gleich fern und fremd, wie ein Stern in kalter Win¬ ternacht. Das verlockte aber die lustigen Gesellen nur noch immer mehr auf's Glatteis, und ein hübscher junger Unterlieutenant -- St. Val war sein Name -- der so eben erst aus der Militairschule von Paris an¬ gekommen war und davon hörte, verschwor sich mör¬ derlich, sie müßte sein werden, oder er wollte des Teufels seyn!"
"Unterdeß wurden die Plänkeleien in der Gegend immer ernster, die Offiziere hatten vollauf zu thun und blieben aus, da konnte sich die Gräfin gar nicht wiederfinden in die alte Einsamkeit und das einförmige Rauschen der Wälder. -- So stand sie auch eines Abends allein mit der Amme vor dem Schloß. Der Krieg ging unten wie eine lustige Jagd durch die Berge, zuweilen sahen sie fern in der Abendsonne ein Ge¬ schwader von Reitern aufblitzen, einzelne Trompeten klangen herüber, dann verhallte und verdunkelte nach und nach alles wieder, nur die Flammen brennender Dörfer blieben am Horizonte stehn. Die Gräfin sah lange stumm und unverwandt in das ferne Feuer, dann brach sie still in Weinen aus und sagte für sich: wie ist das herrlich! ach, daß ich kein Mann gewor¬ den bin! ihnen gehört alles, sie regieren die Welt. -- Die kluge Amme erwiederte: desto besser, Kind, desto besser, denn die Frauen regieren wieder die Männer. -- Wie so? -- sagte die Gräfin und sah sie groß an,
gleich fern und fremd, wie ein Stern in kalter Win¬ ternacht. Das verlockte aber die luſtigen Geſellen nur noch immer mehr auf's Glatteis, und ein huͤbſcher junger Unterlieutenant — St. Val war ſein Name — der ſo eben erſt aus der Militairſchule von Paris an¬ gekommen war und davon hoͤrte, verſchwor ſich moͤr¬ derlich, ſie muͤßte ſein werden, oder er wollte des Teufels ſeyn!“
„Unterdeß wurden die Plaͤnkeleien in der Gegend immer ernſter, die Offiziere hatten vollauf zu thun und blieben aus, da konnte ſich die Graͤfin gar nicht wiederfinden in die alte Einſamkeit und das einfoͤrmige Rauſchen der Waͤlder. — So ſtand ſie auch eines Abends allein mit der Amme vor dem Schloß. Der Krieg ging unten wie eine luſtige Jagd durch die Berge, zuweilen ſahen ſie fern in der Abendſonne ein Ge¬ ſchwader von Reitern aufblitzen, einzelne Trompeten klangen heruͤber, dann verhallte und verdunkelte nach und nach alles wieder, nur die Flammen brennender Doͤrfer blieben am Horizonte ſtehn. Die Graͤfin ſah lange ſtumm und unverwandt in das ferne Feuer, dann brach ſie ſtill in Weinen aus und ſagte fuͤr ſich: wie iſt das herrlich! ach, daß ich kein Mann gewor¬ den bin! ihnen gehoͤrt alles, ſie regieren die Welt. — Die kluge Amme erwiederte: deſto beſſer, Kind, deſto beſſer, denn die Frauen regieren wieder die Maͤnner. — Wie ſo? — ſagte die Graͤfin und ſah ſie groß an,
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gleich fern und fremd, wie ein Stern in kalter Win¬
ternacht. Das verlockte aber die luſtigen Geſellen nur
noch immer mehr auf's Glatteis, und ein huͤbſcher
junger Unterlieutenant — St. Val war ſein Name —
der ſo eben erſt aus der Militairſchule von Paris an¬
gekommen war und davon hoͤrte, verſchwor ſich moͤr¬
derlich, ſie muͤßte ſein werden, oder er wollte des
Teufels ſeyn!“
„Unterdeß wurden die Plaͤnkeleien in der Gegend
immer ernſter, die Offiziere hatten vollauf zu thun
und blieben aus, da konnte ſich die Graͤfin gar nicht
wiederfinden in die alte Einſamkeit und das einfoͤrmige
Rauſchen der Waͤlder. — So ſtand ſie auch eines
Abends allein mit der Amme vor dem Schloß. Der
Krieg ging unten wie eine luſtige Jagd durch die Berge,
zuweilen ſahen ſie fern in der Abendſonne ein Ge¬
ſchwader von Reitern aufblitzen, einzelne Trompeten
klangen heruͤber, dann verhallte und verdunkelte nach
und nach alles wieder, nur die Flammen brennender
Doͤrfer blieben am Horizonte ſtehn. Die Graͤfin ſah
lange ſtumm und unverwandt in das ferne Feuer,
dann brach ſie ſtill in Weinen aus und ſagte fuͤr ſich:
wie iſt das herrlich! ach, daß ich kein Mann gewor¬
den bin! ihnen gehoͤrt alles, ſie regieren die Welt. —
Die kluge Amme erwiederte: deſto beſſer, Kind, deſto
beſſer, denn die Frauen regieren wieder die Maͤnner. —
Wie ſo? — ſagte die Graͤfin und ſah ſie groß an,
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/133>, abgerufen am 24.11.2024.
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