Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Und fremde Leute stehen Auf mancher Felsenwand, Und stehen still und sehen So schwindlich über'n Rand." -- Der Bräut'gam schien so traurig Und sprach kein einzig Wort, Schaut in die Wellen schaurig Und rudert immerfort. Sie sprach: "Schon seh' ich Streifen So roth im Morgen steh'n, Und Stimmen hör' ich schweifen, Vom Ufer Hähne kräh'n. Du siehst so still und wilde, So bleich wird Dein Gesicht, Mir graut vor Deinem Bilde -- Du bist mein Bräut'gam nicht!" -- Da stand er auf -- das Sausen Hielt an in Fluth und Wald -- Es rührt mit Lust und Grausen Das Herz ihr die Gestalt. Und wie mit steinern'n Armen
Hob er sie auf voll Lust, Drückt ihren schönen, warmen Leib an die eis'ge Brust. -- Und fremde Leute ſtehen Auf mancher Felſenwand, Und ſtehen ſtill und ſehen So ſchwindlich uͤber'n Rand.“ — Der Braͤut’gam ſchien ſo traurig Und ſprach kein einzig Wort, Schaut in die Wellen ſchaurig Und rudert immerfort. Sie ſprach: „Schon ſeh' ich Streifen So roth im Morgen ſteh'n, Und Stimmen hoͤr' ich ſchweifen, Vom Ufer Haͤhne kraͤh'n. Du ſiehſt ſo ſtill und wilde, So bleich wird Dein Geſicht, Mir graut vor Deinem Bilde — Du biſt mein Braͤut'gam nicht!“ — Da ſtand er auf — das Sauſen Hielt an in Fluth und Wald — Es ruͤhrt mit Luſt und Grauſen Das Herz ihr die Geſtalt. Und wie mit ſteinern'n Armen
Hob er ſie auf voll Luſt, Druͤckt ihren ſchoͤnen, warmen Leib an die eiſ'ge Bruſt. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0285" n="275"/> <lg n="14"> <l>Und fremde Leute ſtehen</l><lb/> <l>Auf mancher Felſenwand,</l><lb/> <l>Und ſtehen ſtill und ſehen</l><lb/> <l>So ſchwindlich uͤber'n Rand.“ —</l><lb/> </lg> <lg n="15"> <l>Der Braͤut’gam ſchien ſo traurig</l><lb/> <l>Und ſprach kein einzig Wort,</l><lb/> <l>Schaut in die Wellen ſchaurig</l><lb/> <l>Und rudert immerfort.</l><lb/> </lg> <lg n="16"> <l>Sie ſprach: „Schon ſeh' ich Streifen</l><lb/> <l>So roth im Morgen ſteh'n,</l><lb/> <l>Und Stimmen hoͤr' ich ſchweifen,</l><lb/> <l>Vom Ufer Haͤhne kraͤh'n.</l><lb/> </lg> <lg n="17"> <l>Du ſiehſt ſo ſtill und wilde,</l><lb/> <l>So bleich wird Dein Geſicht,</l><lb/> <l>Mir graut vor Deinem Bilde —</l><lb/> <l>Du biſt mein Braͤut'gam nicht!“ —</l><lb/> </lg> <lg n="18"> <l>Da ſtand er auf — das Sauſen</l><lb/> <l>Hielt an in Fluth und Wald —</l><lb/> <l>Es ruͤhrt mit Luſt und Grauſen</l><lb/> <l>Das Herz ihr die Geſtalt.</l><lb/> </lg> <lg n="19"> <l>Und wie mit ſteinern'n Armen</l><lb/> <l>Hob er ſie auf voll Luſt,</l><lb/> <l>Druͤckt ihren ſchoͤnen, warmen</l><lb/> <l>Leib an die eiſ'ge Bruſt. —</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [275/0285]
Und fremde Leute ſtehen
Auf mancher Felſenwand,
Und ſtehen ſtill und ſehen
So ſchwindlich uͤber'n Rand.“ —
Der Braͤut’gam ſchien ſo traurig
Und ſprach kein einzig Wort,
Schaut in die Wellen ſchaurig
Und rudert immerfort.
Sie ſprach: „Schon ſeh' ich Streifen
So roth im Morgen ſteh'n,
Und Stimmen hoͤr' ich ſchweifen,
Vom Ufer Haͤhne kraͤh'n.
Du ſiehſt ſo ſtill und wilde,
So bleich wird Dein Geſicht,
Mir graut vor Deinem Bilde —
Du biſt mein Braͤut'gam nicht!“ —
Da ſtand er auf — das Sauſen
Hielt an in Fluth und Wald —
Es ruͤhrt mit Luſt und Grauſen
Das Herz ihr die Geſtalt.
Und wie mit ſteinern'n Armen
Hob er ſie auf voll Luſt,
Druͤckt ihren ſchoͤnen, warmen
Leib an die eiſ'ge Bruſt. —
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