Modell aus Brabant mitgebracht. Das Schießen mit Pfeil und Bogen ist dort allgemein. Es ist keine Stadt so gering, die nicht ihre Bogen-Gesellschaften hätte. Sie haben ihren Stand in irgend einer Schenke, ähnlich unseren Kegelbahnen, und vereinigen sich gewöhn¬ lich spät am Nachmittage, wo ich ihnen oft mit dem größten Vergnügen zugesehen. Was waren das für wohlgewachsene Männer und was für malerische Stel¬ lungen, wenn sie die Senne zogen! -- Wie waren die Kräfte entwickelt, und wie waren sie geschickte Treffer! Sie schossen gewöhnlich in einer Entfernung von sechzig bis achtzig Schritt nach einer Papierscheibe auf einer nassen Lehmwand; sie schossen rasch hintereinander und ließen die Pfeile stecken. Und da war es nicht selten, daß von funfzehn Pfeilen fünf im Centrum staken, von der Größe eines Thalers, und die übrigen in der Nähe umher. Wenn Alle geschossen hatten, gingen sie hin und Jeder zog seinen Pfeil aus der weichen Wand und das Spiel ging von vorne. Ich war damals für dieses Bogenschießen so begeistert, daß ich dachte, es sey etwas Großes, es in Deutschland einzuführen, und ich war so dumm, daß ich glaubte, es sey möglich. Ich handelte wiederholt auf einen Bogen; allein unter zwanzig Franken war keiner zu haben, und wie sollte ich armer Feldjäger so viel Geld auftreiben! Ich be¬ schränkte mich daher auf einen Pfeil, als das wichtigere und künstlichere, den ich in einer Fabrik zu Brüssel
Modell aus Brabant mitgebracht. Das Schießen mit Pfeil und Bogen iſt dort allgemein. Es iſt keine Stadt ſo gering, die nicht ihre Bogen-Geſellſchaften hätte. Sie haben ihren Stand in irgend einer Schenke, ähnlich unſeren Kegelbahnen, und vereinigen ſich gewöhn¬ lich ſpät am Nachmittage, wo ich ihnen oft mit dem größten Vergnügen zugeſehen. Was waren das für wohlgewachſene Männer und was für maleriſche Stel¬ lungen, wenn ſie die Senne zogen! — Wie waren die Kräfte entwickelt, und wie waren ſie geſchickte Treffer! Sie ſchoſſen gewöhnlich in einer Entfernung von ſechzig bis achtzig Schritt nach einer Papierſcheibe auf einer naſſen Lehmwand; ſie ſchoſſen raſch hintereinander und ließen die Pfeile ſtecken. Und da war es nicht ſelten, daß von funfzehn Pfeilen fünf im Centrum ſtaken, von der Größe eines Thalers, und die übrigen in der Nähe umher. Wenn Alle geſchoſſen hatten, gingen ſie hin und Jeder zog ſeinen Pfeil aus der weichen Wand und das Spiel ging von vorne. Ich war damals für dieſes Bogenſchießen ſo begeiſtert, daß ich dachte, es ſey etwas Großes, es in Deutſchland einzuführen, und ich war ſo dumm, daß ich glaubte, es ſey möglich. Ich handelte wiederholt auf einen Bogen; allein unter zwanzig Franken war keiner zu haben, und wie ſollte ich armer Feldjäger ſo viel Geld auftreiben! Ich be¬ ſchränkte mich daher auf einen Pfeil, als das wichtigere und künſtlichere, den ich in einer Fabrik zu Brüſſel
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0117"n="95"/>
Modell aus Brabant mitgebracht. Das Schießen mit<lb/>
Pfeil und Bogen iſt dort allgemein. Es iſt keine<lb/>
Stadt ſo gering, die nicht ihre Bogen-Geſellſchaften<lb/>
hätte. Sie haben ihren Stand in irgend einer Schenke,<lb/>
ähnlich unſeren Kegelbahnen, und vereinigen ſich gewöhn¬<lb/>
lich ſpät am Nachmittage, wo ich ihnen oft mit dem<lb/>
größten Vergnügen zugeſehen. Was waren das für<lb/>
wohlgewachſene Männer und was für maleriſche Stel¬<lb/>
lungen, wenn ſie die Senne zogen! — Wie waren die<lb/>
Kräfte entwickelt, und wie waren ſie geſchickte Treffer!<lb/>
Sie ſchoſſen gewöhnlich in einer Entfernung von ſechzig<lb/>
bis achtzig Schritt nach einer Papierſcheibe auf einer<lb/>
naſſen Lehmwand; ſie ſchoſſen raſch hintereinander und<lb/>
ließen die Pfeile ſtecken. Und da war es nicht ſelten,<lb/>
daß von funfzehn Pfeilen fünf im Centrum ſtaken, von<lb/>
der Größe eines Thalers, und die übrigen in der Nähe<lb/>
umher. Wenn Alle geſchoſſen hatten, gingen ſie hin<lb/>
und Jeder zog ſeinen Pfeil aus der weichen Wand und<lb/>
das Spiel ging von vorne. Ich war damals für<lb/>
dieſes Bogenſchießen ſo begeiſtert, daß ich dachte, es<lb/>ſey etwas Großes, es in Deutſchland einzuführen, und<lb/>
ich war ſo dumm, daß ich glaubte, es ſey möglich. Ich<lb/>
handelte wiederholt auf einen Bogen; allein unter<lb/>
zwanzig Franken war keiner zu haben, und wie ſollte<lb/>
ich armer Feldjäger ſo viel Geld auftreiben! Ich be¬<lb/>ſchränkte mich daher auf einen Pfeil, als das wichtigere<lb/>
und künſtlichere, den ich in einer Fabrik zu Brüſſel<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[95/0117]
Modell aus Brabant mitgebracht. Das Schießen mit
Pfeil und Bogen iſt dort allgemein. Es iſt keine
Stadt ſo gering, die nicht ihre Bogen-Geſellſchaften
hätte. Sie haben ihren Stand in irgend einer Schenke,
ähnlich unſeren Kegelbahnen, und vereinigen ſich gewöhn¬
lich ſpät am Nachmittage, wo ich ihnen oft mit dem
größten Vergnügen zugeſehen. Was waren das für
wohlgewachſene Männer und was für maleriſche Stel¬
lungen, wenn ſie die Senne zogen! — Wie waren die
Kräfte entwickelt, und wie waren ſie geſchickte Treffer!
Sie ſchoſſen gewöhnlich in einer Entfernung von ſechzig
bis achtzig Schritt nach einer Papierſcheibe auf einer
naſſen Lehmwand; ſie ſchoſſen raſch hintereinander und
ließen die Pfeile ſtecken. Und da war es nicht ſelten,
daß von funfzehn Pfeilen fünf im Centrum ſtaken, von
der Größe eines Thalers, und die übrigen in der Nähe
umher. Wenn Alle geſchoſſen hatten, gingen ſie hin
und Jeder zog ſeinen Pfeil aus der weichen Wand und
das Spiel ging von vorne. Ich war damals für
dieſes Bogenſchießen ſo begeiſtert, daß ich dachte, es
ſey etwas Großes, es in Deutſchland einzuführen, und
ich war ſo dumm, daß ich glaubte, es ſey möglich. Ich
handelte wiederholt auf einen Bogen; allein unter
zwanzig Franken war keiner zu haben, und wie ſollte
ich armer Feldjäger ſo viel Geld auftreiben! Ich be¬
ſchränkte mich daher auf einen Pfeil, als das wichtigere
und künſtlichere, den ich in einer Fabrik zu Brüſſel
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/117>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.