unterdeß auf einen Stein gestellt, und reichte so bis an's Fenster. Das Mädchen legte den schönen Arm vertraulich um seinen Nacken, sich hinausbeugend, daß ihre dunklen Locken aufgingen und den Freund von allen Seiten umgaben; dabei sah sie unverwandt For¬ tunaten an, dem sie nicht recht zu trauen schien. Nein! nein! rief sie endlich, nicht ohne Koketterie ihre Locken wieder aus der Stirn schüttelnd, was fragt ihr fremden Herren nach dem Ruf eines armen römi¬ schen Mädchens! Die Nachbaren wachen noch und alle Fenster sehen im Mondschein wie glänzende Augen her, gute Nacht! Hiermit warf sie noch unversehens jedem einen frischen Blumenstrauß in's Gesicht, und schloß schnell das Fenster.
Währenddeß waren zwei Frauenzimmer, dicht in seidene Mäntel verhüllt, eilig über den Platz gegan¬ gen. Fortunaten kam es vor, als hätten sie ihn im Vorüberstreifen scharf und verwundert angesehen. Er hörte sie darauf leise und eifrig mit einander sprechen, die eine sah noch einmal zurück, dann waren beide schnell verschwunden.
O wie wunderschön sie ist! rief Otto, noch immer nach dem Fenster schauend, aus, und erzählte nun be¬ geistert, wie er sein Liebchen auf einem ländlichen Feste zum erstenmale gesehen, wie sie mit ihren armen Eltern eingezogen aber fröhlich lebe, wie sie von ihm Deutsch und er von ihr Poesie lerne, weil ihre Gegen¬
unterdeß auf einen Stein geſtellt, und reichte ſo bis an's Fenſter. Das Maͤdchen legte den ſchoͤnen Arm vertraulich um ſeinen Nacken, ſich hinausbeugend, daß ihre dunklen Locken aufgingen und den Freund von allen Seiten umgaben; dabei ſah ſie unverwandt For¬ tunaten an, dem ſie nicht recht zu trauen ſchien. Nein! nein! rief ſie endlich, nicht ohne Koketterie ihre Locken wieder aus der Stirn ſchuͤttelnd, was fragt ihr fremden Herren nach dem Ruf eines armen roͤmi¬ ſchen Maͤdchens! Die Nachbaren wachen noch und alle Fenſter ſehen im Mondſchein wie glaͤnzende Augen her, gute Nacht! Hiermit warf ſie noch unverſehens jedem einen friſchen Blumenſtrauß in's Geſicht, und ſchloß ſchnell das Fenſter.
Waͤhrenddeß waren zwei Frauenzimmer, dicht in ſeidene Maͤntel verhuͤllt, eilig uͤber den Platz gegan¬ gen. Fortunaten kam es vor, als haͤtten ſie ihn im Voruͤberſtreifen ſcharf und verwundert angeſehen. Er hoͤrte ſie darauf leiſe und eifrig mit einander ſprechen, die eine ſah noch einmal zuruͤck, dann waren beide ſchnell verſchwunden.
O wie wunderſchoͤn ſie iſt! rief Otto, noch immer nach dem Fenſter ſchauend, aus, und erzaͤhlte nun be¬ geiſtert, wie er ſein Liebchen auf einem laͤndlichen Feſte zum erſtenmale geſehen, wie ſie mit ihren armen Eltern eingezogen aber froͤhlich lebe, wie ſie von ihm Deutſch und er von ihr Poeſie lerne, weil ihre Gegen¬
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unterdeß auf einen Stein geſtellt, und reichte ſo bis
an's Fenſter. Das Maͤdchen legte den ſchoͤnen Arm
vertraulich um ſeinen Nacken, ſich hinausbeugend, daß
ihre dunklen Locken aufgingen und den Freund von
allen Seiten umgaben; dabei ſah ſie unverwandt For¬
tunaten an, dem ſie nicht recht zu trauen ſchien.
Nein! nein! rief ſie endlich, nicht ohne Koketterie ihre
Locken wieder aus der Stirn ſchuͤttelnd, was fragt
ihr fremden Herren nach dem Ruf eines armen roͤmi¬
ſchen Maͤdchens! Die Nachbaren wachen noch und
alle Fenſter ſehen im Mondſchein wie glaͤnzende Augen
her, gute Nacht! Hiermit warf ſie noch unverſehens
jedem einen friſchen Blumenſtrauß in's Geſicht, und
ſchloß ſchnell das Fenſter.
Waͤhrenddeß waren zwei Frauenzimmer, dicht in
ſeidene Maͤntel verhuͤllt, eilig uͤber den Platz gegan¬
gen. Fortunaten kam es vor, als haͤtten ſie ihn im
Voruͤberſtreifen ſcharf und verwundert angeſehen. Er
hoͤrte ſie darauf leiſe und eifrig mit einander ſprechen,
die eine ſah noch einmal zuruͤck, dann waren beide
ſchnell verſchwunden.
O wie wunderſchoͤn ſie iſt! rief Otto, noch immer
nach dem Fenſter ſchauend, aus, und erzaͤhlte nun be¬
geiſtert, wie er ſein Liebchen auf einem laͤndlichen Feſte
zum erſtenmale geſehen, wie ſie mit ihren armen
Eltern eingezogen aber froͤhlich lebe, wie ſie von ihm
Deutſch und er von ihr Poeſie lerne, weil ihre Gegen¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/224>, abgerufen am 24.11.2024.
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