sicht zu sitzen, mit den Beinen über dem Abgrunde baumelnd, bis ihm die ersten dicken Regentropfen an die seidenen Strümpfe klatschten. -- Es freut mich -- erwiederte Fortunat, der ganz in den Anblick des wun¬ derbaren Grundes versunken, die letzten Worte fast überhört hatte -- es freut mich recht, daß Sie Vic¬ tors poetische Erscheinung so hoch halten.
Der Begleiter sah ihn aus den schönen Augen scharf und zweifelhaft an. -- Ich bedaure ihn aufrich¬ tig, sagte er dann, denn ich halte die Anstellung als Genie für eine der epinösesten in der Welt. Ein An¬ derer stopft sich seine Pfeife, zieht seinen Schlafrock an, setzt sich auf dem Schreibesel zurecht, und macht seine Arbeiten ab, und geht dann zufrieden in die Ressource, wo er wieder ganz Mensch seyn kann. Aber so ein Genie, zumal ein Dichter, kann das Genie gar nicht los werden; wie ein Spaziergänger, der im Herbst über Feld gegangen, schleppt er die Sommerfäden seiner Träume an Hut und Aermeln bis auf die Ressource nach. Ist dort gar das Fenster offen, so sind die Nachtigallen und Lerchen draußen recht wie versessen auf ihn, und rufen ihn ordentlich bei Namen, ja zu¬ weilen spielt ihm seine kaum halbfertig gedichtete Ge¬ liebte den fatalen Streich, und blickt ihn plötzlich aus den Augen irgend einer albernen Dame an. -- Hier stand er plötzlich selber überrascht still. Sie waren in das Felsenthal hinabgestiegen, und an einen einsamen
ſicht zu ſitzen, mit den Beinen uͤber dem Abgrunde baumelnd, bis ihm die erſten dicken Regentropfen an die ſeidenen Struͤmpfe klatſchten. — Es freut mich — erwiederte Fortunat, der ganz in den Anblick des wun¬ derbaren Grundes verſunken, die letzten Worte faſt uͤberhoͤrt hatte — es freut mich recht, daß Sie Vic¬ tors poetiſche Erſcheinung ſo hoch halten.
Der Begleiter ſah ihn aus den ſchoͤnen Augen ſcharf und zweifelhaft an. — Ich bedaure ihn aufrich¬ tig, ſagte er dann, denn ich halte die Anſtellung als Genie fuͤr eine der epinoͤſeſten in der Welt. Ein An¬ derer ſtopft ſich ſeine Pfeife, zieht ſeinen Schlafrock an, ſetzt ſich auf dem Schreibeſel zurecht, und macht ſeine Arbeiten ab, und geht dann zufrieden in die Reſſource, wo er wieder ganz Menſch ſeyn kann. Aber ſo ein Genie, zumal ein Dichter, kann das Genie gar nicht los werden; wie ein Spaziergaͤnger, der im Herbſt uͤber Feld gegangen, ſchleppt er die Sommerfaͤden ſeiner Traͤume an Hut und Aermeln bis auf die Reſſource nach. Iſt dort gar das Fenſter offen, ſo ſind die Nachtigallen und Lerchen draußen recht wie verſeſſen auf ihn, und rufen ihn ordentlich bei Namen, ja zu¬ weilen ſpielt ihm ſeine kaum halbfertig gedichtete Ge¬ liebte den fatalen Streich, und blickt ihn ploͤtzlich aus den Augen irgend einer albernen Dame an. — Hier ſtand er ploͤtzlich ſelber uͤberraſcht ſtill. Sie waren in das Felſenthal hinabgeſtiegen, und an einen einſamen
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ſicht zu ſitzen, mit den Beinen uͤber dem Abgrunde
baumelnd, bis ihm die erſten dicken Regentropfen an
die ſeidenen Struͤmpfe klatſchten. — Es freut mich —
erwiederte Fortunat, der ganz in den Anblick des wun¬
derbaren Grundes verſunken, die letzten Worte faſt
uͤberhoͤrt hatte — es freut mich recht, daß Sie Vic¬
tors poetiſche Erſcheinung ſo hoch halten.
Der Begleiter ſah ihn aus den ſchoͤnen Augen
ſcharf und zweifelhaft an. — Ich bedaure ihn aufrich¬
tig, ſagte er dann, denn ich halte die Anſtellung als
Genie fuͤr eine der epinoͤſeſten in der Welt. Ein An¬
derer ſtopft ſich ſeine Pfeife, zieht ſeinen Schlafrock an,
ſetzt ſich auf dem Schreibeſel zurecht, und macht ſeine
Arbeiten ab, und geht dann zufrieden in die Reſſource,
wo er wieder ganz Menſch ſeyn kann. Aber ſo ein
Genie, zumal ein Dichter, kann das Genie gar nicht
los werden; wie ein Spaziergaͤnger, der im Herbſt uͤber
Feld gegangen, ſchleppt er die Sommerfaͤden ſeiner
Traͤume an Hut und Aermeln bis auf die Reſſource
nach. Iſt dort gar das Fenſter offen, ſo ſind die
Nachtigallen und Lerchen draußen recht wie verſeſſen
auf ihn, und rufen ihn ordentlich bei Namen, ja zu¬
weilen ſpielt ihm ſeine kaum halbfertig gedichtete Ge¬
liebte den fatalen Streich, und blickt ihn ploͤtzlich aus
den Augen irgend einer albernen Dame an. — Hier
ſtand er ploͤtzlich ſelber uͤberraſcht ſtill. Sie waren in
das Felſenthal hinabgeſtiegen, und an einen einſamen
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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