Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Die Alten waren unterdeß von ihrem Spiel auf¬ Die Alten waren unterdeß von ihrem Spiel auf¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0052" n="42"/> <p>Die Alten waren unterdeß von ihrem Spiel auf¬<lb/> gebrochen, die jungen Leute fingen auch an muͤde zu<lb/> werden und zerſtreuten ſich, und ſo wurde es nach und<lb/> nach ganz ſtill und leer vor dem Wirthshauſe. Auch<lb/> das Maͤdchen, das mir den Wein gereicht hatte, ging<lb/> nun nach dem Dorfe zu, aber ſie ging ſehr langſam,<lb/> und ſah ſich zuweilen um, als ob ſie was vergeſſen<lb/> haͤtte. Endlich blieb ſie ſtehen und ſuchte etwas auf<lb/> der Erde, aber ich ſah wohl, daß ſie, wenn ſie ſich<lb/> buͤckte, unter dem Arme hindurch nach mir zuruͤck¬<lb/> blickte. Ich hatte auf dem Schloſſe Lebensart ge¬<lb/> lernt, ich ſprang alſo geſchwind herzu und ſagte:<lb/> „Haben Sie etwas verloren, ſchoͤnſte Mamſell?“ —<lb/> „Ach nein,“ ſagte ſie und wurde uͤber und uͤber roth,<lb/> „es war nur eine Roſe — will Er ſie haben?“ — Ich<lb/> dankte und ſteckte die Roſe ins Knopfloch. Sie ſah<lb/> mich ſehr freundlich an und ſagte: „Er ſpielt recht<lb/> ſchoͤn,“ — „Ja,“ verſetzte ich, „das iſt ſo eine Gabe<lb/> Gottes.“ — „Die Muſikanten ſind hier in der Ge¬<lb/> gend ſehr rar,“ hub das Maͤdchen dann wieder an und<lb/> ſtockte und hatte die Augen beſtaͤndig niedergeſchlagen.<lb/> „Er koͤnnte ſich hier ein gutes Stuͤck Geld verdienen —<lb/> auch mein Vater ſpielt etwas die Geige und hoͤrt gern<lb/> von der Fremde erzaͤhlen — und mein Vater iſt ſehr<lb/> reich.“ — Dann lachte ſie auf <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice> ſagte: „Wenn Er<lb/> nur nicht immer ſolche Grimaſſen machen moͤchte, mit<lb/> dem Kopfe, beim Geigen!“ — „Theuerſte Jungfer,“<lb/> erwiederte ich, „erſtlich: nennen Sie mich nur nicht<lb/> immer Er; ſodann mit dem Kopf-Tremulentzen, das iſt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0052]
Die Alten waren unterdeß von ihrem Spiel auf¬
gebrochen, die jungen Leute fingen auch an muͤde zu
werden und zerſtreuten ſich, und ſo wurde es nach und
nach ganz ſtill und leer vor dem Wirthshauſe. Auch
das Maͤdchen, das mir den Wein gereicht hatte, ging
nun nach dem Dorfe zu, aber ſie ging ſehr langſam,
und ſah ſich zuweilen um, als ob ſie was vergeſſen
haͤtte. Endlich blieb ſie ſtehen und ſuchte etwas auf
der Erde, aber ich ſah wohl, daß ſie, wenn ſie ſich
buͤckte, unter dem Arme hindurch nach mir zuruͤck¬
blickte. Ich hatte auf dem Schloſſe Lebensart ge¬
lernt, ich ſprang alſo geſchwind herzu und ſagte:
„Haben Sie etwas verloren, ſchoͤnſte Mamſell?“ —
„Ach nein,“ ſagte ſie und wurde uͤber und uͤber roth,
„es war nur eine Roſe — will Er ſie haben?“ — Ich
dankte und ſteckte die Roſe ins Knopfloch. Sie ſah
mich ſehr freundlich an und ſagte: „Er ſpielt recht
ſchoͤn,“ — „Ja,“ verſetzte ich, „das iſt ſo eine Gabe
Gottes.“ — „Die Muſikanten ſind hier in der Ge¬
gend ſehr rar,“ hub das Maͤdchen dann wieder an und
ſtockte und hatte die Augen beſtaͤndig niedergeſchlagen.
„Er koͤnnte ſich hier ein gutes Stuͤck Geld verdienen —
auch mein Vater ſpielt etwas die Geige und hoͤrt gern
von der Fremde erzaͤhlen — und mein Vater iſt ſehr
reich.“ — Dann lachte ſie auf und ſagte: „Wenn Er
nur nicht immer ſolche Grimaſſen machen moͤchte, mit
dem Kopfe, beim Geigen!“ — „Theuerſte Jungfer,“
erwiederte ich, „erſtlich: nennen Sie mich nur nicht
immer Er; ſodann mit dem Kopf-Tremulentzen, das iſt
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