Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Morgenlied.
Ein Stern still nach dem andern fällt
Tief in des Himmels Kluft,
Schon zucken Strahlen durch die Welt,
Ich wittre Morgenluft.
In Qualmen steigt und sinkt das Thal;
Verödet noch vom Fest,
Liegt still der weite Freudensaal,
Und todt noch alle Gäst'.
Da hebt die Sonne aus dem Meer
Erathmend ihren Lauf:
Zur Erde geht, was feucht und schwer,
Was klar, zu ihr hinauf.
Hebt grüner Wälder Trieb und Macht
Neurauschend in die Luft,
Zieht hinten Städte, eitel Pracht,
Blau' Berge durch den Duft.
Spannt aus die grünen Tepp'che weich,
Von Strömen hell durchrankt,
Und schallend glänzt das frische Reich,
So weit das Auge langt.
Der Mensch nun aus der tiefen Welt
Der Träume tritt heraus,
Freut sich, daß alles noch so hält,
Daß noch das Spiel nicht aus.
Morgenlied.
Ein Stern ſtill nach dem andern faͤllt
Tief in des Himmels Kluft,
Schon zucken Strahlen durch die Welt,
Ich wittre Morgenluft.
In Qualmen ſteigt und ſinkt das Thal;
Veroͤdet noch vom Feſt,
Liegt ſtill der weite Freudenſaal,
Und todt noch alle Gaͤſt'.
Da hebt die Sonne aus dem Meer
Erathmend ihren Lauf:
Zur Erde geht, was feucht und ſchwer,
Was klar, zu ihr hinauf.
Hebt gruͤner Waͤlder Trieb und Macht
Neurauſchend in die Luft,
Zieht hinten Staͤdte, eitel Pracht,
Blau' Berge durch den Duft.
Spannt aus die gruͤnen Tepp'che weich,
Von Stroͤmen hell durchrankt,
Und ſchallend glaͤnzt das friſche Reich,
So weit das Auge langt.
Der Menſch nun aus der tiefen Welt
Der Traͤume tritt heraus,
Freut ſich, daß alles noch ſo haͤlt,
Daß noch das Spiel nicht aus.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0248" n="238"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b #g">Morgenlied.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">E</hi>in Stern &#x017F;till nach dem andern fa&#x0364;llt</l><lb/>
                <l>Tief in des Himmels Kluft,</l><lb/>
                <l>Schon zucken Strahlen durch die Welt,</l><lb/>
                <l>Ich wittre Morgenluft.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="2">
                <l>In Qualmen &#x017F;teigt und &#x017F;inkt das Thal;</l><lb/>
                <l>Vero&#x0364;det noch vom Fe&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Liegt &#x017F;till der weite Freuden&#x017F;aal,</l><lb/>
                <l>Und todt noch alle Ga&#x0364;&#x017F;t'.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Da hebt die Sonne aus dem Meer</l><lb/>
                <l>Erathmend ihren Lauf:</l><lb/>
                <l>Zur Erde geht, was feucht und &#x017F;chwer,</l><lb/>
                <l>Was klar, zu ihr hinauf.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Hebt gru&#x0364;ner Wa&#x0364;lder Trieb und Macht</l><lb/>
                <l>Neurau&#x017F;chend in die Luft,</l><lb/>
                <l>Zieht hinten Sta&#x0364;dte, eitel Pracht,</l><lb/>
                <l>Blau' Berge durch den Duft.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="5">
                <l>Spannt aus die gru&#x0364;nen Tepp'che weich,</l><lb/>
                <l>Von Stro&#x0364;men hell durchrankt,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;challend gla&#x0364;nzt das fri&#x017F;che Reich,</l><lb/>
                <l>So weit das Auge langt.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="6">
                <l>Der Men&#x017F;ch nun aus der tiefen Welt</l><lb/>
                <l>Der Tra&#x0364;ume tritt heraus,</l><lb/>
                <l>Freut &#x017F;ich, daß alles noch &#x017F;o ha&#x0364;lt,</l><lb/>
                <l>Daß noch das Spiel nicht aus.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0248] Morgenlied. Ein Stern ſtill nach dem andern faͤllt Tief in des Himmels Kluft, Schon zucken Strahlen durch die Welt, Ich wittre Morgenluft. In Qualmen ſteigt und ſinkt das Thal; Veroͤdet noch vom Feſt, Liegt ſtill der weite Freudenſaal, Und todt noch alle Gaͤſt'. Da hebt die Sonne aus dem Meer Erathmend ihren Lauf: Zur Erde geht, was feucht und ſchwer, Was klar, zu ihr hinauf. Hebt gruͤner Waͤlder Trieb und Macht Neurauſchend in die Luft, Zieht hinten Staͤdte, eitel Pracht, Blau' Berge durch den Duft. Spannt aus die gruͤnen Tepp'che weich, Von Stroͤmen hell durchrankt, Und ſchallend glaͤnzt das friſche Reich, So weit das Auge langt. Der Menſch nun aus der tiefen Welt Der Traͤume tritt heraus, Freut ſich, daß alles noch ſo haͤlt, Daß noch das Spiel nicht aus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/248
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/248>, abgerufen am 09.11.2024.