Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Mensch mit einem feinen, bleichen Gesicht stürzten in Menſch mit einem feinen, bleichen Geſicht ſtuͤrzten in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0105" n="95"/> Menſch mit einem feinen, bleichen Geſicht ſtuͤrzten in<lb/> großem Gezaͤnke herein. Der erſchrockene Muſikdirek¬<lb/> tor blieb mit ſeinem aufgehobenen Stabe wie ein ver¬<lb/> ſteinerter Zauberer ſtehen, obgleich die Saͤngerin ſchon<lb/> laͤngſt den langen Triller ploͤtzlich abgeſchnappt hatte,<lb/> und zornig aufgeſtanden war. Alle uͤbrigen ziſchten<lb/> den Neuangekommenen wuͤthend an. „Barbar!“ rief<lb/> ihm einer von dem runden Tiſche zu, „Du rennſt da<lb/> mitten in das ſinnreiche Tableau von der ſchoͤnen Be¬<lb/> ſchreibung hinein, welche der ſeelige Hoffmann, Seite<lb/> 347 des „Frauentaſchenbuchs fuͤr 1816,“ von dem ſchoͤn¬<lb/> ſten Hummelſchen Bilde giebt, das im Herbſt 1814 auf<lb/> der Berliner Kunſtausſtellung zu ſehen war!“ — Aber<lb/> das half alles nichts. „Ach was!“ entgegnete der<lb/> junge Mann, „mit Euren Tableau's von Tableaus!<lb/> Mein ſelbſt erfundenes Bild fuͤr die andern, und mein<lb/> Maͤdchen fuͤr mich allein! So will ich es halten!<lb/> O Du Ungetreue, Du Falſche!“ fuhr er dann von<lb/> neuem gegen das arme Maͤdchen fort, „Du kritiſche<lb/> Seele, die in der Malerkunſt nur den Silberblick, und<lb/> in der Dichtkunſt nur den goldenen Faden ſucht, und<lb/> keinen Liebſten, ſondern nur lauter Schaͤtze hat! Ich<lb/> wuͤnſche Dir hinfuͤhro, anſtatt eines ehrlichen maleri¬<lb/> ſchen Pinſels, einen alten Duca mit einer ganzen<lb/> Muͤnzgrube von Diamanten auf der Naſe, und mit<lb/> hellen Silberblick auf der kahlen Platte, und mit Gold¬<lb/> ſchnitt auf den paar noch uͤbrigen Haaren! Ja nur her¬<lb/> aus mit dem verruchten Zettel, den Du da vorhin vor<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0105]
Menſch mit einem feinen, bleichen Geſicht ſtuͤrzten in
großem Gezaͤnke herein. Der erſchrockene Muſikdirek¬
tor blieb mit ſeinem aufgehobenen Stabe wie ein ver¬
ſteinerter Zauberer ſtehen, obgleich die Saͤngerin ſchon
laͤngſt den langen Triller ploͤtzlich abgeſchnappt hatte,
und zornig aufgeſtanden war. Alle uͤbrigen ziſchten
den Neuangekommenen wuͤthend an. „Barbar!“ rief
ihm einer von dem runden Tiſche zu, „Du rennſt da
mitten in das ſinnreiche Tableau von der ſchoͤnen Be¬
ſchreibung hinein, welche der ſeelige Hoffmann, Seite
347 des „Frauentaſchenbuchs fuͤr 1816,“ von dem ſchoͤn¬
ſten Hummelſchen Bilde giebt, das im Herbſt 1814 auf
der Berliner Kunſtausſtellung zu ſehen war!“ — Aber
das half alles nichts. „Ach was!“ entgegnete der
junge Mann, „mit Euren Tableau's von Tableaus!
Mein ſelbſt erfundenes Bild fuͤr die andern, und mein
Maͤdchen fuͤr mich allein! So will ich es halten!
O Du Ungetreue, Du Falſche!“ fuhr er dann von
neuem gegen das arme Maͤdchen fort, „Du kritiſche
Seele, die in der Malerkunſt nur den Silberblick, und
in der Dichtkunſt nur den goldenen Faden ſucht, und
keinen Liebſten, ſondern nur lauter Schaͤtze hat! Ich
wuͤnſche Dir hinfuͤhro, anſtatt eines ehrlichen maleri¬
ſchen Pinſels, einen alten Duca mit einer ganzen
Muͤnzgrube von Diamanten auf der Naſe, und mit
hellen Silberblick auf der kahlen Platte, und mit Gold¬
ſchnitt auf den paar noch uͤbrigen Haaren! Ja nur her¬
aus mit dem verruchten Zettel, den Du da vorhin vor
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