wieder ein großer Despot unter ihnen aufsteht, in welchem sie das auf der höchsten Stufe sehen, was sie selber zu seyn wünschen. Es ist nur das Schlimme, daß ein Mann wie Napoleon nicht sobald wieder geboren wird, und ich fürchte fast, daß noch einige hunderttausend Men¬
II. 21
„Man muͤßte ein ganzes Buch ſchreiben, um alle großen Verdienſte dieſes Gedichts nach Wuͤrden zu ſchaͤtzen. Man thut wohl, es alle Jahr einmal zu le¬ ſen, um immer wieder daran zu lernen, und den Ein¬ druck ſeiner großen Schoͤnheit aufs neue zu empfinden.“
Montag den 21. Maͤrz 1831.
Wir ſprachen uͤber politiſche Dinge, uͤber die noch immer fortwaͤhrenden Unruhen in Paris, und den Wahn der jungen Leute, in die hoͤchſten Angelegenheiten des Staates mit einwirken zu wollen.
Auch in England, ſagte ich, haben die Studenten vor einigen Jahren bey Entſcheidung der katholiſchen Frage durch Einreichung von Bittſchriften einen Einfluß zu erlangen verſucht; allein man hat ſie ausgelacht und nicht weiter davon Notiz genommen.
„Das Beyſpiel von Napoleon, ſagte Goethe, hat beſonders in den jungen Leuten von Frankreich, die unter jenem Helden heraufwuchſen, den Egoismus auf¬ geregt, und ſie werden nicht eher ruhen, als bis wieder ein großer Despot unter ihnen aufſteht, in welchem ſie das auf der hoͤchſten Stufe ſehen, was ſie ſelber zu ſeyn wuͤnſchen. Es iſt nur das Schlimme, daß ein Mann wie Napoleon nicht ſobald wieder geboren wird, und ich fuͤrchte faſt, daß noch einige hunderttauſend Men¬
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„Man muͤßte ein ganzes Buch ſchreiben, um alle
großen Verdienſte dieſes Gedichts nach Wuͤrden zu
ſchaͤtzen. Man thut wohl, es alle Jahr einmal zu le¬
ſen, um immer wieder daran zu lernen, und den Ein¬
druck ſeiner großen Schoͤnheit aufs neue zu empfinden.“
Montag den 21. Maͤrz 1831.
Wir ſprachen uͤber politiſche Dinge, uͤber die noch
immer fortwaͤhrenden Unruhen in Paris, und den Wahn
der jungen Leute, in die hoͤchſten Angelegenheiten des
Staates mit einwirken zu wollen.
Auch in England, ſagte ich, haben die Studenten
vor einigen Jahren bey Entſcheidung der katholiſchen
Frage durch Einreichung von Bittſchriften einen Einfluß
zu erlangen verſucht; allein man hat ſie ausgelacht und
nicht weiter davon Notiz genommen.
„Das Beyſpiel von Napoleon, ſagte Goethe,
hat beſonders in den jungen Leuten von Frankreich, die
unter jenem Helden heraufwuchſen, den Egoismus auf¬
geregt, und ſie werden nicht eher ruhen, als bis wieder
ein großer Despot unter ihnen aufſteht, in welchem ſie
das auf der hoͤchſten Stufe ſehen, was ſie ſelber zu ſeyn
wuͤnſchen. Es iſt nur das Schlimme, daß ein Mann
wie Napoleon nicht ſobald wieder geboren wird, und
ich fuͤrchte faſt, daß noch einige hunderttauſend Men¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/331>, abgerufen am 24.11.2024.
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