mit Doolan im Felde umher. Thee und Theegesellschaft und Theegespräch widerstrebt meiner Natur so sehr, daß es mir schon unheimlich wird, wenn ich nur daran denke. "Aber Eckermann! sagte Frau v. Goethe, bei einem Thee im Park sind Sie ja im Freien und ganz in Ihrem Element." Im Gegentheil! sagte ich. Wenn ich der Natur so nahe bin, daß ich alle Düfte wittere, und doch nicht eigentlich hinein kann, so wird es mir ungeduldig, wie einer Ente, die man in die Nähe des Wassers bringt, aber am Hineintauchen hindert. "Sie könnten auch sagen, bemerkte Goethe lachend, es würde Ihnen zu Sinne, wie einem Pferde, das seinen Kopf zum Stalle hinaus streckt und auf einer gedehnten Weidenfläche vor sich andere Pferde frei umherjagen sieht. Es riecht zwar alle Wonne und Freiheit der frischen Natur, aber es kann nicht hinein. Doch laßt nur den Eckermann, er ist wie er ist, und Ihr macht ihn nicht anders. Aber sagen Sie, mein Allerbester, was treiben Sie denn mit Ihrem Doolan die schönen langen Nachmittage im freien Felde?" Wir suchen irgend ein einsames Thal, sagte ich, und schießen mit Pfeil und Bogen. "Hm! sagte Goethe, das mag kein schlechtes Vergnügen seyn." Es ist herrlich, sagte ich, um die Gebrechen des Winters los zu werden. "Wie aber in aller Welt, sagte Goethe, sind Sie hier in Weimar zu Pfeil und Bogen gekommen?" Zu den Pfeilen, erwie¬ derte ich, habe ich mir in dem Feldzuge von 1814 ein
mit Doolan im Felde umher. Thee und Theegeſellſchaft und Theegeſpräch widerſtrebt meiner Natur ſo ſehr, daß es mir ſchon unheimlich wird, wenn ich nur daran denke. „Aber Eckermann! ſagte Frau v. Goethe, bei einem Thee im Park ſind Sie ja im Freien und ganz in Ihrem Element.“ Im Gegentheil! ſagte ich. Wenn ich der Natur ſo nahe bin, daß ich alle Düfte wittere, und doch nicht eigentlich hinein kann, ſo wird es mir ungeduldig, wie einer Ente, die man in die Nähe des Waſſers bringt, aber am Hineintauchen hindert. „Sie könnten auch ſagen, bemerkte Goethe lachend, es würde Ihnen zu Sinne, wie einem Pferde, das ſeinen Kopf zum Stalle hinaus ſtreckt und auf einer gedehnten Weidenfläche vor ſich andere Pferde frei umherjagen ſieht. Es riecht zwar alle Wonne und Freiheit der friſchen Natur, aber es kann nicht hinein. Doch laßt nur den Eckermann, er iſt wie er iſt, und Ihr macht ihn nicht anders. Aber ſagen Sie, mein Allerbeſter, was treiben Sie denn mit Ihrem Doolan die ſchönen langen Nachmittage im freien Felde?“ Wir ſuchen irgend ein einſames Thal, ſagte ich, und ſchießen mit Pfeil und Bogen. „Hm! ſagte Goethe, das mag kein ſchlechtes Vergnügen ſeyn.“ Es iſt herrlich, ſagte ich, um die Gebrechen des Winters los zu werden. „Wie aber in aller Welt, ſagte Goethe, ſind Sie hier in Weimar zu Pfeil und Bogen gekommen?“ Zu den Pfeilen, erwie¬ derte ich, habe ich mir in dem Feldzuge von 1814 ein
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mit Doolan im Felde umher. Thee und Theegeſellſchaft
und Theegeſpräch widerſtrebt meiner Natur ſo ſehr,
daß es mir ſchon unheimlich wird, wenn ich nur daran
denke. „Aber Eckermann! ſagte Frau v. Goethe, bei
einem Thee im Park ſind Sie ja im Freien und ganz
in Ihrem Element.“ Im Gegentheil! ſagte ich. Wenn
ich der Natur ſo nahe bin, daß ich alle Düfte wittere,
und doch nicht eigentlich hinein kann, ſo wird es mir
ungeduldig, wie einer Ente, die man in die Nähe des
Waſſers bringt, aber am Hineintauchen hindert. „Sie
könnten auch ſagen, bemerkte Goethe lachend, es würde
Ihnen zu Sinne, wie einem Pferde, das ſeinen Kopf
zum Stalle hinaus ſtreckt und auf einer gedehnten
Weidenfläche vor ſich andere Pferde frei umherjagen
ſieht. Es riecht zwar alle Wonne und Freiheit der
friſchen Natur, aber es kann nicht hinein. Doch laßt
nur den Eckermann, er iſt wie er iſt, und Ihr macht
ihn nicht anders. Aber ſagen Sie, mein Allerbeſter,
was treiben Sie denn mit Ihrem Doolan die ſchönen
langen Nachmittage im freien Felde?“ Wir ſuchen
irgend ein einſames Thal, ſagte ich, und ſchießen mit
Pfeil und Bogen. „Hm! ſagte Goethe, das mag kein
ſchlechtes Vergnügen ſeyn.“ Es iſt herrlich, ſagte ich, um
die Gebrechen des Winters los zu werden. „Wie aber in
aller Welt, ſagte Goethe, ſind Sie hier in Weimar zu
Pfeil und Bogen gekommen?“ Zu den Pfeilen, erwie¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/116>, abgerufen am 24.11.2024.
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