wenn er mit seinem Lärm nicht alles verrathen sollte; mein Freund hatte in seiner kleinen Theatergarderobe zufällig eine Jesuitenkleidung, in die wir dann den Trunkenen hineinknöpften, und des Nachts auf der Landstraße wieder aussetzten. -- Nun wahrlich, rief Fortunat lachend aus, das ist ja ein wahrer Sturm¬ beutel voll Lügen!
Währenddeß ruhte Guido, der nach den heftigen Gemüthsbewegungen über Grundlings Erzählung ein¬ geschlummert war, draußen im Gärtchen, noch im Schlafe malerisch über einen zertrümmerten Säulen¬ knauf hingestreckt. Otto aber blickte immerfort unver¬ wandt in die Straße hinaus, auch er hatte vorhin jene flüchtige Mädchengestalt bemerkt, und schien zer¬ streut und unruhig. Endlich hielt er sich nicht länger, und schlug Fortunaten hastig noch einen Streifzug durch die Stadt vor, was dieser mit Freuden annahm. Kordelchen blickte beide listig an: felicissima notte! sagte sie dann mit einem ganz besonderen schelmischen Nachdruck, und als sich Otto unwillig darüber zu ihr wandte, war das wilde Mädchen schon im Hause, und hatte die Thür laut lachend hinter sich verschlossen.
Sie eilten nun aus dem Gewirre der kleinen, engen Gäßchen in's Freie hinaus, Zittern schwirrten von fern durch die stille Luft, die Straßen waren noch voll Menschen, die fröhlich plaudernd und singend, in der erquickenden Kühle auf und nieder schwärmten. Otto
wenn er mit ſeinem Laͤrm nicht alles verrathen ſollte; mein Freund hatte in ſeiner kleinen Theatergarderobe zufaͤllig eine Jeſuitenkleidung, in die wir dann den Trunkenen hineinknoͤpften, und des Nachts auf der Landſtraße wieder ausſetzten. — Nun wahrlich, rief Fortunat lachend aus, das iſt ja ein wahrer Sturm¬ beutel voll Luͤgen!
Waͤhrenddeß ruhte Guido, der nach den heftigen Gemuͤthsbewegungen uͤber Grundlings Erzaͤhlung ein¬ geſchlummert war, draußen im Gaͤrtchen, noch im Schlafe maleriſch uͤber einen zertruͤmmerten Saͤulen¬ knauf hingeſtreckt. Otto aber blickte immerfort unver¬ wandt in die Straße hinaus, auch er hatte vorhin jene fluͤchtige Maͤdchengeſtalt bemerkt, und ſchien zer¬ ſtreut und unruhig. Endlich hielt er ſich nicht laͤnger, und ſchlug Fortunaten haſtig noch einen Streifzug durch die Stadt vor, was dieſer mit Freuden annahm. Kordelchen blickte beide liſtig an: felicissima notte! ſagte ſie dann mit einem ganz beſonderen ſchelmiſchen Nachdruck, und als ſich Otto unwillig daruͤber zu ihr wandte, war das wilde Maͤdchen ſchon im Hauſe, und hatte die Thuͤr laut lachend hinter ſich verſchloſſen.
Sie eilten nun aus dem Gewirre der kleinen, engen Gaͤßchen in's Freie hinaus, Zittern ſchwirrten von fern durch die ſtille Luft, die Straßen waren noch voll Menſchen, die froͤhlich plaudernd und ſingend, in der erquickenden Kuͤhle auf und nieder ſchwaͤrmten. Otto
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wenn er mit ſeinem Laͤrm nicht alles verrathen ſollte;
mein Freund hatte in ſeiner kleinen Theatergarderobe
zufaͤllig eine Jeſuitenkleidung, in die wir dann den
Trunkenen hineinknoͤpften, und des Nachts auf der
Landſtraße wieder ausſetzten. — Nun wahrlich, rief
Fortunat lachend aus, das iſt ja ein wahrer Sturm¬
beutel voll Luͤgen!
Waͤhrenddeß ruhte Guido, der nach den heftigen
Gemuͤthsbewegungen uͤber Grundlings Erzaͤhlung ein¬
geſchlummert war, draußen im Gaͤrtchen, noch im
Schlafe maleriſch uͤber einen zertruͤmmerten Saͤulen¬
knauf hingeſtreckt. Otto aber blickte immerfort unver¬
wandt in die Straße hinaus, auch er hatte vorhin
jene fluͤchtige Maͤdchengeſtalt bemerkt, und ſchien zer¬
ſtreut und unruhig. Endlich hielt er ſich nicht laͤnger,
und ſchlug Fortunaten haſtig noch einen Streifzug
durch die Stadt vor, was dieſer mit Freuden annahm.
Kordelchen blickte beide liſtig an: felicissima notte!
ſagte ſie dann mit einem ganz beſonderen ſchelmiſchen
Nachdruck, und als ſich Otto unwillig daruͤber zu ihr
wandte, war das wilde Maͤdchen ſchon im Hauſe,
und hatte die Thuͤr laut lachend hinter ſich verſchloſſen.
Sie eilten nun aus dem Gewirre der kleinen, engen
Gaͤßchen in's Freie hinaus, Zittern ſchwirrten von fern
durch die ſtille Luft, die Straßen waren noch voll
Menſchen, die froͤhlich plaudernd und ſingend, in der
erquickenden Kuͤhle auf und nieder ſchwaͤrmten. Otto
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/222>, abgerufen am 24.11.2024.
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