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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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Knaben begleitet, der stillschweigend und ohne viel auf¬
zublicken neben ihm her ritt. Alle drei hatten sich
vorgenommen, mit einander das schöne Italien zu
durchschweifen, und luden Florio freudig ein, mit ih¬
nen zu reisen. Er aber verneigte sich schweigend, we¬
der einwilligend, noch verneinend, und nahm fortwäh¬
rend an allen ihren Gesprächen nur geringen Antheil.

Die Morgenröthe erhob sich indeß immer höher
und kühler über der wunderschönen Landschaft vor ih¬
nen. Da sagte der heitre Pietro zu Fortunato: "Seht
nur, wie seltsam das Zwielicht über dem Gestein der
alten Ruine auf dem Berge dort spielt! Wie oft bin
ich, schon als Knabe, mit Erstaunen, Neugier und
heimlicher Scheu dort herumgeklettert! Ihr seyd so
vieler Sagen kundig, könnt Ihr uns nicht Auskunft
geben von dem Ursprung und Verfall dieses Schlosses,
von dem so wunderliche Gerüchte im Lande gehen?" --
Florio warf einen Blick nach dem Berge. In einer
großen Einsamkeit lag da altes verfallenes Gemäuer
umher, schöne, halb in die Erde versunkene Säulen und
künstlich gehauene Steine, alles von einer üppig blü¬
henden Wildniß grünverschlungener Ranken, Hecken
und hohen Unkrauts überdeckt. Ein Weiher befand sich
daneben, über dem sich ein zum Theil zertrümmertes
Marmorbild erhob, hell vom Morgen angeglüht. Es
war offenbar dieselbe Gegend, dieselbe Stelle, wo er
den schönen Garten und die Dame gesehen hatte. --
Er schauerte innerlichst zusammen bei dem Anblicke. --
Fortunato aber sagte: "Ich weiß ein altes Lied darauf,

Knaben begleitet, der ſtillſchweigend und ohne viel auf¬
zublicken neben ihm her ritt. Alle drei hatten ſich
vorgenommen, mit einander das ſchoͤne Italien zu
durchſchweifen, und luden Florio freudig ein, mit ih¬
nen zu reiſen. Er aber verneigte ſich ſchweigend, we¬
der einwilligend, noch verneinend, und nahm fortwaͤh¬
rend an allen ihren Geſpraͤchen nur geringen Antheil.

Die Morgenroͤthe erhob ſich indeß immer hoͤher
und kuͤhler uͤber der wunderſchoͤnen Landſchaft vor ih¬
nen. Da ſagte der heitre Pietro zu Fortunato: „Seht
nur, wie ſeltſam das Zwielicht uͤber dem Geſtein der
alten Ruine auf dem Berge dort ſpielt! Wie oft bin
ich, ſchon als Knabe, mit Erſtaunen, Neugier und
heimlicher Scheu dort herumgeklettert! Ihr ſeyd ſo
vieler Sagen kundig, koͤnnt Ihr uns nicht Auskunft
geben von dem Urſprung und Verfall dieſes Schloſſes,
von dem ſo wunderliche Geruͤchte im Lande gehen?“ —
Florio warf einen Blick nach dem Berge. In einer
großen Einſamkeit lag da altes verfallenes Gemaͤuer
umher, ſchoͤne, halb in die Erde verſunkene Saͤulen und
kuͤnſtlich gehauene Steine, alles von einer uͤppig bluͤ¬
henden Wildniß gruͤnverſchlungener Ranken, Hecken
und hohen Unkrauts uͤberdeckt. Ein Weiher befand ſich
daneben, uͤber dem ſich ein zum Theil zertruͤmmertes
Marmorbild erhob, hell vom Morgen angegluͤht. Es
war offenbar dieſelbe Gegend, dieſelbe Stelle, wo er
den ſchoͤnen Garten und die Dame geſehen hatte. —
Er ſchauerte innerlichſt zuſammen bei dem Anblicke. —
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[191/0201] Knaben begleitet, der ſtillſchweigend und ohne viel auf¬ zublicken neben ihm her ritt. Alle drei hatten ſich vorgenommen, mit einander das ſchoͤne Italien zu durchſchweifen, und luden Florio freudig ein, mit ih¬ nen zu reiſen. Er aber verneigte ſich ſchweigend, we¬ der einwilligend, noch verneinend, und nahm fortwaͤh¬ rend an allen ihren Geſpraͤchen nur geringen Antheil. Die Morgenroͤthe erhob ſich indeß immer hoͤher und kuͤhler uͤber der wunderſchoͤnen Landſchaft vor ih¬ nen. Da ſagte der heitre Pietro zu Fortunato: „Seht nur, wie ſeltſam das Zwielicht uͤber dem Geſtein der alten Ruine auf dem Berge dort ſpielt! Wie oft bin ich, ſchon als Knabe, mit Erſtaunen, Neugier und heimlicher Scheu dort herumgeklettert! Ihr ſeyd ſo vieler Sagen kundig, koͤnnt Ihr uns nicht Auskunft geben von dem Urſprung und Verfall dieſes Schloſſes, von dem ſo wunderliche Geruͤchte im Lande gehen?“ — Florio warf einen Blick nach dem Berge. In einer großen Einſamkeit lag da altes verfallenes Gemaͤuer umher, ſchoͤne, halb in die Erde verſunkene Saͤulen und kuͤnſtlich gehauene Steine, alles von einer uͤppig bluͤ¬ henden Wildniß gruͤnverſchlungener Ranken, Hecken und hohen Unkrauts uͤberdeckt. Ein Weiher befand ſich daneben, uͤber dem ſich ein zum Theil zertruͤmmertes Marmorbild erhob, hell vom Morgen angegluͤht. Es war offenbar dieſelbe Gegend, dieſelbe Stelle, wo er den ſchoͤnen Garten und die Dame geſehen hatte. — Er ſchauerte innerlichſt zuſammen bei dem Anblicke. — Fortunato aber ſagte: „Ich weiß ein altes Lied darauf,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/201>, abgerufen am 21.11.2024.