Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.In diesen Betrachtungen unterbrach ihn das Ras¬ Es rauschen die Wipfel und schauern. Als machten zu dieser Stund' Um die halbversunkenen Mauern Die alten Götter die Rund'. Hier hinter den Myrthenbäumen In heimlich dämmernder Pracht, Was sprichst du wirr wie in Träumen Zu mir, phantastische Nacht? Es funkeln auf mich alle Sterne Mit glühendem Liebesblick, Es redet trunken die Ferne Wie von künftigem großen Glück! -- In dieſen Betrachtungen unterbrach ihn das Raſ¬ Es rauſchen die Wipfel und ſchauern. Als machten zu dieſer Stund' Um die halbverſunkenen Mauern Die alten Goͤtter die Rund'. Hier hinter den Myrthenbaͤumen In heimlich daͤmmernder Pracht, Was ſprichſt du wirr wie in Traͤumen Zu mir, phantaſtiſche Nacht? Es funkeln auf mich alle Sterne Mit gluͤhendem Liebesblick, Es redet trunken die Ferne Wie von kuͤnftigem großen Gluͤck! — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0195" n="188"/> <p>In dieſen Betrachtungen unterbrach ihn das Raſ¬<lb/> ſeln eines Wagens, der vor dem Schloſſe zu halten<lb/> ſchien. Er ſah durch's Fenſter und konnte bei dem<lb/> Schein einer Fackel nur noch bemerken, wie eine<lb/> ſchlanke Maͤdchengeſtalt aus der altmodiſchen Karoſſe<lb/> behende in das Haus ſchluͤpfte. Im anderen Fluͤgel<lb/> des Palaſtes hoͤrte man nun Thuͤren auf und zuwer¬<lb/> fen, gehen und lachen, dann war ploͤtzlich alles wieder<lb/> ſtill. — Bald darauf aber vernahm er im Garten<lb/> einzelne, langgezogene Klaͤnge einer weiblichen Stimme,<lb/> wie eine Nachtigall, durch das Rauſchen der Wipfel,<lb/> durch welche die Gluͤhwuͤrmer leuchtend hinzogen. Der<lb/> Mond trat eben hervor und verwandelte alles in<lb/> Traum. Da oͤffnete Fortunat alle Fluͤgelthuͤren, er¬<lb/> griff ſeine Guitarre und ſchritt durch die lange Reihe<lb/> der Gemaͤcher ſingend auf und nieder:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Es rauſchen die Wipfel und ſchauern.</l><lb/> <l>Als machten zu dieſer Stund'</l><lb/> <l>Um die halbverſunkenen Mauern</l><lb/> <l>Die alten Goͤtter die Rund'.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Hier hinter den Myrthenbaͤumen</l><lb/> <l>In heimlich daͤmmernder Pracht,</l><lb/> <l>Was ſprichſt du wirr wie in Traͤumen</l><lb/> <l>Zu mir, phantaſtiſche Nacht?</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Es funkeln auf mich alle Sterne</l><lb/> <l>Mit gluͤhendem Liebesblick,</l><lb/> <l>Es redet trunken die Ferne</l><lb/> <l>Wie von kuͤnftigem großen Gluͤck! —</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0195]
In dieſen Betrachtungen unterbrach ihn das Raſ¬
ſeln eines Wagens, der vor dem Schloſſe zu halten
ſchien. Er ſah durch's Fenſter und konnte bei dem
Schein einer Fackel nur noch bemerken, wie eine
ſchlanke Maͤdchengeſtalt aus der altmodiſchen Karoſſe
behende in das Haus ſchluͤpfte. Im anderen Fluͤgel
des Palaſtes hoͤrte man nun Thuͤren auf und zuwer¬
fen, gehen und lachen, dann war ploͤtzlich alles wieder
ſtill. — Bald darauf aber vernahm er im Garten
einzelne, langgezogene Klaͤnge einer weiblichen Stimme,
wie eine Nachtigall, durch das Rauſchen der Wipfel,
durch welche die Gluͤhwuͤrmer leuchtend hinzogen. Der
Mond trat eben hervor und verwandelte alles in
Traum. Da oͤffnete Fortunat alle Fluͤgelthuͤren, er¬
griff ſeine Guitarre und ſchritt durch die lange Reihe
der Gemaͤcher ſingend auf und nieder:
Es rauſchen die Wipfel und ſchauern.
Als machten zu dieſer Stund'
Um die halbverſunkenen Mauern
Die alten Goͤtter die Rund'.
Hier hinter den Myrthenbaͤumen
In heimlich daͤmmernder Pracht,
Was ſprichſt du wirr wie in Traͤumen
Zu mir, phantaſtiſche Nacht?
Es funkeln auf mich alle Sterne
Mit gluͤhendem Liebesblick,
Es redet trunken die Ferne
Wie von kuͤnftigem großen Gluͤck! —
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |