Napoleon, oder ob Einer ein Lied macht wie Beranger, es ist Alles gleich und kommt bloß darauf an, ob der Gedanke, das Apercu, die That lebendig sey und fort¬ zuleben vermöge."
"Und dann muß ich noch sagen: nicht die Masse der Erzeugnisse und Thaten, die von Jemandem aus¬ gehen, deuten auf einen productiven Menschen. Wir haben in der Literatur Poeten, die für sehr productiv gehalten werden, weil von ihnen ein Band Gedichte nach dem andern erschienen ist. Nach meinem Begriff aber sind diese Leute durchaus unproductiv zu nennen, denn, was sie machten, ist ohne Leben und Dauer. Goldsmith dagegen hat so wenige Gedichte gemacht, daß ihre Zahl nicht der Rede werth; allein dennoch muß ich ihn als Poeten für durchaus productiv erklä¬ ren, und zwar eben deßwegen, weil das Wenige, was er machte, ein inwohnendes Leben hat, das sich zu er¬ halten weiß."
Es entstand eine Pause, während welcher Goethe fortfuhr im Zimmer auf und ab zu gehen. Ich war indeß begierig, über diesen wichtigen Punkt noch etwas Weiteres zu hören, und suchte daher Goethen wieder in Anregung zu bringen.
Liegt denn, sagte ich, diese geniale Productivität bloß im Geiste eines bedeutenden Menschen, oder liegt sie auch im Körper?
"Wenigstens, erwiederte Goethe, hat der Körper
Napoleon, oder ob Einer ein Lied macht wie Béranger, es iſt Alles gleich und kommt bloß darauf an, ob der Gedanke, das Aperçu, die That lebendig ſey und fort¬ zuleben vermöge.“
„Und dann muß ich noch ſagen: nicht die Maſſe der Erzeugniſſe und Thaten, die von Jemandem aus¬ gehen, deuten auf einen productiven Menſchen. Wir haben in der Literatur Poeten, die für ſehr productiv gehalten werden, weil von ihnen ein Band Gedichte nach dem andern erſchienen iſt. Nach meinem Begriff aber ſind dieſe Leute durchaus unproductiv zu nennen, denn, was ſie machten, iſt ohne Leben und Dauer. Goldſmith dagegen hat ſo wenige Gedichte gemacht, daß ihre Zahl nicht der Rede werth; allein dennoch muß ich ihn als Poeten für durchaus productiv erklä¬ ren, und zwar eben deßwegen, weil das Wenige, was er machte, ein inwohnendes Leben hat, das ſich zu er¬ halten weiß.“
Es entſtand eine Pauſe, während welcher Goethe fortfuhr im Zimmer auf und ab zu gehen. Ich war indeß begierig, über dieſen wichtigen Punkt noch etwas Weiteres zu hören, und ſuchte daher Goethen wieder in Anregung zu bringen.
Liegt denn, ſagte ich, dieſe geniale Productivität bloß im Geiſte eines bedeutenden Menſchen, oder liegt ſie auch im Körper?
„Wenigſtens, erwiederte Goethe, hat der Körper
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Napoleon, oder ob Einer ein Lied macht wie Béranger,
es iſt Alles gleich und kommt bloß darauf an, ob der
Gedanke, das Aperçu, die That lebendig ſey und fort¬
zuleben vermöge.“
„Und dann muß ich noch ſagen: nicht die Maſſe
der Erzeugniſſe und Thaten, die von Jemandem aus¬
gehen, deuten auf einen productiven Menſchen. Wir
haben in der Literatur Poeten, die für ſehr productiv
gehalten werden, weil von ihnen ein Band Gedichte
nach dem andern erſchienen iſt. Nach meinem Begriff
aber ſind dieſe Leute durchaus unproductiv zu nennen,
denn, was ſie machten, iſt ohne Leben und Dauer.
Goldſmith dagegen hat ſo wenige Gedichte gemacht,
daß ihre Zahl nicht der Rede werth; allein dennoch
muß ich ihn als Poeten für durchaus productiv erklä¬
ren, und zwar eben deßwegen, weil das Wenige, was
er machte, ein inwohnendes Leben hat, das ſich zu er¬
halten weiß.“
Es entſtand eine Pauſe, während welcher Goethe
fortfuhr im Zimmer auf und ab zu gehen. Ich war
indeß begierig, über dieſen wichtigen Punkt noch etwas
Weiteres zu hören, und ſuchte daher Goethen wieder
in Anregung zu bringen.
Liegt denn, ſagte ich, dieſe geniale Productivität
bloß im Geiſte eines bedeutenden Menſchen, oder liegt
ſie auch im Körper?
„Wenigſtens, erwiederte Goethe, hat der Körper
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/252>, abgerufen am 22.11.2024.
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