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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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sie, da er durchaus nicht zu ermuntern war, in den
Kahn hineintragen müssen, wo er auch nach einem
kurzen, halbwachen Taumel sogleich wieder in
Schlaf versank. Friedrich saß vorn, die beyden Jä¬
ger in der Mitte, Leontin am Steuerruder lenkte
keck grade auf die Mitte los, die Gewalt des Stro¬
mes faßte recht das Schiffchen, zu beyden Seiten
flogen Weingärten, einsame Schlünde und Felsen¬
riesen mit ausgespreiteten Eichen-Armen, wechselnd
vorüber, als giengen die alten Helden unsichtbar
durch den Himmel und würfen so ihre streiffenden
Schatten über die stille Erde.

Der Himmel hatte sich indeß von neuem über¬
zogen, die Gewitter schienen wieder näher zu kom¬
men. Der eine von den Jägern, der überhaupt
fast noch gar nicht gesprochen, blieb fortwährend
still. Der andere mit dem Rosenkranze dagegen saß
schaukelnd und gefährlich auf dem Rande des Kah¬
nes und hatte beyde Beine darüber heruntergehan¬
gen, die bey jeder Schwankung die Wellen berühr¬
ten. Er sah in das Wasser hinab, wie die flüchti¬
gen Wirbel kühle aufrauschend, dann wieder still,
wunderbar hinunterlockten. Leontin hieß ihn die
Beine einstecken. Was schadt's, sagte der Jäger
innerlich heftig, ich tauge doch nichts auf der Welt,
ich bin schlecht, wär' ich da unten, wäre auf ein¬
mal alles still. -- Oho! rief Leontin, ihr seyd
verliebt, das sind verliebte Sprüche. Sag' an, wie
sieht Dein Liebchen aus? Ist's schlank, stolz, kühn,
voll hohem Graus, ist's Hirsch, Pfau, oder eine

ſie, da er durchaus nicht zu ermuntern war, in den
Kahn hineintragen müſſen, wo er auch nach einem
kurzen, halbwachen Taumel ſogleich wieder in
Schlaf verſank. Friedrich ſaß vorn, die beyden Jä¬
ger in der Mitte, Leontin am Steuerruder lenkte
keck grade auf die Mitte los, die Gewalt des Stro¬
mes faßte recht das Schiffchen, zu beyden Seiten
flogen Weingärten, einſame Schlünde und Felſen¬
rieſen mit ausgeſpreiteten Eichen-Armen, wechſelnd
vorüber, als giengen die alten Helden unſichtbar
durch den Himmel und würfen ſo ihre ſtreiffenden
Schatten über die ſtille Erde.

Der Himmel hatte ſich indeß von neuem über¬
zogen, die Gewitter ſchienen wieder näher zu kom¬
men. Der eine von den Jägern, der überhaupt
faſt noch gar nicht geſprochen, blieb fortwährend
ſtill. Der andere mit dem Roſenkranze dagegen ſaß
ſchaukelnd und gefährlich auf dem Rande des Kah¬
nes und hatte beyde Beine darüber heruntergehan¬
gen, die bey jeder Schwankung die Wellen berühr¬
ten. Er ſah in das Waſſer hinab, wie die flüchti¬
gen Wirbel kühle aufrauſchend, dann wieder ſtill,
wunderbar hinunterlockten. Leontin hieß ihn die
Beine einſtecken. Was ſchadt's, ſagte der Jäger
innerlich heftig, ich tauge doch nichts auf der Welt,
ich bin ſchlecht, wär' ich da unten, wäre auf ein¬
mal alles ſtill. — Oho! rief Leontin, ihr ſeyd
verliebt, das ſind verliebte Sprüche. Sag' an, wie
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voll hohem Graus, iſt's Hirſch, Pfau, oder eine

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[287/0293] ſie, da er durchaus nicht zu ermuntern war, in den Kahn hineintragen müſſen, wo er auch nach einem kurzen, halbwachen Taumel ſogleich wieder in Schlaf verſank. Friedrich ſaß vorn, die beyden Jä¬ ger in der Mitte, Leontin am Steuerruder lenkte keck grade auf die Mitte los, die Gewalt des Stro¬ mes faßte recht das Schiffchen, zu beyden Seiten flogen Weingärten, einſame Schlünde und Felſen¬ rieſen mit ausgeſpreiteten Eichen-Armen, wechſelnd vorüber, als giengen die alten Helden unſichtbar durch den Himmel und würfen ſo ihre ſtreiffenden Schatten über die ſtille Erde. Der Himmel hatte ſich indeß von neuem über¬ zogen, die Gewitter ſchienen wieder näher zu kom¬ men. Der eine von den Jägern, der überhaupt faſt noch gar nicht geſprochen, blieb fortwährend ſtill. Der andere mit dem Roſenkranze dagegen ſaß ſchaukelnd und gefährlich auf dem Rande des Kah¬ nes und hatte beyde Beine darüber heruntergehan¬ gen, die bey jeder Schwankung die Wellen berühr¬ ten. Er ſah in das Waſſer hinab, wie die flüchti¬ gen Wirbel kühle aufrauſchend, dann wieder ſtill, wunderbar hinunterlockten. Leontin hieß ihn die Beine einſtecken. Was ſchadt's, ſagte der Jäger innerlich heftig, ich tauge doch nichts auf der Welt, ich bin ſchlecht, wär' ich da unten, wäre auf ein¬ mal alles ſtill. — Oho! rief Leontin, ihr ſeyd verliebt, das ſind verliebte Sprüche. Sag' an, wie ſieht Dein Liebchen aus? Iſt's ſchlank, ſtolz, kühn, voll hohem Graus, iſt's Hirſch, Pfau, oder eine

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/293>, abgerufen am 23.11.2024.