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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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ren. Gar häufig will man auf demselben Platze An¬
fechtungen von Gespenstern verspürt haben, wo sich
bald eine wunderschöne Dame, bald mehrere ansehn¬
liche Kavaliers sehen lassen und die Vorübergehenden
in einem dem Auge vorgestellten erdichteten Garten und
Palast führen." -- "Seyd Ihr jemals droben gewe¬
sen?" fragte hier Florio rasch, aus seinen Gedanken
erwachend. -- "Erst vorgestern Abends," entgegnete
Fortunato. -- "Und habt Ihr nichts Erschreckliches
gesehen?" -- "Nichts," sagte der Sänger, "als den
stillen Weiher und die weißen räthselhaften Steine im
Mondlicht umher und den weiten unendlichen Ster¬
nenhimmel darüber. Ich sang ein altes frommes Lied,
eines von jenen ursprünglichen Liedern, die, wie Erin¬
nerungen und Nachklänge aus einer andern heimathli¬
chen Welt, durch das Paradiesgärtlein unsrer Kindheit
ziehn und ein rechtes Wahrzeichen sind, an dem sich alle
Poetische später in dem ältergewordnen Leben immer
wieder erkennen. Glaubt mir, ein redlicher Dichter
kann viel wagen, denn die Kunst, die ohne Stolz und
Frevel, bespricht und bändigt die wilden Erdengeister,
die aus der Tiefe nach uns langen."

Alle schwiegen, die Sonne ging so eben auf vor
ihnen und warf ihre funkelnden Lichter über die Erde.
Da schüttelte Florio sich an allen Gliedern, sprengte
rasch eine Strecke den andern voraus, und sang mit
heller Stimme:

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ren. Gar haͤufig will man auf demſelben Platze An¬
fechtungen von Geſpenſtern verſpuͤrt haben, wo ſich
bald eine wunderſchoͤne Dame, bald mehrere anſehn¬
liche Kavaliers ſehen laſſen und die Voruͤbergehenden
in einem dem Auge vorgeſtellten erdichteten Garten und
Palaſt fuͤhren.“ — „Seyd Ihr jemals droben gewe¬
ſen?“ fragte hier Florio raſch, aus ſeinen Gedanken
erwachend. — „Erſt vorgeſtern Abends,“ entgegnete
Fortunato. — „Und habt Ihr nichts Erſchreckliches
geſehen?“ — „Nichts,“ ſagte der Saͤnger, „als den
ſtillen Weiher und die weißen raͤthſelhaften Steine im
Mondlicht umher und den weiten unendlichen Ster¬
nenhimmel daruͤber. Ich ſang ein altes frommes Lied,
eines von jenen urſpruͤnglichen Liedern, die, wie Erin¬
nerungen und Nachklaͤnge aus einer andern heimathli¬
chen Welt, durch das Paradiesgaͤrtlein unſrer Kindheit
ziehn und ein rechtes Wahrzeichen ſind, an dem ſich alle
Poetiſche ſpaͤter in dem aͤltergewordnen Leben immer
wieder erkennen. Glaubt mir, ein redlicher Dichter
kann viel wagen, denn die Kunſt, die ohne Stolz und
Frevel, beſpricht und baͤndigt die wilden Erdengeiſter,
die aus der Tiefe nach uns langen.“

Alle ſchwiegen, die Sonne ging ſo eben auf vor
ihnen und warf ihre funkelnden Lichter uͤber die Erde.
Da ſchuͤttelte Florio ſich an allen Gliedern, ſprengte
raſch eine Strecke den andern voraus, und ſang mit
heller Stimme:

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[195/0205] ren. Gar haͤufig will man auf demſelben Platze An¬ fechtungen von Geſpenſtern verſpuͤrt haben, wo ſich bald eine wunderſchoͤne Dame, bald mehrere anſehn¬ liche Kavaliers ſehen laſſen und die Voruͤbergehenden in einem dem Auge vorgeſtellten erdichteten Garten und Palaſt fuͤhren.“ — „Seyd Ihr jemals droben gewe¬ ſen?“ fragte hier Florio raſch, aus ſeinen Gedanken erwachend. — „Erſt vorgeſtern Abends,“ entgegnete Fortunato. — „Und habt Ihr nichts Erſchreckliches geſehen?“ — „Nichts,“ ſagte der Saͤnger, „als den ſtillen Weiher und die weißen raͤthſelhaften Steine im Mondlicht umher und den weiten unendlichen Ster¬ nenhimmel daruͤber. Ich ſang ein altes frommes Lied, eines von jenen urſpruͤnglichen Liedern, die, wie Erin¬ nerungen und Nachklaͤnge aus einer andern heimathli¬ chen Welt, durch das Paradiesgaͤrtlein unſrer Kindheit ziehn und ein rechtes Wahrzeichen ſind, an dem ſich alle Poetiſche ſpaͤter in dem aͤltergewordnen Leben immer wieder erkennen. Glaubt mir, ein redlicher Dichter kann viel wagen, denn die Kunſt, die ohne Stolz und Frevel, beſpricht und baͤndigt die wilden Erdengeiſter, die aus der Tiefe nach uns langen.“ Alle ſchwiegen, die Sonne ging ſo eben auf vor ihnen und warf ihre funkelnden Lichter uͤber die Erde. Da ſchuͤttelte Florio ſich an allen Gliedern, ſprengte raſch eine Strecke den andern voraus, und ſang mit heller Stimme: N 2

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/205>, abgerufen am 21.11.2024.