Hier brachen sämmtliche Zuhörer in ein lautes Gelächter aus, nachdem Kordelchen schon während der ganzen Erzählung öfters heimlich gekichert hatte. Dum¬ mes Zeug! rief Grundling ärgerlich, und stürzte zwei Gläser Wein hinter einander aus, was ist da zu la¬ chen? Das war kein Spaß. Vom Felde glotzten mich ein Paar Bauern groß an, ich schämte mich in dem Aufzuge, als ob ich nackt wäre, und sprang ge¬ schwind in's Gebüsch. Aber die Bauern, wie sie das sehen, fangen an zu schreien, und Hurrah hinter mir drein! Ich springe und schlüpfe und duck' mich in Gräben an Zäunen, laufe in der Verwirrung gerade in's Dorf hinein, verwickle mich mit dem langen Rokolor im Gesträuch, da fahren Euch Hunde, Kin¬ der und Weiber aus allen Löchern und alles schreit Mordio. -- So brachten sie mich ganz athemlos zum Pastor. Da hatt' ich nun gut reden, daß ich kein Jesuit, sondern eigentlich ein Philosoph sey, je mehr ich von Aufklärung sprach und auf die Jesuiten schimpfte, je schlauer und verdächtiger lächelte der Pa¬ stor dazu. Endlich gab er zu essen, ich hatte einen erstaunlichen Appetit. Ueber der Mahlzeit aber hör' ich draußen ein Pferd schnauben und scharren, der Pastor geht hinaus, ich vernehme eine feine Silber¬ stimme, die sich voller Verwunderung und sehr eifrig nach mir erkundigt. Als ich an's Fenster trete, erblick' ich unter den alten Linden vor dem Pfarrhause ein
Hier brachen ſaͤmmtliche Zuhoͤrer in ein lautes Gelaͤchter aus, nachdem Kordelchen ſchon waͤhrend der ganzen Erzaͤhlung oͤfters heimlich gekichert hatte. Dum¬ mes Zeug! rief Grundling aͤrgerlich, und ſtuͤrzte zwei Glaͤſer Wein hinter einander aus, was iſt da zu la¬ chen? Das war kein Spaß. Vom Felde glotzten mich ein Paar Bauern groß an, ich ſchaͤmte mich in dem Aufzuge, als ob ich nackt waͤre, und ſprang ge¬ ſchwind in's Gebuͤſch. Aber die Bauern, wie ſie das ſehen, fangen an zu ſchreien, und Hurrah hinter mir drein! Ich ſpringe und ſchluͤpfe und duck' mich in Graͤben an Zaͤunen, laufe in der Verwirrung gerade in's Dorf hinein, verwickle mich mit dem langen Rokolor im Geſtraͤuch, da fahren Euch Hunde, Kin¬ der und Weiber aus allen Loͤchern und alles ſchreit Mordio. — So brachten ſie mich ganz athemlos zum Paſtor. Da hatt' ich nun gut reden, daß ich kein Jeſuit, ſondern eigentlich ein Philoſoph ſey, je mehr ich von Aufklaͤrung ſprach und auf die Jeſuiten ſchimpfte, je ſchlauer und verdaͤchtiger laͤchelte der Pa¬ ſtor dazu. Endlich gab er zu eſſen, ich hatte einen erſtaunlichen Appetit. Ueber der Mahlzeit aber hoͤr' ich draußen ein Pferd ſchnauben und ſcharren, der Paſtor geht hinaus, ich vernehme eine feine Silber¬ ſtimme, die ſich voller Verwunderung und ſehr eifrig nach mir erkundigt. Als ich an's Fenſter trete, erblick' ich unter den alten Linden vor dem Pfarrhauſe ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0213"n="206"/><p>Hier brachen ſaͤmmtliche Zuhoͤrer in ein lautes<lb/>
Gelaͤchter aus, nachdem Kordelchen ſchon waͤhrend der<lb/>
ganzen Erzaͤhlung oͤfters heimlich gekichert hatte. Dum¬<lb/>
mes Zeug! rief Grundling aͤrgerlich, und ſtuͤrzte zwei<lb/>
Glaͤſer Wein hinter einander aus, was iſt da zu la¬<lb/>
chen? Das war kein Spaß. Vom Felde glotzten<lb/>
mich ein Paar Bauern groß an, ich ſchaͤmte mich in<lb/>
dem Aufzuge, als ob ich nackt waͤre, und ſprang ge¬<lb/>ſchwind in's Gebuͤſch. Aber die Bauern, wie ſie das<lb/>ſehen, fangen an zu ſchreien, und Hurrah hinter mir<lb/>
drein! Ich ſpringe und ſchluͤpfe und duck' mich in<lb/>
Graͤben an Zaͤunen, laufe in der Verwirrung gerade<lb/>
in's Dorf hinein, verwickle mich mit dem langen<lb/>
Rokolor im Geſtraͤuch, da fahren Euch Hunde, Kin¬<lb/>
der und Weiber aus allen Loͤchern und alles ſchreit<lb/>
Mordio. — So brachten ſie mich ganz athemlos zum<lb/>
Paſtor. Da hatt' ich nun gut reden, daß ich kein<lb/>
Jeſuit, ſondern eigentlich ein Philoſoph ſey, je mehr<lb/>
ich von Aufklaͤrung ſprach und auf die Jeſuiten<lb/>ſchimpfte, je ſchlauer und verdaͤchtiger laͤchelte der Pa¬<lb/>ſtor dazu. Endlich gab er zu eſſen, ich hatte einen<lb/>
erſtaunlichen Appetit. Ueber der Mahlzeit aber hoͤr'<lb/>
ich draußen ein Pferd ſchnauben und ſcharren, der<lb/>
Paſtor geht hinaus, ich vernehme eine feine Silber¬<lb/>ſtimme, die ſich voller Verwunderung und ſehr eifrig<lb/>
nach mir erkundigt. Als ich an's Fenſter trete, erblick'<lb/>
ich unter den alten Linden vor dem Pfarrhauſe ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[206/0213]
Hier brachen ſaͤmmtliche Zuhoͤrer in ein lautes
Gelaͤchter aus, nachdem Kordelchen ſchon waͤhrend der
ganzen Erzaͤhlung oͤfters heimlich gekichert hatte. Dum¬
mes Zeug! rief Grundling aͤrgerlich, und ſtuͤrzte zwei
Glaͤſer Wein hinter einander aus, was iſt da zu la¬
chen? Das war kein Spaß. Vom Felde glotzten
mich ein Paar Bauern groß an, ich ſchaͤmte mich in
dem Aufzuge, als ob ich nackt waͤre, und ſprang ge¬
ſchwind in's Gebuͤſch. Aber die Bauern, wie ſie das
ſehen, fangen an zu ſchreien, und Hurrah hinter mir
drein! Ich ſpringe und ſchluͤpfe und duck' mich in
Graͤben an Zaͤunen, laufe in der Verwirrung gerade
in's Dorf hinein, verwickle mich mit dem langen
Rokolor im Geſtraͤuch, da fahren Euch Hunde, Kin¬
der und Weiber aus allen Loͤchern und alles ſchreit
Mordio. — So brachten ſie mich ganz athemlos zum
Paſtor. Da hatt' ich nun gut reden, daß ich kein
Jeſuit, ſondern eigentlich ein Philoſoph ſey, je mehr
ich von Aufklaͤrung ſprach und auf die Jeſuiten
ſchimpfte, je ſchlauer und verdaͤchtiger laͤchelte der Pa¬
ſtor dazu. Endlich gab er zu eſſen, ich hatte einen
erſtaunlichen Appetit. Ueber der Mahlzeit aber hoͤr'
ich draußen ein Pferd ſchnauben und ſcharren, der
Paſtor geht hinaus, ich vernehme eine feine Silber¬
ſtimme, die ſich voller Verwunderung und ſehr eifrig
nach mir erkundigt. Als ich an's Fenſter trete, erblick'
ich unter den alten Linden vor dem Pfarrhauſe ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/213>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.