ersten Stellen im Staat, wenn auch nicht von Jüng¬ lingen, doch von Männern in noch jugendlichem Alter besetzt haben wollte. Ich konnte nicht umhin, einige hochstehende deutsche Männer zu erwähnen, denen im hohen Alter die nöthige Energie und jugendliche Be¬ weglichkeit zum Betrieb der bedeutendsten und mannig¬ faltigsten Geschäfte doch keineswegs zu fehlen scheine.
"Solche Männer und ihres Gleichen, erwiederte Goethe, sind geniale Naturen, mit denen es eine eigene Bewandniß hat; sie erleben eine wiederholte Pu¬ bertät, während andere Leute nur einmal jung sind."
"Jede Entelechie nämlich ist ein Stück Ewigkeit, und die paar Jahre, die sie mit dem irdischen Körper verbunden ist, machen sie nicht alt. -- Ist diese Ente¬ lechie geringer Art, so wird sie während ihrer körper¬ lichen Verdüsterung wenig Herrschaft ausüben, viel¬ mehr wird der Körper vorherrschen, und wie er altert, wird sie ihn nicht halten und hindern. Ist aber die Entelechie mächtiger Art, wie es bei allen genialen Naturen der Fall ist, so wird sie, bei ihrer belebenden Durchdringung des Körpers, nicht allein auf dessen Organisation kräftigend und veredelnd einwirken, son¬ dern sie wird auch, bei ihrer geistigen Uebermacht, ihr Vorrecht einer ewigen Jugend fortwährend geltend zu machen suchen. Daher kommt es denn, daß wir bei vorzüglich begabten Menschen, auch während ihres Alters, immer noch frische Epochen besonderer Productivität
erſten Stellen im Staat, wenn auch nicht von Jüng¬ lingen, doch von Männern in noch jugendlichem Alter beſetzt haben wollte. Ich konnte nicht umhin, einige hochſtehende deutſche Männer zu erwähnen, denen im hohen Alter die nöthige Energie und jugendliche Be¬ weglichkeit zum Betrieb der bedeutendſten und mannig¬ faltigſten Geſchäfte doch keineswegs zu fehlen ſcheine.
„Solche Männer und ihres Gleichen, erwiederte Goethe, ſind geniale Naturen, mit denen es eine eigene Bewandniß hat; ſie erleben eine wiederholte Pu¬ bertät, während andere Leute nur einmal jung ſind.“
„Jede Entelechie nämlich iſt ein Stück Ewigkeit, und die paar Jahre, die ſie mit dem irdiſchen Körper verbunden iſt, machen ſie nicht alt. — Iſt dieſe Ente¬ lechie geringer Art, ſo wird ſie während ihrer körper¬ lichen Verdüſterung wenig Herrſchaft ausüben, viel¬ mehr wird der Körper vorherrſchen, und wie er altert, wird ſie ihn nicht halten und hindern. Iſt aber die Entelechie mächtiger Art, wie es bei allen genialen Naturen der Fall iſt, ſo wird ſie, bei ihrer belebenden Durchdringung des Körpers, nicht allein auf deſſen Organiſation kräftigend und veredelnd einwirken, ſon¬ dern ſie wird auch, bei ihrer geiſtigen Uebermacht, ihr Vorrecht einer ewigen Jugend fortwährend geltend zu machen ſuchen. Daher kommt es denn, daß wir bei vorzüglich begabten Menſchen, auch während ihres Alters, immer noch friſche Epochen beſonderer Productivität
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erſten Stellen im Staat, wenn auch nicht von Jüng¬
lingen, doch von Männern in noch jugendlichem Alter
beſetzt haben wollte. Ich konnte nicht umhin, einige
hochſtehende deutſche Männer zu erwähnen, denen im
hohen Alter die nöthige Energie und jugendliche Be¬
weglichkeit zum Betrieb der bedeutendſten und mannig¬
faltigſten Geſchäfte doch keineswegs zu fehlen ſcheine.
„Solche Männer und ihres Gleichen, erwiederte
Goethe, ſind geniale Naturen, mit denen es eine eigene
Bewandniß hat; ſie erleben eine wiederholte Pu¬
bertät, während andere Leute nur einmal jung ſind.“
„Jede Entelechie nämlich iſt ein Stück Ewigkeit,
und die paar Jahre, die ſie mit dem irdiſchen Körper
verbunden iſt, machen ſie nicht alt. — Iſt dieſe Ente¬
lechie geringer Art, ſo wird ſie während ihrer körper¬
lichen Verdüſterung wenig Herrſchaft ausüben, viel¬
mehr wird der Körper vorherrſchen, und wie er altert,
wird ſie ihn nicht halten und hindern. Iſt aber die
Entelechie mächtiger Art, wie es bei allen genialen
Naturen der Fall iſt, ſo wird ſie, bei ihrer belebenden
Durchdringung des Körpers, nicht allein auf deſſen
Organiſation kräftigend und veredelnd einwirken, ſon¬
dern ſie wird auch, bei ihrer geiſtigen Uebermacht, ihr
Vorrecht einer ewigen Jugend fortwährend geltend zu
machen ſuchen. Daher kommt es denn, daß wir bei
vorzüglich begabten Menſchen, auch während ihres Alters,
immer noch friſche Epochen beſonderer Productivität
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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