Frauenzimmern, die schön und jung und dabei von großer Anmuth der Seele waren. -- Ich fühlte mich zu Mancher leidenschaftlich hingezogen; auch fehlte es nicht, daß man mir auf halbem Wege entgegenkam. Allein ich faßte mich und sagte: Nicht weiter! -- Ich kannte meine Stellung und wußte, was ich ihr schuldig war. Ich stand hier nicht als Privatmann, sondern als Chef einer Anstalt, deren Gedeihen mir mehr galt, als mein augenblickliches Glück. Hätte ich mich in irgend einen Liebeshandel eingelassen, so würde ich geworden seyn wie ein Compaß, der unmöglich recht zeigen kann, wenn er einen einwirkenden Magnet an seiner Seite hat."
"Dadurch aber, daß ich mich durchaus rein erhielt und immer Herr meiner Selbst blieb, blieb ich auch Herr des Theaters, und es fehlte mir nie die nöthige Achtung, ohne welche jede Autorität sehr bald dahin ist."
Dieses Bekenntniß Goethe's war mir sehr merk¬ würdig. Ich hatte bereits von Andern etwas Aehn¬ liches über ihn vernommen und freuete mich, jetzt aus seinem eigenen Munde die Bestätigung zu hören. Ich liebte ihn mehr als je, und verließ ihn mit einem herz¬ lichen Händedruck.
Ich ging nach der Brandstelle zurück, wo aus dem großen Trümmerhaufen noch Flammen und Qualm¬ säulen emporstiegen. Man war noch fortwährend mit Löschen und Auseinanderzerren beschäftigt. Ich fand
Frauenzimmern, die ſchön und jung und dabei von großer Anmuth der Seele waren. — Ich fühlte mich zu Mancher leidenſchaftlich hingezogen; auch fehlte es nicht, daß man mir auf halbem Wege entgegenkam. Allein ich faßte mich und ſagte: Nicht weiter! — Ich kannte meine Stellung und wußte, was ich ihr ſchuldig war. Ich ſtand hier nicht als Privatmann, ſondern als Chef einer Anſtalt, deren Gedeihen mir mehr galt, als mein augenblickliches Glück. Hätte ich mich in irgend einen Liebeshandel eingelaſſen, ſo würde ich geworden ſeyn wie ein Compaß, der unmöglich recht zeigen kann, wenn er einen einwirkenden Magnet an ſeiner Seite hat.“
„Dadurch aber, daß ich mich durchaus rein erhielt und immer Herr meiner Selbſt blieb, blieb ich auch Herr des Theaters, und es fehlte mir nie die nöthige Achtung, ohne welche jede Autorität ſehr bald dahin iſt.“
Dieſes Bekenntniß Goethe's war mir ſehr merk¬ würdig. Ich hatte bereits von Andern etwas Aehn¬ liches über ihn vernommen und freuete mich, jetzt aus ſeinem eigenen Munde die Beſtätigung zu hören. Ich liebte ihn mehr als je, und verließ ihn mit einem herz¬ lichen Händedruck.
Ich ging nach der Brandſtelle zurück, wo aus dem großen Trümmerhaufen noch Flammen und Qualm¬ ſäulen emporſtiegen. Man war noch fortwährend mit Löſchen und Auseinanderzerren beſchäftigt. Ich fand
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Frauenzimmern, die ſchön und jung und dabei von
großer Anmuth der Seele waren. — Ich fühlte mich
zu Mancher leidenſchaftlich hingezogen; auch fehlte es
nicht, daß man mir auf halbem Wege entgegenkam.
Allein ich faßte mich und ſagte: Nicht weiter! — Ich
kannte meine Stellung und wußte, was ich ihr ſchuldig
war. Ich ſtand hier nicht als Privatmann, ſondern
als Chef einer Anſtalt, deren Gedeihen mir mehr galt,
als mein augenblickliches Glück. Hätte ich mich in
irgend einen Liebeshandel eingelaſſen, ſo würde ich
geworden ſeyn wie ein Compaß, der unmöglich recht
zeigen kann, wenn er einen einwirkenden Magnet an
ſeiner Seite hat.“
„Dadurch aber, daß ich mich durchaus rein erhielt
und immer Herr meiner Selbſt blieb, blieb ich auch
Herr des Theaters, und es fehlte mir nie die nöthige
Achtung, ohne welche jede Autorität ſehr bald dahin iſt.“
Dieſes Bekenntniß Goethe's war mir ſehr merk¬
würdig. Ich hatte bereits von Andern etwas Aehn¬
liches über ihn vernommen und freuete mich, jetzt aus
ſeinem eigenen Munde die Beſtätigung zu hören. Ich
liebte ihn mehr als je, und verließ ihn mit einem herz¬
lichen Händedruck.
Ich ging nach der Brandſtelle zurück, wo aus dem
großen Trümmerhaufen noch Flammen und Qualm¬
ſäulen emporſtiegen. Man war noch fortwährend mit
Löſchen und Auseinanderzerren beſchäftigt. Ich fand
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/90>, abgerufen am 27.11.2024.
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