wahrnehmen; es scheint bei ihnen immer einmal wieder eine temporäre Verjüngung einzutreten, und das ist es, was ich eine wiederholte Pubertät nennen möchte."
"Aber jung ist jung, und wie mächtig auch eine Entelechie sich erweise, sie wird doch über das Körper¬ liche nie ganz Herr werden, und es ist ein gewaltiger Unterschied, ob sie an ihm einen Alliirten oder einen Gegner findet."
"Ich hatte in meinem Leben eine Zeit, wo ich täglich einen gedruckten Bogen von mir fordern konnte, und es gelang mir mit Leichtigkeit. Meine Geschwister habe ich in drei Tagen geschrieben. Meinen Clavigo, wie Sie wissen, in acht. -- Jetzt soll ich dergleichen wohl bleiben lassen; und doch kann ich über Mangel an Pro¬ ductivität, selbst in meinem hohen Alter, mich keineswegs beklagen. Was mir aber in meinen jungen Jahren täglich und unter allen Umständen gelang, gelingt mir jetzt nur periodenweise und unter gewissen günstigen Bedingungen. -- Als mich vor zehn zwölf Jahren, in der glücklichen Zeit nach dem Befreiungskriege, die Ge¬ dichte des Divan in ihrer Gewalt hatten, war ich productiv genug, um oft in einem Tage zwei bis drei zu machen; und auf freiem Felde, im Wagen oder im Gasthof, es war mir Alles gleich. Jetzt, am zweiten Theil meines Faust, kann ich nur in den frühen Stun¬ den des Tages arbeiten, wo ich mich vom Schlaf er¬ quickt und gestärkt fühle und die Fratzen des täglichen
wahrnehmen; es ſcheint bei ihnen immer einmal wieder eine temporäre Verjüngung einzutreten, und das iſt es, was ich eine wiederholte Pubertät nennen möchte.“
„Aber jung iſt jung, und wie mächtig auch eine Entelechie ſich erweiſe, ſie wird doch über das Körper¬ liche nie ganz Herr werden, und es iſt ein gewaltiger Unterſchied, ob ſie an ihm einen Alliirten oder einen Gegner findet.“
„Ich hatte in meinem Leben eine Zeit, wo ich täglich einen gedruckten Bogen von mir fordern konnte, und es gelang mir mit Leichtigkeit. Meine Geſchwiſter habe ich in drei Tagen geſchrieben. Meinen Clavigo, wie Sie wiſſen, in acht. — Jetzt ſoll ich dergleichen wohl bleiben laſſen; und doch kann ich über Mangel an Pro¬ ductivität, ſelbſt in meinem hohen Alter, mich keineswegs beklagen. Was mir aber in meinen jungen Jahren täglich und unter allen Umſtänden gelang, gelingt mir jetzt nur periodenweiſe und unter gewiſſen günſtigen Bedingungen. — Als mich vor zehn zwölf Jahren, in der glücklichen Zeit nach dem Befreiungskriege, die Ge¬ dichte des Divan in ihrer Gewalt hatten, war ich productiv genug, um oft in einem Tage zwei bis drei zu machen; und auf freiem Felde, im Wagen oder im Gaſthof, es war mir Alles gleich. Jetzt, am zweiten Theil meines Fauſt, kann ich nur in den frühen Stun¬ den des Tages arbeiten, wo ich mich vom Schlaf er¬ quickt und geſtärkt fühle und die Fratzen des täglichen
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wahrnehmen; es ſcheint bei ihnen immer einmal wieder
eine temporäre Verjüngung einzutreten, und das iſt es,
was ich eine wiederholte Pubertät nennen möchte.“
„Aber jung iſt jung, und wie mächtig auch eine
Entelechie ſich erweiſe, ſie wird doch über das Körper¬
liche nie ganz Herr werden, und es iſt ein gewaltiger
Unterſchied, ob ſie an ihm einen Alliirten oder einen
Gegner findet.“
„Ich hatte in meinem Leben eine Zeit, wo ich täglich
einen gedruckten Bogen von mir fordern konnte, und es
gelang mir mit Leichtigkeit. Meine Geſchwiſter habe
ich in drei Tagen geſchrieben. Meinen Clavigo, wie
Sie wiſſen, in acht. — Jetzt ſoll ich dergleichen wohl
bleiben laſſen; und doch kann ich über Mangel an Pro¬
ductivität, ſelbſt in meinem hohen Alter, mich keineswegs
beklagen. Was mir aber in meinen jungen Jahren
täglich und unter allen Umſtänden gelang, gelingt mir
jetzt nur periodenweiſe und unter gewiſſen günſtigen
Bedingungen. — Als mich vor zehn zwölf Jahren, in
der glücklichen Zeit nach dem Befreiungskriege, die Ge¬
dichte des Divan in ihrer Gewalt hatten, war ich
productiv genug, um oft in einem Tage zwei bis drei
zu machen; und auf freiem Felde, im Wagen oder im
Gaſthof, es war mir Alles gleich. Jetzt, am zweiten
Theil meines Fauſt, kann ich nur in den frühen Stun¬
den des Tages arbeiten, wo ich mich vom Schlaf er¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/257>, abgerufen am 22.11.2024.
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