Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895].

Bild:
<< vorherige Seite

Manche reden in schönen Worten von
Religion, von den Vorzügen und der Not-
wendigkeit der Religion, aber sie denken sich
dabei etwas ganz anderes, als die christliche
Religion. Bei näherer Prüfung stellt sich
heraus, daß sie wohl die Religion als ein
Bedürfnis des menschlichen Herzens aner-
kennen, daß sie aber in Bezug auf die Be-
friedigung dieses Bedürfnisses sehr genüg-
sam sind. Für sie handelt es sich nicht um
religiöse Wahrheiten und allgemein verbind-
liche Gesetze, sondern um Gefühle und religiöse
Vorstellungen, die jeder sich selbst bilden kann,
wie es ihm zusagt, und die darum bei dem
einen so, bei dem andern anders beschaffen
sind, und nach Gutfinden gewechselt werden
können. Es handelt sich in ihren Augen
nur darum, daß diese religiösen Vorstellun-
gen dem menschlichen Herzen Befriedigung,
einige Erhebung und Erbauung zu bie-
ten vermögen. Manche halten sich schon
für religiös, wenn sie, ohne irgendwie
bestimmte religiöse Anschauungen zu ha-
ben, sich durch einen Gesang, eine Grab-
rede u. s. w. zu edleren Gefühlen und
einigen verschwommenen Ahnungen anregen
lassen.

Manche reden in schönen Worten von
Religion, von den Vorzügen und der Not-
wendigkeit der Religion, aber sie denken sich
dabei etwas ganz anderes, als die christliche
Religion. Bei näherer Prüfung stellt sich
heraus, daß sie wohl die Religion als ein
Bedürfnis des menschlichen Herzens aner-
kennen, daß sie aber in Bezug auf die Be-
friedigung dieses Bedürfnisses sehr genüg-
sam sind. Für sie handelt es sich nicht um
religiöse Wahrheiten und allgemein verbind-
liche Gesetze, sondern um Gefühle und religiöse
Vorstellungen, die jeder sich selbst bilden kann,
wie es ihm zusagt, und die darum bei dem
einen so, bei dem andern anders beschaffen
sind, und nach Gutfinden gewechselt werden
können. Es handelt sich in ihren Augen
nur darum, daß diese religiösen Vorstellun-
gen dem menschlichen Herzen Befriedigung,
einige Erhebung und Erbauung zu bie-
ten vermögen. Manche halten sich schon
für religiös, wenn sie, ohne irgendwie
bestimmte religiöse Anschauungen zu ha-
ben, sich durch einen Gesang, eine Grab-
rede u. s. w. zu edleren Gefühlen und
einigen verschwommenen Ahnungen anregen
lassen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="8">
          <pb facs="#f0070" xml:id="E29V3_001_1895_pb0056_0001" n="56"/>
          <p>Manche reden in schönen Worten von<lb/>
Religion, von den Vorzügen und der Not-<lb/>
wendigkeit der Religion, aber sie denken sich<lb/>
dabei etwas ganz anderes, als die christliche<lb/>
Religion. Bei näherer Prüfung stellt sich<lb/>
heraus, daß sie wohl die Religion als ein<lb/>
Bedürfnis des menschlichen Herzens aner-<lb/>
kennen, daß sie aber in Bezug auf die Be-<lb/>
friedigung dieses Bedürfnisses sehr genüg-<lb/>
sam sind. Für sie handelt es sich nicht um<lb/>
religiöse Wahrheiten und allgemein verbind-<lb/>
liche Gesetze, sondern um Gefühle und religiöse<lb/>
Vorstellungen, die jeder sich selbst bilden kann,<lb/>
wie es ihm zusagt, und die darum bei dem<lb/>
einen so, bei dem andern anders beschaffen<lb/>
sind, und nach Gutfinden gewechselt werden<lb/>
können. Es handelt sich in ihren Augen<lb/>
nur darum, daß diese religiösen Vorstellun-<lb/>
gen dem menschlichen Herzen Befriedigung,<lb/>
einige Erhebung und Erbauung zu bie-<lb/>
ten vermögen. Manche halten sich schon<lb/>
für religiös, wenn sie, ohne irgendwie<lb/>
bestimmte religiöse Anschauungen zu ha-<lb/>
ben, sich durch einen Gesang, eine Grab-<lb/>
rede u. s. w. zu edleren Gefühlen und<lb/>
einigen verschwommenen Ahnungen anregen<lb/>
lassen.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0070] Manche reden in schönen Worten von Religion, von den Vorzügen und der Not- wendigkeit der Religion, aber sie denken sich dabei etwas ganz anderes, als die christliche Religion. Bei näherer Prüfung stellt sich heraus, daß sie wohl die Religion als ein Bedürfnis des menschlichen Herzens aner- kennen, daß sie aber in Bezug auf die Be- friedigung dieses Bedürfnisses sehr genüg- sam sind. Für sie handelt es sich nicht um religiöse Wahrheiten und allgemein verbind- liche Gesetze, sondern um Gefühle und religiöse Vorstellungen, die jeder sich selbst bilden kann, wie es ihm zusagt, und die darum bei dem einen so, bei dem andern anders beschaffen sind, und nach Gutfinden gewechselt werden können. Es handelt sich in ihren Augen nur darum, daß diese religiösen Vorstellun- gen dem menschlichen Herzen Befriedigung, einige Erhebung und Erbauung zu bie- ten vermögen. Manche halten sich schon für religiös, wenn sie, ohne irgendwie bestimmte religiöse Anschauungen zu ha- ben, sich durch einen Gesang, eine Grab- rede u. s. w. zu edleren Gefühlen und einigen verschwommenen Ahnungen anregen lassen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/70
Zitationshilfe: Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/70>, abgerufen am 21.11.2024.