Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.II. Als noch Lieb' mit mir im Bunde, Hatt' ich Ruhe keine Stunde; Wenn im Schloß noch alle schliefen, War's, als ob süß' Stimmen riefen, Tönend bis zum Herzensgrunde: "Auf! schon gold'ne Strahlen dringen, Heiter funkeln Wald und Garten, Neu erquickt die Vögel singen, Läßt Du so Dein Liebchen warten?" Und vom Lager mußt' ich springen. Doch kein Licht noch sah ich grauen, Draußen durch die nächtlich lauen Räume und die Wolken flogen, Daß die Seele, mitgezogen, Gern versank im tiefen Schauen -- Unten dann die weite Runde, Schlösser glänzend fern erhoben, Nachtigallen aus dem Grunde, Alles wie im Traum verwoben, Mit einander still im Bunde. Wach blieb ich am Fenster stehen,
Kühler schon die Lüfte wehen, Roth schon rings des Himmels Säume, Regten frischer sich die Bäume, Stimmen hört' ich fernab gehen: Und durch Thüren, öde Bogen, II. Als noch Lieb' mit mir im Bunde, Hatt' ich Ruhe keine Stunde; Wenn im Schloß noch alle ſchliefen, War's, als ob ſuͤß' Stimmen riefen, Toͤnend bis zum Herzensgrunde: „Auf! ſchon gold'ne Strahlen dringen, Heiter funkeln Wald und Garten, Neu erquickt die Voͤgel ſingen, Laͤßt Du ſo Dein Liebchen warten?“ Und vom Lager mußt' ich ſpringen. Doch kein Licht noch ſah ich grauen, Draußen durch die naͤchtlich lauen Raͤume und die Wolken flogen, Daß die Seele, mitgezogen, Gern verſank im tiefen Schauen — Unten dann die weite Runde, Schloͤſſer glaͤnzend fern erhoben, Nachtigallen aus dem Grunde, Alles wie im Traum verwoben, Mit einander ſtill im Bunde. Wach blieb ich am Fenſter ſtehen,
Kuͤhler ſchon die Luͤfte wehen, Roth ſchon rings des Himmels Saͤume, Regten friſcher ſich die Baͤume, Stimmen hoͤrt' ich fernab gehen: Und durch Thuͤren, oͤde Bogen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0317" n="299"/> <lg> <head><hi rendition="#aq">II</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <l>Als noch Lieb' mit mir im Bunde,</l><lb/> <l>Hatt' ich Ruhe keine Stunde;</l><lb/> <l>Wenn im Schloß noch alle ſchliefen,</l><lb/> <l>War's, als ob ſuͤß' Stimmen riefen,</l><lb/> <l>Toͤnend bis zum Herzensgrunde:</l><lb/> <l>„Auf! ſchon gold'ne Strahlen dringen,</l><lb/> <l>Heiter funkeln Wald und Garten,</l><lb/> <l>Neu erquickt die Voͤgel ſingen,</l><lb/> <l>Laͤßt Du ſo Dein Liebchen warten?“</l><lb/> <l>Und vom Lager mußt' ich ſpringen.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Doch kein Licht noch ſah ich grauen,</l><lb/> <l>Draußen durch die naͤchtlich lauen</l><lb/> <l>Raͤume und die Wolken flogen,</l><lb/> <l>Daß die Seele, mitgezogen,</l><lb/> <l>Gern verſank im tiefen Schauen —</l><lb/> <l>Unten dann die weite Runde,</l><lb/> <l>Schloͤſſer glaͤnzend fern erhoben,</l><lb/> <l>Nachtigallen aus dem Grunde,</l><lb/> <l>Alles wie im Traum verwoben,</l><lb/> <l>Mit einander ſtill im Bunde.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Wach blieb ich am Fenſter ſtehen,</l><lb/> <l>Kuͤhler ſchon die Luͤfte wehen,</l><lb/> <l>Roth ſchon rings des Himmels Saͤume,</l><lb/> <l>Regten friſcher ſich die Baͤume,</l><lb/> <l>Stimmen hoͤrt' ich fernab gehen:</l><lb/> <l>Und durch Thuͤren, oͤde Bogen,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [299/0317]
II.
Als noch Lieb' mit mir im Bunde,
Hatt' ich Ruhe keine Stunde;
Wenn im Schloß noch alle ſchliefen,
War's, als ob ſuͤß' Stimmen riefen,
Toͤnend bis zum Herzensgrunde:
„Auf! ſchon gold'ne Strahlen dringen,
Heiter funkeln Wald und Garten,
Neu erquickt die Voͤgel ſingen,
Laͤßt Du ſo Dein Liebchen warten?“
Und vom Lager mußt' ich ſpringen.
Doch kein Licht noch ſah ich grauen,
Draußen durch die naͤchtlich lauen
Raͤume und die Wolken flogen,
Daß die Seele, mitgezogen,
Gern verſank im tiefen Schauen —
Unten dann die weite Runde,
Schloͤſſer glaͤnzend fern erhoben,
Nachtigallen aus dem Grunde,
Alles wie im Traum verwoben,
Mit einander ſtill im Bunde.
Wach blieb ich am Fenſter ſtehen,
Kuͤhler ſchon die Luͤfte wehen,
Roth ſchon rings des Himmels Saͤume,
Regten friſcher ſich die Baͤume,
Stimmen hoͤrt' ich fernab gehen:
Und durch Thuͤren, oͤde Bogen,
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