nen, Lichtern und schönen Frauen-Augen blendend her¬ über. Das Stück war fast zu Ende. Es war, selt¬ sam genug, eben Juanna's frühere Geschichte in Spa¬ nien, alle wilden Waldbäche der Leidenschaft stürzten in dieser letzten Scene wie in einen mächtigen Strom zusammen. Die Schauspielerin, welche Juanna vor¬ stellte, hatte, vielleicht bewußtlos, nach und nach das ganze Wesen der Gräfin angenommen: ihre frische Waldkühle, ihre Stimme, das strenge schöne Gesicht, so funkelte sie mit den dunkelen Augen grade auf Lo¬ thario herüber. -- Lothario sprang erschüttert auf, eine Todtenstille herrschte im ganzen Hause. Da auf einmal beginnt ein Flüstern unten, es wächst und steigt allmählig durch alle Reihen der Zuschauer, viele Köpfe und immer mehrere wenden sich erstaunt nach Lothario herum. -- Was giebt's da? frägt die Fürstin, sich weit aus ihrer Loge hervorlehnend. -- Ein Kammer¬ herr drängt sich eilig vor, auf Lothario deutend: Dort, der Dichter selbst, sie haben ihn erkannt, Graf Victor von Hohenstein. -- Der?! -- entgegnet die Fürstin und sinkt verwirrt auf ihren Sessel zurück.
Unterdeß war der Vorhang gefallen, ein wüthen¬ der Applaus brach plötzlich los, sich immer wieder er¬ neuernd. Den Grafen Victor aber, -- denn er war es wirklich -- erfaßte ein seltsames Grauen vor dem hohlen Sturm des Beifalls, er sah noch einmal da¬ zwischen einen sengenden Blick der Fürstin nach ihm
nen, Lichtern und ſchoͤnen Frauen-Augen blendend her¬ uͤber. Das Stuͤck war faſt zu Ende. Es war, ſelt¬ ſam genug, eben Juanna's fruͤhere Geſchichte in Spa¬ nien, alle wilden Waldbaͤche der Leidenſchaft ſtuͤrzten in dieſer letzten Scene wie in einen maͤchtigen Strom zuſammen. Die Schauſpielerin, welche Juanna vor¬ ſtellte, hatte, vielleicht bewußtlos, nach und nach das ganze Weſen der Graͤfin angenommen: ihre friſche Waldkuͤhle, ihre Stimme, das ſtrenge ſchoͤne Geſicht, ſo funkelte ſie mit den dunkelen Augen grade auf Lo¬ thario heruͤber. — Lothario ſprang erſchuͤttert auf, eine Todtenſtille herrſchte im ganzen Hauſe. Da auf einmal beginnt ein Fluͤſtern unten, es waͤchſt und ſteigt allmaͤhlig durch alle Reihen der Zuſchauer, viele Koͤpfe und immer mehrere wenden ſich erſtaunt nach Lothario herum. — Was giebt's da? fraͤgt die Fuͤrſtin, ſich weit aus ihrer Loge hervorlehnend. — Ein Kammer¬ herr draͤngt ſich eilig vor, auf Lothario deutend: Dort, der Dichter ſelbſt, ſie haben ihn erkannt, Graf Victor von Hohenſtein. — Der?! — entgegnet die Fuͤrſtin und ſinkt verwirrt auf ihren Seſſel zuruͤck.
Unterdeß war der Vorhang gefallen, ein wuͤthen¬ der Applaus brach ploͤtzlich los, ſich immer wieder er¬ neuernd. Den Grafen Victor aber, — denn er war es wirklich — erfaßte ein ſeltſames Grauen vor dem hohlen Sturm des Beifalls, er ſah noch einmal da¬ zwiſchen einen ſengenden Blick der Fuͤrſtin nach ihm
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nen, Lichtern und ſchoͤnen Frauen-Augen blendend her¬
uͤber. Das Stuͤck war faſt zu Ende. Es war, ſelt¬
ſam genug, eben Juanna's fruͤhere Geſchichte in Spa¬
nien, alle wilden Waldbaͤche der Leidenſchaft ſtuͤrzten
in dieſer letzten Scene wie in einen maͤchtigen Strom
zuſammen. Die Schauſpielerin, welche Juanna vor¬
ſtellte, hatte, vielleicht bewußtlos, nach und nach das
ganze Weſen der Graͤfin angenommen: ihre friſche
Waldkuͤhle, ihre Stimme, das ſtrenge ſchoͤne Geſicht,
ſo funkelte ſie mit den dunkelen Augen grade auf Lo¬
thario heruͤber. — Lothario ſprang erſchuͤttert auf,
eine Todtenſtille herrſchte im ganzen Hauſe. Da auf
einmal beginnt ein Fluͤſtern unten, es waͤchſt und ſteigt
allmaͤhlig durch alle Reihen der Zuſchauer, viele Koͤpfe
und immer mehrere wenden ſich erſtaunt nach Lothario
herum. — Was giebt's da? fraͤgt die Fuͤrſtin, ſich
weit aus ihrer Loge hervorlehnend. — Ein Kammer¬
herr draͤngt ſich eilig vor, auf Lothario deutend: Dort,
der Dichter ſelbſt, ſie haben ihn erkannt, Graf Victor
von Hohenſtein. — Der?! — entgegnet die Fuͤrſtin
und ſinkt verwirrt auf ihren Seſſel zuruͤck.
Unterdeß war der Vorhang gefallen, ein wuͤthen¬
der Applaus brach ploͤtzlich los, ſich immer wieder er¬
neuernd. Den Grafen Victor aber, — denn er war
es wirklich — erfaßte ein ſeltſames Grauen vor dem
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zwiſchen einen ſengenden Blick der Fuͤrſtin nach ihm
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/260>, abgerufen am 24.11.2024.
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