Philosophie mit ihnen an, bald holten wir noch ein Paar Wanderer ein, und wieder ein Paar, bis wir zuletzt am Fuße des Berges auf einen großen, hellen Haufen stießen. Ich besinne mich nicht lange und haranguire das Volk. Ich sprach vom Aberglauben, von der Freiheit des Willens et cetera, ich kam immer mehr in's Feuer mit donnernder Stimme und zuckenden Gedankenblitzen, das zündet gleich rechts und links, die Kerls jauchzen, schreien Bravi und wieder Bravi, und eh' man die Hand umdreht, mitten in der Rede heben sie mit Piken und Stangen ein altes ab¬ gebrochenes Zelt hoch über ihre Köpfe, schwingen vor Entzücken mich und den Lord auf den Baldachin hin¬ auf, und tragen uns so im Triumph auf ein altes adeliges Schloß zu. Da war's doch nicht anders, als wollten sie mit unseren Köpfen die Mauern ein¬ rennen, denn in der Begeisterung fragten sie den Teu¬ fel darnach, daß das Schloßthor viel zu niedrig war für unseren Baldachin. Zum Glück erblick' ich nebst dem Lord noch zu rechter Zeit einen Balkon gerade vor uns über dem Thore, wir erfaßten schnell das Geländer, die Kerls schritten wie toll unter uns weg, und so blieben wir draußen am Balkon hängen mit den Beinen in der Luft. Jetzt aber entstand unter uns ein Spektakel, ein Gedränge und Gewürge -- denn die Kerls waren Guerillas -- die vom Schloß fielen aus, die Guerillas ein -- zwischen unseren
Philoſophie mit ihnen an, bald holten wir noch ein Paar Wanderer ein, und wieder ein Paar, bis wir zuletzt am Fuße des Berges auf einen großen, hellen Haufen ſtießen. Ich beſinne mich nicht lange und haranguire das Volk. Ich ſprach vom Aberglauben, von der Freiheit des Willens et cetera, ich kam immer mehr in's Feuer mit donnernder Stimme und zuckenden Gedankenblitzen, das zuͤndet gleich rechts und links, die Kerls jauchzen, ſchreien Bravi und wieder Bravi, und eh' man die Hand umdreht, mitten in der Rede heben ſie mit Piken und Stangen ein altes ab¬ gebrochenes Zelt hoch uͤber ihre Koͤpfe, ſchwingen vor Entzuͤcken mich und den Lord auf den Baldachin hin¬ auf, und tragen uns ſo im Triumph auf ein altes adeliges Schloß zu. Da war's doch nicht anders, als wollten ſie mit unſeren Koͤpfen die Mauern ein¬ rennen, denn in der Begeiſterung fragten ſie den Teu¬ fel darnach, daß das Schloßthor viel zu niedrig war fuͤr unſeren Baldachin. Zum Gluͤck erblick' ich nebſt dem Lord noch zu rechter Zeit einen Balkon gerade vor uns uͤber dem Thore, wir erfaßten ſchnell das Gelaͤnder, die Kerls ſchritten wie toll unter uns weg, und ſo blieben wir draußen am Balkon haͤngen mit den Beinen in der Luft. Jetzt aber entſtand unter uns ein Spektakel, ein Gedraͤnge und Gewuͤrge — denn die Kerls waren Guerillas — die vom Schloß fielen aus, die Guerillas ein — zwiſchen unſeren
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Philoſophie mit ihnen an, bald holten wir noch ein
Paar Wanderer ein, und wieder ein Paar, bis wir
zuletzt am Fuße des Berges auf einen großen, hellen
Haufen ſtießen. Ich beſinne mich nicht lange und
haranguire das Volk. Ich ſprach vom Aberglauben,
von der Freiheit des Willens et cetera, ich kam
immer mehr in's Feuer mit donnernder Stimme und
zuckenden Gedankenblitzen, das zuͤndet gleich rechts und
links, die Kerls jauchzen, ſchreien Bravi und wieder
Bravi, und eh' man die Hand umdreht, mitten in der
Rede heben ſie mit Piken und Stangen ein altes ab¬
gebrochenes Zelt hoch uͤber ihre Koͤpfe, ſchwingen vor
Entzuͤcken mich und den Lord auf den Baldachin hin¬
auf, und tragen uns ſo im Triumph auf ein altes
adeliges Schloß zu. Da war's doch nicht anders,
als wollten ſie mit unſeren Koͤpfen die Mauern ein¬
rennen, denn in der Begeiſterung fragten ſie den Teu¬
fel darnach, daß das Schloßthor viel zu niedrig war
fuͤr unſeren Baldachin. Zum Gluͤck erblick' ich nebſt
dem Lord noch zu rechter Zeit einen Balkon gerade
vor uns uͤber dem Thore, wir erfaßten ſchnell das
Gelaͤnder, die Kerls ſchritten wie toll unter uns weg,
und ſo blieben wir draußen am Balkon haͤngen mit
den Beinen in der Luft. Jetzt aber entſtand unter
uns ein Spektakel, ein Gedraͤnge und Gewuͤrge —
denn die Kerls waren Guerillas — die vom Schloß
fielen aus, die Guerillas ein — zwiſchen unſeren
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/217>, abgerufen am 21.11.2024.
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