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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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bis in die Nacht hielten, immer behindert gewesen, die
Geliebte zu besuchen. Auch hatte unsere Neigung be¬
reits die Aufmerksamkeit der Leute auf sich gezogen
und ich trug daher Scheu, am offenen Tage hinzugehen,
um das Gerede nicht zu vergrößern. Am vierten oder
fünften Abend aber konnte ich es nicht länger aushal¬
ten, und ich war auf dem Wege zu ihr und stand vor
ihrem Hause, ehe ich es dachte. Ich ging leise die
Treppe hinauf und war im Begriff, in ihr Zimmer zu
treten, als ich an verschiedenen Stimmen hörte, daß
sie nicht allein war. Ich ging unbemerkt wieder hinab
und war schnell wieder in den dunkeln Straßen, die
damals noch keine Beleuchtung hatten. Unmuthig und
leidenschaftlich durchstreifte ich die Stadt in allen Rich¬
tungen wohl eine Stunde lang und immer einmal wie¬
der vor ihrem Hause vorbei, voll sehnsüchtiger Gedan¬
ken an die Geliebte. Ich war endlich auf dem Punkte,
wieder in mein einsames Zimmer zurückzukehren, als
ich noch einmal an ihrem Hause vorbeiging und be¬
merkte, daß sie kein Licht mehr hatte. Sie wird aus¬
gegangen seyn! sagte ich zu mir selber; aber wohin in
dieser Dunkelheit der Nacht? und wo soll ich ihr be¬
gegnen? Ich ging abermals durch mehrere Straßen,
es begegneten mir viele Menschen, und ich war oft ge¬
täuscht, indem ich ihre Gestalt und ihre Größe zu sehen
glaubte, aber bei näherem Hinzukommen immer fand,
daß sie es nicht war. Ich glaubte schon damals fest

bis in die Nacht hielten, immer behindert geweſen, die
Geliebte zu beſuchen. Auch hatte unſere Neigung be¬
reits die Aufmerkſamkeit der Leute auf ſich gezogen
und ich trug daher Scheu, am offenen Tage hinzugehen,
um das Gerede nicht zu vergrößern. Am vierten oder
fünften Abend aber konnte ich es nicht länger aushal¬
ten, und ich war auf dem Wege zu ihr und ſtand vor
ihrem Hauſe, ehe ich es dachte. Ich ging leiſe die
Treppe hinauf und war im Begriff, in ihr Zimmer zu
treten, als ich an verſchiedenen Stimmen hörte, daß
ſie nicht allein war. Ich ging unbemerkt wieder hinab
und war ſchnell wieder in den dunkeln Straßen, die
damals noch keine Beleuchtung hatten. Unmuthig und
leidenſchaftlich durchſtreifte ich die Stadt in allen Rich¬
tungen wohl eine Stunde lang und immer einmal wie¬
der vor ihrem Hauſe vorbei, voll ſehnſüchtiger Gedan¬
ken an die Geliebte. Ich war endlich auf dem Punkte,
wieder in mein einſames Zimmer zurückzukehren, als
ich noch einmal an ihrem Hauſe vorbeiging und be¬
merkte, daß ſie kein Licht mehr hatte. Sie wird aus¬
gegangen ſeyn! ſagte ich zu mir ſelber; aber wohin in
dieſer Dunkelheit der Nacht? und wo ſoll ich ihr be¬
gegnen? Ich ging abermals durch mehrere Straßen,
es begegneten mir viele Menſchen, und ich war oft ge¬
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glaubte, aber bei näherem Hinzukommen immer fand,
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[202/0224] bis in die Nacht hielten, immer behindert geweſen, die Geliebte zu beſuchen. Auch hatte unſere Neigung be¬ reits die Aufmerkſamkeit der Leute auf ſich gezogen und ich trug daher Scheu, am offenen Tage hinzugehen, um das Gerede nicht zu vergrößern. Am vierten oder fünften Abend aber konnte ich es nicht länger aushal¬ ten, und ich war auf dem Wege zu ihr und ſtand vor ihrem Hauſe, ehe ich es dachte. Ich ging leiſe die Treppe hinauf und war im Begriff, in ihr Zimmer zu treten, als ich an verſchiedenen Stimmen hörte, daß ſie nicht allein war. Ich ging unbemerkt wieder hinab und war ſchnell wieder in den dunkeln Straßen, die damals noch keine Beleuchtung hatten. Unmuthig und leidenſchaftlich durchſtreifte ich die Stadt in allen Rich¬ tungen wohl eine Stunde lang und immer einmal wie¬ der vor ihrem Hauſe vorbei, voll ſehnſüchtiger Gedan¬ ken an die Geliebte. Ich war endlich auf dem Punkte, wieder in mein einſames Zimmer zurückzukehren, als ich noch einmal an ihrem Hauſe vorbeiging und be¬ merkte, daß ſie kein Licht mehr hatte. Sie wird aus¬ gegangen ſeyn! ſagte ich zu mir ſelber; aber wohin in dieſer Dunkelheit der Nacht? und wo ſoll ich ihr be¬ gegnen? Ich ging abermals durch mehrere Straßen, es begegneten mir viele Menſchen, und ich war oft ge¬ täuſcht, indem ich ihre Geſtalt und ihre Größe zu ſehen glaubte, aber bei näherem Hinzukommen immer fand, daß ſie es nicht war. Ich glaubte ſchon damals feſt

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/224>, abgerufen am 21.11.2024.