hohes, schlankes Frauenzimmer zu Pferde, im Jagd¬ habit mit nickenden Federn auf dem Haupt. Sie ritt so eben wieder fort, ich konnte ihr Gesicht nicht mehr sehen, aber sie machte von hinten einen recht majestä¬ tischen Eindruck auf meine Sinne. -- Nun kam und ging der Pastor wieder hin und her und hatte immer¬ fort das fatale Lächeln im Gesicht, ich merkte, daß Boten abgeschickt wurden, ich hörte insgeheim vom Gerichtshalter et cetera flüstern, da wurde mir zuletzt Angst, und gegen Abend schlüpfte ich unvermerkt durchs Hinterpförtchen, um die Nacht über nach Heidelberg fortzuwandern. Wie ich aber so vor dem Dorfe am Schloßpark vorüberziehe, hör' ich drin dieselbe Silber¬ stimme sehr angenehm zur Laute singen. Das ficht mich an, ich trete in den Park, immer dreister und weiter -- es war richtig die Reiterin. Sie hatte mich schon erblickt. -- O meine Ahnung! wußt' ich's doch, daß du kommen würdest, frommer Vater, sagte sie, zu mir tretend. Nun hätte das doch mit dem Teufel zugehen müssen, wenn ich ihr Vater hätte seyn sollen, denn sie war älter als ich, und häßlich, lang und ver¬ trocknet. Sie erzählte mir nun in der Geschwindig¬ keit, daß sie Schriftstellerin sey, unter dem Namen Blancheflour, ich würde ihre Schriften wohl kennen, sie habe diesen wichtigen Moment in ihres Herzens Herzen längst ersehnt. -- Aber was wollen Sie denn eigentlich? fragte ich ganz verblüfft. -- Nun mein
hohes, ſchlankes Frauenzimmer zu Pferde, im Jagd¬ habit mit nickenden Federn auf dem Haupt. Sie ritt ſo eben wieder fort, ich konnte ihr Geſicht nicht mehr ſehen, aber ſie machte von hinten einen recht majeſtaͤ¬ tiſchen Eindruck auf meine Sinne. — Nun kam und ging der Paſtor wieder hin und her und hatte immer¬ fort das fatale Laͤcheln im Geſicht, ich merkte, daß Boten abgeſchickt wurden, ich hoͤrte insgeheim vom Gerichtshalter et cetera fluͤſtern, da wurde mir zuletzt Angſt, und gegen Abend ſchluͤpfte ich unvermerkt durchs Hinterpfoͤrtchen, um die Nacht uͤber nach Heidelberg fortzuwandern. Wie ich aber ſo vor dem Dorfe am Schloßpark voruͤberziehe, hoͤr' ich drin dieſelbe Silber¬ ſtimme ſehr angenehm zur Laute ſingen. Das ficht mich an, ich trete in den Park, immer dreiſter und weiter — es war richtig die Reiterin. Sie hatte mich ſchon erblickt. — O meine Ahnung! wußt' ich's doch, daß du kommen wuͤrdeſt, frommer Vater, ſagte ſie, zu mir tretend. Nun haͤtte das doch mit dem Teufel zugehen muͤſſen, wenn ich ihr Vater haͤtte ſeyn ſollen, denn ſie war aͤlter als ich, und haͤßlich, lang und ver¬ trocknet. Sie erzaͤhlte mir nun in der Geſchwindig¬ keit, daß ſie Schriftſtellerin ſey, unter dem Namen Blancheflour, ich wuͤrde ihre Schriften wohl kennen, ſie habe dieſen wichtigen Moment in ihres Herzens Herzen laͤngſt erſehnt. — Aber was wollen Sie denn eigentlich? fragte ich ganz verbluͤfft. — Nun mein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0214"n="207"/>
hohes, ſchlankes Frauenzimmer zu Pferde, im Jagd¬<lb/>
habit mit nickenden Federn auf dem Haupt. Sie ritt<lb/>ſo eben wieder fort, ich konnte ihr Geſicht nicht mehr<lb/>ſehen, aber ſie machte von hinten einen recht majeſtaͤ¬<lb/>
tiſchen Eindruck auf meine Sinne. — Nun kam und<lb/>
ging der Paſtor wieder hin und her und hatte immer¬<lb/>
fort das fatale Laͤcheln im Geſicht, ich merkte, daß<lb/>
Boten abgeſchickt wurden, ich hoͤrte insgeheim vom<lb/>
Gerichtshalter <hirendition="#aq">et cetera</hi> fluͤſtern, da wurde mir zuletzt<lb/>
Angſt, und gegen Abend ſchluͤpfte ich unvermerkt durchs<lb/>
Hinterpfoͤrtchen, um die Nacht uͤber nach Heidelberg<lb/>
fortzuwandern. Wie ich aber ſo vor dem Dorfe am<lb/>
Schloßpark voruͤberziehe, hoͤr' ich drin dieſelbe Silber¬<lb/>ſtimme ſehr angenehm zur Laute ſingen. Das ficht<lb/>
mich an, ich trete in den Park, immer dreiſter und<lb/>
weiter — es war richtig die Reiterin. Sie hatte<lb/>
mich ſchon erblickt. — O meine Ahnung! wußt' ich's<lb/>
doch, daß du kommen wuͤrdeſt, frommer Vater, ſagte<lb/>ſie, zu mir tretend. Nun haͤtte das doch mit dem Teufel<lb/>
zugehen muͤſſen, wenn ich ihr Vater haͤtte ſeyn ſollen,<lb/>
denn ſie war aͤlter als ich, und haͤßlich, lang und ver¬<lb/>
trocknet. Sie erzaͤhlte mir nun in der Geſchwindig¬<lb/>
keit, daß ſie Schriftſtellerin ſey, unter dem Namen<lb/>
Blancheflour, ich wuͤrde ihre Schriften wohl kennen,<lb/>ſie habe dieſen wichtigen Moment in ihres Herzens<lb/>
Herzen laͤngſt erſehnt. — Aber was wollen Sie denn<lb/>
eigentlich? fragte ich ganz verbluͤfft. — Nun mein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[207/0214]
hohes, ſchlankes Frauenzimmer zu Pferde, im Jagd¬
habit mit nickenden Federn auf dem Haupt. Sie ritt
ſo eben wieder fort, ich konnte ihr Geſicht nicht mehr
ſehen, aber ſie machte von hinten einen recht majeſtaͤ¬
tiſchen Eindruck auf meine Sinne. — Nun kam und
ging der Paſtor wieder hin und her und hatte immer¬
fort das fatale Laͤcheln im Geſicht, ich merkte, daß
Boten abgeſchickt wurden, ich hoͤrte insgeheim vom
Gerichtshalter et cetera fluͤſtern, da wurde mir zuletzt
Angſt, und gegen Abend ſchluͤpfte ich unvermerkt durchs
Hinterpfoͤrtchen, um die Nacht uͤber nach Heidelberg
fortzuwandern. Wie ich aber ſo vor dem Dorfe am
Schloßpark voruͤberziehe, hoͤr' ich drin dieſelbe Silber¬
ſtimme ſehr angenehm zur Laute ſingen. Das ficht
mich an, ich trete in den Park, immer dreiſter und
weiter — es war richtig die Reiterin. Sie hatte
mich ſchon erblickt. — O meine Ahnung! wußt' ich's
doch, daß du kommen wuͤrdeſt, frommer Vater, ſagte
ſie, zu mir tretend. Nun haͤtte das doch mit dem Teufel
zugehen muͤſſen, wenn ich ihr Vater haͤtte ſeyn ſollen,
denn ſie war aͤlter als ich, und haͤßlich, lang und ver¬
trocknet. Sie erzaͤhlte mir nun in der Geſchwindig¬
keit, daß ſie Schriftſtellerin ſey, unter dem Namen
Blancheflour, ich wuͤrde ihre Schriften wohl kennen,
ſie habe dieſen wichtigen Moment in ihres Herzens
Herzen laͤngſt erſehnt. — Aber was wollen Sie denn
eigentlich? fragte ich ganz verbluͤfft. — Nun mein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/214>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.