Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

mich, und erzählt mir, wie sie mich schon früher ein¬
mal im Traume gesehen, mit Uniform und dreieckigem
Hut durch's Morgenroth auf Wolken schwebend, et
cetera.
Jetzt war auch der Lord mit dem Petschiren
des Testaments fertig, die Prinzessin wollte uns aus
dem Schlachtgetümmel heimlich salviren, wir retirirten
durch Kammern und lange Gänge unaufhaltsam immer
höher hinauf, wobei uns noch der eigensinnige Lord
gefährlich wurde, der niemals seine prallen hirschleder¬
nen Hosen ablegen mochte, die nun in dem Mond¬
schein von weitem leuchteten. So kamen wir endlich
auf das flache Schloßdach hinaus, da standen wieder
blühende Granaten und Limonien, in der Mitte plät¬
scherte eine Wasserkunst sehr angenehm, in der Gold¬
fischchen bei dem klaren Mondschein lustig hin und
her fuhren. Aber da war nicht lange Zeit zur Ergötz¬
lichkeit. Unter uns der Kriegslärm, vor uns der
nächtliche Abgrund, dazwischen die schöne Herzogin mit
der südlichen Glut immer dicht hinter mir drein: ich
soll katholisch werden und sie heirathen, oder ich und
sie müßten auf der Stelle sterben! Ich aber kann
mich in der Confusion nicht gleich resolviren, da zieht
sie einen unvernünftig langen Dolch aus dem Gürtel,
preßt mich mit dem linken Arm fest an ihre Brust,
holt mit dem rechten hinter meinem Rücken aus, und
will mich und sich zugleich durch und durch stechen.
In demselben Augenblick platzt die Fallthür neben uns

mich, und erzaͤhlt mir, wie ſie mich ſchon fruͤher ein¬
mal im Traume geſehen, mit Uniform und dreieckigem
Hut durch's Morgenroth auf Wolken ſchwebend, et
cetera.
Jetzt war auch der Lord mit dem Petſchiren
des Teſtaments fertig, die Prinzeſſin wollte uns aus
dem Schlachtgetuͤmmel heimlich ſalviren, wir retirirten
durch Kammern und lange Gaͤnge unaufhaltſam immer
hoͤher hinauf, wobei uns noch der eigenſinnige Lord
gefaͤhrlich wurde, der niemals ſeine prallen hirſchleder¬
nen Hoſen ablegen mochte, die nun in dem Mond¬
ſchein von weitem leuchteten. So kamen wir endlich
auf das flache Schloßdach hinaus, da ſtanden wieder
bluͤhende Granaten und Limonien, in der Mitte plaͤt¬
ſcherte eine Waſſerkunſt ſehr angenehm, in der Gold¬
fiſchchen bei dem klaren Mondſchein luſtig hin und
her fuhren. Aber da war nicht lange Zeit zur Ergoͤtz¬
lichkeit. Unter uns der Kriegslaͤrm, vor uns der
naͤchtliche Abgrund, dazwiſchen die ſchoͤne Herzogin mit
der ſuͤdlichen Glut immer dicht hinter mir drein: ich
ſoll katholiſch werden und ſie heirathen, oder ich und
ſie muͤßten auf der Stelle ſterben! Ich aber kann
mich in der Confuſion nicht gleich reſolviren, da zieht
ſie einen unvernuͤnftig langen Dolch aus dem Guͤrtel,
preßt mich mit dem linken Arm feſt an ihre Bruſt,
holt mit dem rechten hinter meinem Ruͤcken aus, und
will mich und ſich zugleich durch und durch ſtechen.
In demſelben Augenblick platzt die Fallthuͤr neben uns

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0219" n="212"/>
mich, und erza&#x0364;hlt mir, wie &#x017F;ie mich &#x017F;chon fru&#x0364;her ein¬<lb/>
mal im Traume ge&#x017F;ehen, mit Uniform und dreieckigem<lb/>
Hut durch's Morgenroth auf Wolken &#x017F;chwebend, <hi rendition="#aq">et<lb/>
cetera.</hi> Jetzt war auch der Lord mit dem Pet&#x017F;chiren<lb/>
des Te&#x017F;taments fertig, die Prinze&#x017F;&#x017F;in wollte uns aus<lb/>
dem Schlachtgetu&#x0364;mmel heimlich &#x017F;alviren, wir retirirten<lb/>
durch Kammern und lange Ga&#x0364;nge unaufhalt&#x017F;am immer<lb/>
ho&#x0364;her hinauf, wobei uns noch der eigen&#x017F;innige Lord<lb/>
gefa&#x0364;hrlich wurde, der niemals &#x017F;eine prallen hir&#x017F;chleder¬<lb/>
nen Ho&#x017F;en ablegen mochte, die nun in dem Mond¬<lb/>
&#x017F;chein von weitem leuchteten. So kamen wir endlich<lb/>
auf das flache Schloßdach hinaus, da &#x017F;tanden wieder<lb/>
blu&#x0364;hende Granaten und Limonien, in der Mitte pla&#x0364;<lb/>
&#x017F;cherte eine Wa&#x017F;&#x017F;erkun&#x017F;t &#x017F;ehr angenehm, in der Gold¬<lb/>
fi&#x017F;chchen bei dem klaren Mond&#x017F;chein lu&#x017F;tig hin und<lb/>
her fuhren. Aber da war nicht lange Zeit zur Ergo&#x0364;tz¬<lb/>
lichkeit. Unter uns der Kriegsla&#x0364;rm, vor uns der<lb/>
na&#x0364;chtliche Abgrund, dazwi&#x017F;chen die &#x017F;cho&#x0364;ne Herzogin mit<lb/>
der &#x017F;u&#x0364;dlichen Glut immer dicht hinter mir drein: ich<lb/>
&#x017F;oll katholi&#x017F;ch werden und &#x017F;ie heirathen, oder ich und<lb/>
&#x017F;ie mu&#x0364;ßten auf der Stelle &#x017F;terben! Ich aber kann<lb/>
mich in der Confu&#x017F;ion nicht gleich re&#x017F;olviren, da zieht<lb/>
&#x017F;ie einen unvernu&#x0364;nftig langen Dolch aus dem Gu&#x0364;rtel,<lb/>
preßt mich mit dem linken Arm fe&#x017F;t an ihre Bru&#x017F;t,<lb/>
holt mit dem rechten hinter meinem Ru&#x0364;cken aus, und<lb/>
will mich und &#x017F;ich zugleich durch und durch &#x017F;techen.<lb/>
In dem&#x017F;elben Augenblick platzt die Fallthu&#x0364;r neben uns<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0219] mich, und erzaͤhlt mir, wie ſie mich ſchon fruͤher ein¬ mal im Traume geſehen, mit Uniform und dreieckigem Hut durch's Morgenroth auf Wolken ſchwebend, et cetera. Jetzt war auch der Lord mit dem Petſchiren des Teſtaments fertig, die Prinzeſſin wollte uns aus dem Schlachtgetuͤmmel heimlich ſalviren, wir retirirten durch Kammern und lange Gaͤnge unaufhaltſam immer hoͤher hinauf, wobei uns noch der eigenſinnige Lord gefaͤhrlich wurde, der niemals ſeine prallen hirſchleder¬ nen Hoſen ablegen mochte, die nun in dem Mond¬ ſchein von weitem leuchteten. So kamen wir endlich auf das flache Schloßdach hinaus, da ſtanden wieder bluͤhende Granaten und Limonien, in der Mitte plaͤt¬ ſcherte eine Waſſerkunſt ſehr angenehm, in der Gold¬ fiſchchen bei dem klaren Mondſchein luſtig hin und her fuhren. Aber da war nicht lange Zeit zur Ergoͤtz¬ lichkeit. Unter uns der Kriegslaͤrm, vor uns der naͤchtliche Abgrund, dazwiſchen die ſchoͤne Herzogin mit der ſuͤdlichen Glut immer dicht hinter mir drein: ich ſoll katholiſch werden und ſie heirathen, oder ich und ſie muͤßten auf der Stelle ſterben! Ich aber kann mich in der Confuſion nicht gleich reſolviren, da zieht ſie einen unvernuͤnftig langen Dolch aus dem Guͤrtel, preßt mich mit dem linken Arm feſt an ihre Bruſt, holt mit dem rechten hinter meinem Ruͤcken aus, und will mich und ſich zugleich durch und durch ſtechen. In demſelben Augenblick platzt die Fallthuͤr neben uns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/219
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/219>, abgerufen am 21.11.2024.