Beinen hindurch flogen die Kugeln immerfort hin und her, der Lord verwünschte unsere Philosophie, worüber wir noch heftig an einander geriethen. Wie wir nun so bedenklich hängen und streiten, stürzt plötzlich oben im prächtigen Mondschein zwischen blühenden Pome¬ ranzenbäumen das Schloßfräulein auf den Balkon her¬ aus, dunkle Locken, Alabaster-Hals und Busen, und eine Laute im Schwanen-Arm. Die sieht mich pene¬ trant an, und bleibt wie verzaubert stehen, sie sieht mich noch einmal an -- und: "o mein Traum!" ruft sie, und läßt die Laute fallen. Darauf, schnell wie¬ der gefaßt, erwischt sie mich hinten beim Kragen, und hilft erst mir, dann dem Lord rasch über's Ge¬ länder auf den Balkon, in das Pomeranzengemach hinein. Jetzt aber war guter Rath theuer; ich unbe¬ waffnet, kein Schwerdt in der Nähe, und von unten heult das Gedrossel, wie ein versessener Sturmwind, durch das alte Haus immer höher und näher herauf. Der Lord wirft sich noch geschwind an den Sekretair des Fräuleins hin, schreibt sein Testament, und setzt mich zu seinem Universal-Erben ein. Unterdeß aber -- ihr kennt die südliche Glut -- verliebt sich die Prin¬ zessin --
Prinzessin? rief Fortunat, du nanntest sie ja eben noch schlechtweg vorhin Fräulein!
Verliebt sich die Prinzessin, fuhr Grundling immer schneller redend und trinkend fort, immer heftiger in
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Beinen hindurch flogen die Kugeln immerfort hin und her, der Lord verwuͤnſchte unſere Philoſophie, woruͤber wir noch heftig an einander geriethen. Wie wir nun ſo bedenklich haͤngen und ſtreiten, ſtuͤrzt ploͤtzlich oben im praͤchtigen Mondſchein zwiſchen bluͤhenden Pome¬ ranzenbaͤumen das Schloßfraͤulein auf den Balkon her¬ aus, dunkle Locken, Alabaſter-Hals und Buſen, und eine Laute im Schwanen-Arm. Die ſieht mich pene¬ trant an, und bleibt wie verzaubert ſtehen, ſie ſieht mich noch einmal an — und: „o mein Traum!“ ruft ſie, und laͤßt die Laute fallen. Darauf, ſchnell wie¬ der gefaßt, erwiſcht ſie mich hinten beim Kragen, und hilft erſt mir, dann dem Lord raſch uͤber's Ge¬ laͤnder auf den Balkon, in das Pomeranzengemach hinein. Jetzt aber war guter Rath theuer; ich unbe¬ waffnet, kein Schwerdt in der Naͤhe, und von unten heult das Gedroſſel, wie ein verſeſſener Sturmwind, durch das alte Haus immer hoͤher und naͤher herauf. Der Lord wirft ſich noch geſchwind an den Sekretair des Fraͤuleins hin, ſchreibt ſein Teſtament, und ſetzt mich zu ſeinem Univerſal-Erben ein. Unterdeß aber — ihr kennt die ſuͤdliche Glut — verliebt ſich die Prin¬ zeſſin —
Prinzeſſin? rief Fortunat, du nannteſt ſie ja eben noch ſchlechtweg vorhin Fraͤulein!
Verliebt ſich die Prinzeſſin, fuhr Grundling immer ſchneller redend und trinkend fort, immer heftiger in
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Beinen hindurch flogen die Kugeln immerfort hin und
her, der Lord verwuͤnſchte unſere Philoſophie, woruͤber
wir noch heftig an einander geriethen. Wie wir nun
ſo bedenklich haͤngen und ſtreiten, ſtuͤrzt ploͤtzlich oben
im praͤchtigen Mondſchein zwiſchen bluͤhenden Pome¬
ranzenbaͤumen das Schloßfraͤulein auf den Balkon her¬
aus, dunkle Locken, Alabaſter-Hals und Buſen, und
eine Laute im Schwanen-Arm. Die ſieht mich pene¬
trant an, und bleibt wie verzaubert ſtehen, ſie ſieht
mich noch einmal an — und: „o mein Traum!“ ruft
ſie, und laͤßt die Laute fallen. Darauf, ſchnell wie¬
der gefaßt, erwiſcht ſie mich hinten beim Kragen, und
hilft erſt mir, dann dem Lord raſch uͤber's Ge¬
laͤnder auf den Balkon, in das Pomeranzengemach
hinein. Jetzt aber war guter Rath theuer; ich unbe¬
waffnet, kein Schwerdt in der Naͤhe, und von unten
heult das Gedroſſel, wie ein verſeſſener Sturmwind,
durch das alte Haus immer hoͤher und naͤher herauf.
Der Lord wirft ſich noch geſchwind an den Sekretair
des Fraͤuleins hin, ſchreibt ſein Teſtament, und ſetzt
mich zu ſeinem Univerſal-Erben ein. Unterdeß aber —
ihr kennt die ſuͤdliche Glut — verliebt ſich die Prin¬
zeſſin —
Prinzeſſin? rief Fortunat, du nannteſt ſie ja eben
noch ſchlechtweg vorhin Fraͤulein!
Verliebt ſich die Prinzeſſin, fuhr Grundling immer
ſchneller redend und trinkend fort, immer heftiger in
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/218>, abgerufen am 24.11.2024.
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