von heimlich aufschlagenden Freiheitsflammen von neuem auf diesen vulcanischen Boden verlockt, schon seit längerer Zeit hier heimlich mit wenigen Gleichge¬ sinnten seine Kunst, Gut und Leben an eine Tollheit gesetzt, daß aber jetzt alle Pläne gescheitert, und er selbst als Carbonaro verfolgt werde. -- Der gutmü¬ thige Otto bot sogleich alle seine Kräfte, Geld und Verbindungen zur Hülfe an, er wollte den Unglückli¬ chen zunächst in seinem Hause verbergen, bis sich Ge¬ legenheit fände, ihn heimlich aus dem Lande zu schaf¬ fen. Aber Albert schüttelte mit dem Kopf, daß ihm die langen struppigen Haare Augen und Wangen be¬ deckten. Nicht um mich handelt sich's hier, sagte er, sondern um die Schmach der Zeit. Horch, wie sie draußen jauchzen und mit den Sklavenketten lustig klingeln -- das ist's, was mir das Herz frißt! Hier hörte man verworrene Männerstimmen weiter unten im Walde, die sich zu nähern schienen. Albert blickte wild um sich, und zog einen Degen unter seinem Man¬ tel hervor. Otto erkannte sogleich das Schwert vom großen Kriegsjahre Dreizehn wieder. Die Sbirren sind mir auf der Spur, flüsterte er, eilen Sie fort, es ist gefährlich, die Bahn eines tragischen Geschickes zu kreuzen. Aber Otto war fest entschlossen, lieber das Aeußerste zu wagen, als den Verwirrten in dieser Noth zu verlassen. Rasch und geräuschlos schritten sie unterdeß immer höher in's Gebirge hinauf, Albert
von heimlich aufſchlagenden Freiheitsflammen von neuem auf dieſen vulcaniſchen Boden verlockt, ſchon ſeit laͤngerer Zeit hier heimlich mit wenigen Gleichge¬ ſinnten ſeine Kunſt, Gut und Leben an eine Tollheit geſetzt, daß aber jetzt alle Plaͤne geſcheitert, und er ſelbſt als Carbonaro verfolgt werde. — Der gutmuͤ¬ thige Otto bot ſogleich alle ſeine Kraͤfte, Geld und Verbindungen zur Huͤlfe an, er wollte den Ungluͤckli¬ chen zunaͤchſt in ſeinem Hauſe verbergen, bis ſich Ge¬ legenheit faͤnde, ihn heimlich aus dem Lande zu ſchaf¬ fen. Aber Albert ſchuͤttelte mit dem Kopf, daß ihm die langen ſtruppigen Haare Augen und Wangen be¬ deckten. Nicht um mich handelt ſich's hier, ſagte er, ſondern um die Schmach der Zeit. Horch, wie ſie draußen jauchzen und mit den Sklavenketten luſtig klingeln — das iſt's, was mir das Herz frißt! Hier hoͤrte man verworrene Maͤnnerſtimmen weiter unten im Walde, die ſich zu naͤhern ſchienen. Albert blickte wild um ſich, und zog einen Degen unter ſeinem Man¬ tel hervor. Otto erkannte ſogleich das Schwert vom großen Kriegsjahre Dreizehn wieder. Die Sbirren ſind mir auf der Spur, fluͤſterte er, eilen Sie fort, es iſt gefaͤhrlich, die Bahn eines tragiſchen Geſchickes zu kreuzen. Aber Otto war feſt entſchloſſen, lieber das Aeußerſte zu wagen, als den Verwirrten in dieſer Noth zu verlaſſen. Raſch und geraͤuſchlos ſchritten ſie unterdeß immer hoͤher in's Gebirge hinauf, Albert
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0242"n="235"/>
von heimlich aufſchlagenden Freiheitsflammen von<lb/>
neuem auf dieſen vulcaniſchen Boden verlockt, ſchon<lb/>ſeit laͤngerer Zeit hier heimlich mit wenigen Gleichge¬<lb/>ſinnten ſeine Kunſt, Gut und Leben an eine Tollheit<lb/>
geſetzt, daß aber jetzt alle Plaͤne geſcheitert, und er<lb/>ſelbſt als Carbonaro verfolgt werde. — Der gutmuͤ¬<lb/>
thige Otto bot ſogleich alle ſeine Kraͤfte, Geld und<lb/>
Verbindungen zur Huͤlfe an, er wollte den Ungluͤckli¬<lb/>
chen zunaͤchſt in ſeinem Hauſe verbergen, bis ſich Ge¬<lb/>
legenheit faͤnde, ihn heimlich aus dem Lande zu ſchaf¬<lb/>
fen. Aber Albert ſchuͤttelte mit dem Kopf, daß ihm<lb/>
die langen ſtruppigen Haare Augen und Wangen be¬<lb/>
deckten. Nicht um mich handelt ſich's hier, ſagte er,<lb/>ſondern um die Schmach der Zeit. Horch, wie ſie<lb/>
draußen jauchzen und mit den Sklavenketten luſtig<lb/>
klingeln — das iſt's, was mir das Herz frißt! Hier<lb/>
hoͤrte man verworrene Maͤnnerſtimmen weiter unten<lb/>
im Walde, die ſich zu naͤhern ſchienen. Albert blickte<lb/>
wild um ſich, und zog einen Degen unter ſeinem Man¬<lb/>
tel hervor. Otto erkannte ſogleich das Schwert vom<lb/>
großen Kriegsjahre Dreizehn wieder. Die Sbirren<lb/>ſind mir auf der Spur, fluͤſterte er, eilen Sie fort,<lb/>
es iſt gefaͤhrlich, die Bahn eines tragiſchen Geſchickes<lb/>
zu kreuzen. Aber Otto war feſt entſchloſſen, lieber<lb/>
das Aeußerſte zu wagen, als den Verwirrten in dieſer<lb/>
Noth zu verlaſſen. Raſch und geraͤuſchlos ſchritten<lb/>ſie unterdeß immer hoͤher in's Gebirge hinauf, Albert<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[235/0242]
von heimlich aufſchlagenden Freiheitsflammen von
neuem auf dieſen vulcaniſchen Boden verlockt, ſchon
ſeit laͤngerer Zeit hier heimlich mit wenigen Gleichge¬
ſinnten ſeine Kunſt, Gut und Leben an eine Tollheit
geſetzt, daß aber jetzt alle Plaͤne geſcheitert, und er
ſelbſt als Carbonaro verfolgt werde. — Der gutmuͤ¬
thige Otto bot ſogleich alle ſeine Kraͤfte, Geld und
Verbindungen zur Huͤlfe an, er wollte den Ungluͤckli¬
chen zunaͤchſt in ſeinem Hauſe verbergen, bis ſich Ge¬
legenheit faͤnde, ihn heimlich aus dem Lande zu ſchaf¬
fen. Aber Albert ſchuͤttelte mit dem Kopf, daß ihm
die langen ſtruppigen Haare Augen und Wangen be¬
deckten. Nicht um mich handelt ſich's hier, ſagte er,
ſondern um die Schmach der Zeit. Horch, wie ſie
draußen jauchzen und mit den Sklavenketten luſtig
klingeln — das iſt's, was mir das Herz frißt! Hier
hoͤrte man verworrene Maͤnnerſtimmen weiter unten
im Walde, die ſich zu naͤhern ſchienen. Albert blickte
wild um ſich, und zog einen Degen unter ſeinem Man¬
tel hervor. Otto erkannte ſogleich das Schwert vom
großen Kriegsjahre Dreizehn wieder. Die Sbirren
ſind mir auf der Spur, fluͤſterte er, eilen Sie fort,
es iſt gefaͤhrlich, die Bahn eines tragiſchen Geſchickes
zu kreuzen. Aber Otto war feſt entſchloſſen, lieber
das Aeußerſte zu wagen, als den Verwirrten in dieſer
Noth zu verlaſſen. Raſch und geraͤuſchlos ſchritten
ſie unterdeß immer hoͤher in's Gebirge hinauf, Albert
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/242>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.