deutsches Dorf, das nicht seine Schule hätte. Wie steht es aber um diesen letzten Punkt in Frankreich!" --
"Und wiederum die Menge deutscher Theater, deren Zahl über siebenzig hinausgeht und die doch auch als Träger und Beförderer höherer Volksbildung keines¬ wegs zu verachten. Der Sinn für Musik und Gesang und ihre Ausübung ist in keinem Lande verbreitet, wie in Deutschland, und das ist auch etwas!"
"Nun denken Sie aber an Städte wie Dresden, München, Stuttgart, Cassel, Braunschweig, Hannover, und ähnliche; denken Sie an die großen Lebenselemente, die diese Städte in sich selber tragen; denken Sie an die Wirkungen, die von ihnen auf die benachbarten Provinzen ausgehen, und fragen Sie sich, ob das Alles seyn würde, wenn sie nicht seit langen Zeiten die Sitze von Fürsten gewesen?"
"Frankfurt, Bremen, Hamburg, Lübeck sind groß und glänzend, ihre Wirkungen auf den Wohlstand von Deutschland gar nicht zu berechnen. Würden sie aber wohl bleiben, was sie sind, wenn sie ihre eigene Souverai¬ netät verlieren und irgend einem großen deutschen Reich als Provinzialstädte einverleibt werden sollten? -- Ich habe Ursache, daran zu zweifeln."
Mittwoch, den 3. December 1828*.
Heute hatte ich mit Goethen einen anmuthigen Spaß ganz besonderer Art. Madame Duval zu Car¬
III. 18
deutſches Dorf, das nicht ſeine Schule hätte. Wie ſteht es aber um dieſen letzten Punkt in Frankreich!“ —
„Und wiederum die Menge deutſcher Theater, deren Zahl über ſiebenzig hinausgeht und die doch auch als Träger und Beförderer höherer Volksbildung keines¬ wegs zu verachten. Der Sinn für Muſik und Geſang und ihre Ausübung iſt in keinem Lande verbreitet, wie in Deutſchland, und das iſt auch etwas!“
„Nun denken Sie aber an Städte wie Dresden, München, Stuttgart, Caſſel, Braunſchweig, Hannover, und ähnliche; denken Sie an die großen Lebenselemente, die dieſe Städte in ſich ſelber tragen; denken Sie an die Wirkungen, die von ihnen auf die benachbarten Provinzen ausgehen, und fragen Sie ſich, ob das Alles ſeyn würde, wenn ſie nicht ſeit langen Zeiten die Sitze von Fürſten geweſen?“
„Frankfurt, Bremen, Hamburg, Lübeck ſind groß und glänzend, ihre Wirkungen auf den Wohlſtand von Deutſchland gar nicht zu berechnen. Würden ſie aber wohl bleiben, was ſie ſind, wenn ſie ihre eigene Souverai¬ netät verlieren und irgend einem großen deutſchen Reich als Provinzialſtädte einverleibt werden ſollten? — Ich habe Urſache, daran zu zweifeln.“
Mittwoch, den 3. December 1828*.
Heute hatte ich mit Goethen einen anmuthigen Spaß ganz beſonderer Art. Madame Duval zu Car¬
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deutſches Dorf, das nicht ſeine Schule hätte. Wie
ſteht es aber um dieſen letzten Punkt in Frankreich!“ —
„Und wiederum die Menge deutſcher Theater, deren
Zahl über ſiebenzig hinausgeht und die doch auch als
Träger und Beförderer höherer Volksbildung keines¬
wegs zu verachten. Der Sinn für Muſik und Geſang
und ihre Ausübung iſt in keinem Lande verbreitet,
wie in Deutſchland, und das iſt auch etwas!“
„Nun denken Sie aber an Städte wie Dresden,
München, Stuttgart, Caſſel, Braunſchweig, Hannover,
und ähnliche; denken Sie an die großen Lebenselemente,
die dieſe Städte in ſich ſelber tragen; denken Sie an
die Wirkungen, die von ihnen auf die benachbarten
Provinzen ausgehen, und fragen Sie ſich, ob das Alles
ſeyn würde, wenn ſie nicht ſeit langen Zeiten die Sitze
von Fürſten geweſen?“
„Frankfurt, Bremen, Hamburg, Lübeck ſind groß
und glänzend, ihre Wirkungen auf den Wohlſtand von
Deutſchland gar nicht zu berechnen. Würden ſie aber wohl
bleiben, was ſie ſind, wenn ſie ihre eigene Souverai¬
netät verlieren und irgend einem großen deutſchen Reich
als Provinzialſtädte einverleibt werden ſollten? — Ich
habe Urſache, daran zu zweifeln.“
Mittwoch, den 3. December 1828*.
Heute hatte ich mit Goethen einen anmuthigen
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/295>, abgerufen am 22.11.2024.
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