Dieses zu sehen und zu hören betrübte mich tief; denn ich hatte mich mit Vielen darauf gefreut, in Wei¬ mar ein Theater entstehen zu sehen, das nach Goethe's praktischer Ansicht von einer zweckmäßigen innern Ein¬ richtung ausgeführt und hinsichtlich der Schönheit seinem hochgebildeten Geschmack gemäß seyn würde.
Aber auch wegen Goethe und Coudray betrübte es mich, die durch dieses Weimar'sche Ereigniß sich Beide mehr oder weniger verletzt fühlen mußten.
Sonntag, den 1. Mai 1825.
Bei Goethe zu Tisch. Es ist zu denken, daß der veränderte Theaterbau das Erste war, das zwischen uns zur Sprache kam. Ich hatte, wie gesagt, gefürchtet, daß die höchst unerwartete Maßregel Goethe tief ver¬ letzen würde. Allein keine Spur! -- Ich fand ihn in der mildesten, heitersten Stimmung, durchaus über jede kleine Empfindlichkeit erhaben.
"Man hat, sagte er, dem Großherzog von Seiten des Kosten-Punktes und großer Ersparungen, die bei dem veränderten Bauplan zu machen, beizukommen gesucht, und es ist ihnen gelungen. Mir kann es ganz recht seyn. Ein neues Theater ist am Ende doch immer nur ein neuer Scheiterhaufen, den irgend ein Ungefähr über kurz oder lang wieder in Brand steckt. Damit tröste ich mich. Uebrigens ein Bißchen mehr oder
Dieſes zu ſehen und zu hören betrübte mich tief; denn ich hatte mich mit Vielen darauf gefreut, in Wei¬ mar ein Theater entſtehen zu ſehen, das nach Goethe's praktiſcher Anſicht von einer zweckmäßigen innern Ein¬ richtung ausgeführt und hinſichtlich der Schönheit ſeinem hochgebildeten Geſchmack gemäß ſeyn würde.
Aber auch wegen Goethe und Coudray betrübte es mich, die durch dieſes Weimar'ſche Ereigniß ſich Beide mehr oder weniger verletzt fühlen mußten.
Sonntag, den 1. Mai 1825.
Bei Goethe zu Tiſch. Es iſt zu denken, daß der veränderte Theaterbau das Erſte war, das zwiſchen uns zur Sprache kam. Ich hatte, wie geſagt, gefürchtet, daß die höchſt unerwartete Maßregel Goethe tief ver¬ letzen würde. Allein keine Spur! — Ich fand ihn in der mildeſten, heiterſten Stimmung, durchaus über jede kleine Empfindlichkeit erhaben.
„Man hat, ſagte er, dem Großherzog von Seiten des Koſten-Punktes und großer Erſparungen, die bei dem veränderten Bauplan zu machen, beizukommen geſucht, und es iſt ihnen gelungen. Mir kann es ganz recht ſeyn. Ein neues Theater iſt am Ende doch immer nur ein neuer Scheiterhaufen, den irgend ein Ungefähr über kurz oder lang wieder in Brand ſteckt. Damit tröſte ich mich. Uebrigens ein Bißchen mehr oder
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0111"n="89"/><p>Dieſes zu ſehen und zu hören betrübte mich tief;<lb/>
denn ich hatte mich mit Vielen darauf gefreut, in Wei¬<lb/>
mar ein Theater entſtehen zu ſehen, das nach Goethe's<lb/>
praktiſcher Anſicht von einer zweckmäßigen innern Ein¬<lb/>
richtung ausgeführt und hinſichtlich der Schönheit ſeinem<lb/>
hochgebildeten Geſchmack gemäß ſeyn würde.</p><lb/><p>Aber auch wegen Goethe und Coudray betrübte es<lb/>
mich, die durch dieſes Weimar'ſche Ereigniß ſich Beide<lb/>
mehr oder weniger verletzt fühlen mußten.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="4"><datelinerendition="#right">Sonntag, den 1. Mai 1825.<lb/></dateline><p>Bei Goethe zu Tiſch. Es iſt zu denken, daß der<lb/>
veränderte Theaterbau das Erſte war, das zwiſchen uns<lb/>
zur Sprache kam. Ich hatte, wie geſagt, gefürchtet,<lb/>
daß die höchſt unerwartete Maßregel Goethe tief ver¬<lb/>
letzen würde. Allein keine Spur! — Ich fand ihn in<lb/>
der mildeſten, heiterſten Stimmung, durchaus über jede<lb/>
kleine Empfindlichkeit erhaben.</p><lb/><p>„Man hat, ſagte er, dem Großherzog von Seiten<lb/>
des Koſten-Punktes und großer Erſparungen, die bei<lb/>
dem veränderten Bauplan zu machen, beizukommen<lb/>
geſucht, und es iſt ihnen gelungen. Mir kann es ganz<lb/>
recht ſeyn. Ein neues Theater iſt am Ende doch immer<lb/>
nur ein neuer Scheiterhaufen, den irgend ein Ungefähr<lb/>
über kurz oder lang wieder in Brand ſteckt. Damit<lb/>
tröſte ich mich. Uebrigens ein Bißchen mehr oder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[89/0111]
Dieſes zu ſehen und zu hören betrübte mich tief;
denn ich hatte mich mit Vielen darauf gefreut, in Wei¬
mar ein Theater entſtehen zu ſehen, das nach Goethe's
praktiſcher Anſicht von einer zweckmäßigen innern Ein¬
richtung ausgeführt und hinſichtlich der Schönheit ſeinem
hochgebildeten Geſchmack gemäß ſeyn würde.
Aber auch wegen Goethe und Coudray betrübte es
mich, die durch dieſes Weimar'ſche Ereigniß ſich Beide
mehr oder weniger verletzt fühlen mußten.
Sonntag, den 1. Mai 1825.
Bei Goethe zu Tiſch. Es iſt zu denken, daß der
veränderte Theaterbau das Erſte war, das zwiſchen uns
zur Sprache kam. Ich hatte, wie geſagt, gefürchtet,
daß die höchſt unerwartete Maßregel Goethe tief ver¬
letzen würde. Allein keine Spur! — Ich fand ihn in
der mildeſten, heiterſten Stimmung, durchaus über jede
kleine Empfindlichkeit erhaben.
„Man hat, ſagte er, dem Großherzog von Seiten
des Koſten-Punktes und großer Erſparungen, die bei
dem veränderten Bauplan zu machen, beizukommen
geſucht, und es iſt ihnen gelungen. Mir kann es ganz
recht ſeyn. Ein neues Theater iſt am Ende doch immer
nur ein neuer Scheiterhaufen, den irgend ein Ungefähr
über kurz oder lang wieder in Brand ſteckt. Damit
tröſte ich mich. Uebrigens ein Bißchen mehr oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/111>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.