Nacht, wir werden ein Herz und ein Sinn, trinken Brüderschaft, und er proponirt mir, mit ihm zu rei¬ sen. Das Fräulein behandelte mich nun schnöde und verächtlich. Aber ich fragte nichts darnach, am fol¬ genden Morgen saß ich mit dem Lord auf dem Wa¬ gen und wir fuhren durch die Schweiz über Rom, Neapel, zwischen Calabrien und Sicilien durch --
Halt! halt' ein! riefen hier die Andern lachend dazwischen, dein Lebenslauf kommt auf einmal so ver¬ teufelt in's Stürzen, daß einem ordentlich der Wind am Hute pfeift.
Was da Halt! erwiederte Grundling, trinkend und wieder einschenkend. Aber in Spanien ging's uns kurios. Das ist ein verteufelt hitziges Land, kaum hat man dort das Saamenkorn der Weisheit in den Boden gelegt, so schießt's einem auch schon gleich unter den Beinen empor, Disteln und Unkraut, da ist kein Halten mehr, und eh' man sich's versieht, ist einem in dem verrückten Klima die ganze Vegetation über den Kopf gewachsen wie eine ungeheure Pelzmütze. Das haben wir dazumal wohl erfahren. Wir hatten uns durch Prozessionen, an Klöstern und Feudalsitzen vorüber, schon ziemlich tief in's Land hineingeärgert, und ritten eines Abends so eben dem Gebirge zu, als sich ein Paar wackere Burschen zu uns gesellten. Wem's Ernst ist, der feiert nicht gern. Wir knüpften sogleich ein Gespräch aus dem Gebiet der praktischen
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Nacht, wir werden ein Herz und ein Sinn, trinken Bruͤderſchaft, und er proponirt mir, mit ihm zu rei¬ ſen. Das Fraͤulein behandelte mich nun ſchnoͤde und veraͤchtlich. Aber ich fragte nichts darnach, am fol¬ genden Morgen ſaß ich mit dem Lord auf dem Wa¬ gen und wir fuhren durch die Schweiz uͤber Rom, Neapel, zwiſchen Calabrien und Sicilien durch —
Halt! halt' ein! riefen hier die Andern lachend dazwiſchen, dein Lebenslauf kommt auf einmal ſo ver¬ teufelt in's Stuͤrzen, daß einem ordentlich der Wind am Hute pfeift.
Was da Halt! erwiederte Grundling, trinkend und wieder einſchenkend. Aber in Spanien ging's uns kurios. Das iſt ein verteufelt hitziges Land, kaum hat man dort das Saamenkorn der Weisheit in den Boden gelegt, ſo ſchießt's einem auch ſchon gleich unter den Beinen empor, Diſteln und Unkraut, da iſt kein Halten mehr, und eh' man ſich's verſieht, iſt einem in dem verruͤckten Klima die ganze Vegetation uͤber den Kopf gewachſen wie eine ungeheure Pelzmuͤtze. Das haben wir dazumal wohl erfahren. Wir hatten uns durch Prozeſſionen, an Kloͤſtern und Feudalſitzen voruͤber, ſchon ziemlich tief in's Land hineingeaͤrgert, und ritten eines Abends ſo eben dem Gebirge zu, als ſich ein Paar wackere Burſchen zu uns geſellten. Wem's Ernſt iſt, der feiert nicht gern. Wir knuͤpften ſogleich ein Geſpraͤch aus dem Gebiet der praktiſchen
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Nacht, wir werden ein Herz und ein Sinn, trinken
Bruͤderſchaft, und er proponirt mir, mit ihm zu rei¬
ſen. Das Fraͤulein behandelte mich nun ſchnoͤde und
veraͤchtlich. Aber ich fragte nichts darnach, am fol¬
genden Morgen ſaß ich mit dem Lord auf dem Wa¬
gen und wir fuhren durch die Schweiz uͤber Rom,
Neapel, zwiſchen Calabrien und Sicilien durch —
Halt! halt' ein! riefen hier die Andern lachend
dazwiſchen, dein Lebenslauf kommt auf einmal ſo ver¬
teufelt in's Stuͤrzen, daß einem ordentlich der Wind
am Hute pfeift.
Was da Halt! erwiederte Grundling, trinkend
und wieder einſchenkend. Aber in Spanien ging's uns
kurios. Das iſt ein verteufelt hitziges Land, kaum
hat man dort das Saamenkorn der Weisheit in den
Boden gelegt, ſo ſchießt's einem auch ſchon gleich unter
den Beinen empor, Diſteln und Unkraut, da iſt kein
Halten mehr, und eh' man ſich's verſieht, iſt einem
in dem verruͤckten Klima die ganze Vegetation uͤber
den Kopf gewachſen wie eine ungeheure Pelzmuͤtze.
Das haben wir dazumal wohl erfahren. Wir hatten
uns durch Prozeſſionen, an Kloͤſtern und Feudalſitzen
voruͤber, ſchon ziemlich tief in's Land hineingeaͤrgert,
und ritten eines Abends ſo eben dem Gebirge zu, als
ſich ein Paar wackere Burſchen zu uns geſellten.
Wem's Ernſt iſt, der feiert nicht gern. Wir knuͤpften
ſogleich ein Geſpraͤch aus dem Gebiet der praktiſchen
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/216>, abgerufen am 21.11.2024.
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